Australiens Quade Cooper hat sich 2010 trotz wackliger Verteidigung als einer der weltbesten Verbinder etabliert
Wenn man als Rugby-Webseite etwas auf sich hält gehört es fast schon zum guten nach jedem Turnier, jeder Saison, jeden Monat, nach jedem Spieltag und in jedem Wettbewerb eine Mannschaft mit den besten Spielern zu bestimmen. Da wir hier bei TotalRugby natürlich auch ne ganze Menge auf uns halten, wollen wir uns es nicht nehmen lassen Euch auch unsere - natürlich rein subjektive - Weltauswahl zu präsentieren. Wir hätten dafür natürlich gerne stundenlang Video-Material studiert, in der internationalen Fachpresse recherchiert sowie mit den Vereins- und Nationaltrainer der großen und nicht ganz so großen Rugbynationen gesprochen. Doch am Ende haben wir einfach bei einer Redaktionssitzung - und ein 1-2 Bier (vielleicht waren es auch drei) - die Köpfe zusammengesteckt und unsere Mannschaft des Jahres zu Papier gebracht. Bei Unklarheiten oder gleicher Stimmanzahl wurde gewürfelt. Ihr seid herzlich dazu eingeladen über die Kommentarfunktion Kritik an unserem Kader zu üben und Eure eigene Traummannschaft zu präsentieren. Hier seht ihr welche Spieler in unseren Auge im Pre-Weltmeisterschaftsjahr die Besten waren:
1. Andrew Sheridan (England): Die Art und Weise wie Englands Strongman sich nach der langen Verletzungspause auf der internationlen Rugbybühne zurückgemeldet hat war mehr als beeindruckend. Die schiere Kraft des 194 cm und 121 kg Hünen (er stemmt 225 kg an Hantelbank) macht ihn zu einem der weltbesten Props an den Standardsituationen, doch wir waren vor allem von seinem Arbeitseifer im offenen Spiel beeindruckt, der sicher darin begründet liegt, dass der passionierte Gitarrenspieler (Sheridan spielte während seiner Verletzungspause ein eigenes Album ein) seinen 1. Profivertrag als 3. Reihe-Stürmer unterzeichnete und sich erst langsam über die 2. Sturmreihe bis hin zur seine jetzigen Position an der vordersten Front vorarbeitete.
2. William Servat (Frankreich): Servat musste lange auf seinen Durchbruch in der französischen Nationalmannschaft warten und das obwohl er sich mit seinem Klub Toulouse neben nationalen Meisterehren auch mehre Europacup-Titel sichern konnte. Doch der dynamische Hakler, Servat hat beim aktuellen Heinken Cup Sieger auch immer wieder als Nummer 8 gespielt, feilte weiter an seinem Spiel und ist nun zurecht Frankreichs Nummer 1 auf der zentralen Position im Gedränge. Wie ein guter französischer Rotwein scheint der inzwischen 32-jährige im Alter immer besser zu werden.
3. Martin Castrogiovanni (Italien): Der Italo-Argentinier mit der wilden Mähne und dem noch wilderen Bart ist Garant dafür, dass das italienische Gedränge als eines der Weltbesten gilt und auch in der englischen Premiership verbiegt Castro Woche für Woche seine Gegenspieler fast nach belieben. Kein Wunder also, dass der Publikumsliebling der Leicester Tigers gewisse Begehrlichkeiten bei den finanzstarken Klubs auf der anderen Seite des Channels geweckt hat, aktuell soll Stade Francais versuchen den gebürtigen Gaucho, der in seiner Debütsaison mit Leicester zum besten Spieler der Liga gewählt wurde und in der vergangenen Saison den besten Versuch der Saison erzielte, in die französische Hauptstadt zu locken.
4. Courtney Lawes (England): 2,01 m Schlaks Lawes ist nicht nur der größte sondern zugleich auch der jüngste Spieler in unserer Weltauswahl. Die Vorschusslorbeeren für den 21-jährigen 2. Reihe-Stürmer, der im Verein auch häufig als Flanker aufläuft, waren überaus groß, schließlich hatte Lawes mit Englands U20-Nationalmannschaft das WM-Finale erreicht und in der Premiership durch einige krachende Tacklings von sich reden gemacht, doch zunächst galt es auch für Big C sich hinter den etablierten Simon Shaw und Ex-Kapitän Steven Borthwick einzureihen und geduldig auf Einsatzchancen zu warten. Nach dem Lawes bei seinem Debüt im November 2009 nur 12 Minuten mit von der Partie war, ist er schon ein Jahr später aus dem englischen Team nicht mehr wegzudenken und zweifelsohne Englands bester Akteur über die gesamten November-Tests. Seine Leistungen waren genug, um in unserer Auswahl den Vorzug vor so etablierten Akteueren wie Südafrikas Zerstörer Bakkies Botha, Frankreichs Ex-Kapitän Lionel Nallet oder Neuseelands Dauerbrenner Brad Thorn zu erhalten - nicht schlecht für ein Küken.
5. Victor Matfield (Südafrika): An Südafrikas Rekordnationalspieler führt auch in unserer Aufstellung kein Weg vorbei. Wie groß sein Wert als Leader für das südafrikanische Rugby ist, stellte der 105-fache Nationalspieler zuletzt bei den Novembertests wieder eindrucksvoll unter Beweis, in Abwesenheit von Kapitän John Smit war es der Gassevirtuose, welcher mit seiner Besonnenheit auf und neben dem Spielfeld ein Debakel für die stark ersatzgeschwächte südafrikanische Delegation verhinderte und damit wohl den Kopf vom heftig umstrittenen Springbok Coach Pieter de Villiers rettete.
6. Tom Croft (England): Wenn in der englischen Nationalmannschaft Sprinttraining auf dem Programm steht, wäre man als Zuschauer nicht schlecht beraten ein paar Pfund auf Tom Croft zu setzen. Obwohl Croft mit 105kg bei einer Größe von 1,96m vergleichsweise leicht gebaut ist, scheut er keine körperliche Konfrontation, an den Rucks und Mauls erinnert der unerschrockene Lulatsch eher an einen 2. Reihe-Stürmer als einen pfeilschnellen Sprinter und beim Gassespiel gehört er seit vielen Jahren zu den Weltbesten. Eine Schulterverletzung welche "Crofty" beim letzten Spiel der November-Tests, der Niederlage gegen Südafrika, zuzog macht ein mitwirken beim Six Nations 2011 unmöglich, schon 2010 hatte der 25-jährige, der 2009 in der engeren Auswahl zum Spieler des Jahres stand, aufgrund einer Knieverletzung nicht mit dabei sein können.
7. David Pockock (Australien): Erst im Alter von 14 Jahren war Pocock von Zimbabwe nach Australien gekommen, dort ging es schnell für den strohblonden Flanker, von der 1. Schulmannschaft der Anglican Church Grammar School in Brisbane (dort spielte er an der Seite von Wallabies-Spielmacher Quade Cooper) ging es über die australischen Nachwuchsteams, bis hin in die 2. Mannschaft der Wallabies (Australia A). Im Tri Nations 2009 gelang es dem Breakdown-König dann endgültig Legende George Smith im Trikot mit der Nummer 7 abzulösen, Letzterer verkündete kurz darauf, obwohl zum damaligen Zeitpunkt erst 29, seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft, während Pocock inzwischen längst nicht mehr wegzudenken ist. Seine Balleroberungen an den Kontaktsituationen leiten die gefährlichen Konterangriffe der australischen Hintermannschaft ein, weshalb ein Hauptaugenmerk der Gegner meist darauf gerichtet ist, Pockock möglichst effektiv aus dem Spiel zu nehmen. Der IRB-Spieler des Jahres Richie McCaw hat diesen Spielstil einst revolutioniert, doch in unseren Augen hat Pockock 2010 alles gezeigt was wir auch von McCaw gesehen haben, nur das er dabei stets ein bisschen besser war als der Kapitän der All Blacks.
8. Kieran Read (Neuseeland): Der vielseitig einsetzbare 25-jährige, Read galt lange Zeit als künftiger Cricket-Nationalspieler Neuseelands, feierte sein Debüt im Kader der All Blacks als Nummer 6, konnte sich aber inzwischen als Mittelbock am Gedränge, eine Position die zuvor lange Rasta-Mann Rodney So'oialo innehatte, häuslich einrichten. Der unverwüstliche Crusader bildete bei den Kiwis im abgelaufenen Jahr gemeinsam mit Jerome Kaino und Kapitän Richie McCaw das harmonierenste 3. Reihe-Trio der Gegenwart und seine unerschrockenen Leistungen als Nummer 8 ließen auch den vor Beginn des Tri Nations höher eingeschätzten Springbok Pierre Spies, blass aussehen. Einzig der Franzose Imanol Harinordoquy zeigte 2010 ähnliche Leistungen wie Read, konnte aber seine ausgezeichnete Frühform nicht über die komplette Saison konservieren. Ganz anders Read, der über das ganze Jahr hinweg dazu in der Lage war Woche für Woche Topleistungen abzurufen und damit im Hinblick auf die Mission-Weltmeisterschaft 2011 zu einer zentralen Figur in den Plänen von All Blacks Graham Henry aufgestiegen ist.
9. Will Genia (Australien): Dem auf Papua-Neuguinea geborene Kraftzwerg, Genia stemmt bei einer Körßergröße von 174cm und 82kg Gewicht sagenhafte 172kg an der Hantelbank und ist damit im Verhältnis zum eigenen Körpergewicht der stärkste Spieler im Kader der australischen Wallabies, gelang im 2009 der Durchbruch auf der internationalen Rugbybühne. Der 22-jährige überzeugt nicht nur durch seine robuste Physis, sondern verfügt über ein blitzschnelles Service, wovon vor allem die angriffslustige Hintermannschaft der Australier, aber auch seines Heimteams - den Queensland Reds - profitieren. Nachdem sich Reds Kapitän und Wallaby James Horwill früh im Jahr 2010 verletzt hatte, zeigte Genia so ausgezeichnete Führungsqualitäten, dass er auch in der Nationalmannschaft als möglicher Nachfolger von Flanker Elsom gehandelt wird. Ein weiterer Schritt welcher ihm seinen formidablen Vorgänger, dem internationalen Rekordnationalspieler George Gregan, näher bringen könnte. Eine Erwähung für ihre starke Form 2010 sollten auch Englands Ben Youngs, Neuseelands Piri Weepu und Frankreichs Dimtiri Yachvili finden.
10. Quade Cooper (Australien): Coopers Verteidigung ist miserabel, so miserabel, dass er bei seinem Verein (den Queensland Reds) sogar in einem Sandkasten auf seine etwas betagten Trainer losgelassen wird, um ihm die Angst vor dem Kontakt zu nehmen. Kein anderer Spieler verpasste in der letzten Super Rugby Saison so viele Tacklings wie der australische Spielmacher und das obwohl er in der Verteidigung auf Grund dieser bekannten Schwäche meist als Außendreiviertel agierte. Auch bei den November-Tests erwies sich das Defensivverhalten des Glamour-Boys als nicht besonders sattelfest, doch all diese Unzulänglichkeiten sind spätestens dann vergessen, wenn der Beau sich das Ei unter den Arm klemmt und in unnachahmlicher Art und Weise das Angriffsspiel seiner Fünfzehn ankurbelt - wir wollen nicht wissen wie gut der 22-jährige erst wird, wenn er tatsächlich noch seine Verteidigungsarbeit in den Griff bekommen sollte.
11. Chris Ashton (England): Ashton gelingt als einzigem Hintermannschaftsspieler der Nordhemispähre der Sprung in die Startaufstellung unserer Jahresauswahl und das völlig zu Recht! Ashton ist schnell, sehr schnell, Ashton ist stark, sehr stark und er kennt den Weg ins gegnerische Malfeld nach nur 3 Jahren im Spiel, der 23-jährige spielte bis 2007 Rugby League, schon besser als die meisten seiner Kollege. Der amtierende Top-Try-Scorer der englischen Premiership kommt seit seinem Union-Debüt auf eine beeindruckende Quote von mehr als einem Versuch pro Partie und von diesen zahlreichen Tries ist zumindest der gegen Australien bei den jüngst absolvierten November-Test einer an den man sich noch lange erinnern können wird.
12. Seilala Mapusua (Samoa): Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass der kräftige Samoaner (102 kg bei 180 cm) mit der bei den November-Tests unter Beweis gestellten Form ein sicherer Starter in so ziemlich jeder Nationalmannschaft dieser Erde wäre. Der 30-jährige, der sein Geburtsland Neuseeland im Jugendbereich international vertrat, liefert perfekte Offloads, ist sattelfest in der Verteidigung, ist in der Vorwärtsbewegung unheimlich schwer von den Beinen zu holen und verfügt beim Passspiel über ein ausgesprochen feines Händchen. Seine Erfahrung und seine Fähigkeiten eine Hintermannschaft - vor allem auch in der Defensive zu organisieren - waren ausschlaggebend dafür, dass er von uns den Vorzug vor den beiden kräftigen Kiwis Ma'a Nonu und Sonny Bill Williams erhielt.
13. Seru Rabeni (Fiji): 2009 von Gloucester noch aussortiert führte die Reise von Seru "Rambo" Rabeni über Leeds bis an die Atlantikküste zum Robert Mohr Club Stade Rochelais. Dort ist der 31-jährige Fidschi, der von seinen Gegnern insbesondere für seine - im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubenden - Tacklings gefürchtet wird (beim World Cup 2007 "erlegte" er mit seinen Tacklings gleich zwei Australier), längst der wichtigster Hintermannschaftsspieler des Aufsteigers. Seine guten Leistungen haben Rambo, so Rabenis Spitzname, nicht nur eine Nominierung für das Top14-Hinrunden-Dream-Team der renommierten französischen Rugby-Fachzeitschrift "Midi Olympique" eingebracht, sondern vor allem dazu beigetragen, dass La Rochelle nach 13 Spieltagen schon 4 Saisonsiege in der härtesten Liga Europas verbuchen konnte. Auch All Black Conrad Smith hätte sich für seine konstant fehlerfreien Leistungen mit Sicherheit eine Nominierung verdient, doch eine die Innenpaarung Mapusua - Rabeni war verspricht soviel Erfahrung, Flair, Härte und Unterhaltung, dass wir einfach nicht anders konnten.
14. Drew Mitchell (Australien): Es war vor allem eine Sache die Drew Mitchell 2010 richtig gut machte - er punktete fast nach Belieben. Der Star der NSW Waratahs - Mitchell verdient dort 700 000$ pro Saison, ein fürstliches Gehalt für einen Rugbyspieler - hat sich in der abgelaufenen Saison endgültig im Team der Wallabies etabliert und besiegte mit seinen unzähligen Versuchen zahlreiche Gegner nahezu im Alleingang.
15. Kurtley Beale (Australien): Beale galt in Australien schon lange als großes Nachwuchstalent, schon im Alter von 15 Jahren bestritt der junge Mann, dessen Wurzeln auf die australischen Ureinwohner (Aboriginal) zurückgehen, sein erstes Training bei den Warathas, mit 17 trainierte er das erste Mal mit den Wallabies. Doch es bedurfte eines Positionswechsel, er spielte zuvor Verbinder, sowie einer radikalen Veränderung seines Lebensstils, Beale schwor dem Fastfood und Alkohol ab und verlor dadurch 10kg Körpergewicht, bis er im Alter von 21 Jahren seinen Durchbruch im Team des Weltranglistenzweiten zu schaffen. Mit den neuen Freiheiten eines Schlussspielers attackierte Beale in atemberaubender Weise die freien Räume und konnte dabei seine hervorragenden technischen Fähigkeiten und seine atemberaubende Schnelligkeit immer wieder gewinnbringend in Szene setzen, auch in der Verteidigung und unter hohen Bällen zeigte der Youngstar keine Schwächen und konnte damit in unseren Augen sogar All Blacks Veteran Mils Muliaina ausstechen.
Bei den Ersatzspielern haben für uns verschiedene Faktoren eine Rolle gespielt, zum einen haben wir Spieler gesucht die möglichst variabel einsetzbar sind, so kann Gethin Jenkins, obwohl eigentlich ein linker Prop, auch auf der rechten Seite des Gedränges eingesetzt werden. Springbok Juan Smith gibt auf allen drei Positionen in der 3. Reihe ein gute Figur ab, Englands Ben Foden ist eigentlich ein gelernter Halb und hat sich erst im letzten Jahr endgültig auf der Schlussposition etabliert, Daniel Carter bestritt seine ersten Spiele als Innendreiviertel und ist natürlich als Verbinder über sämtliche Zweifel erhaben und Australien Tennie-Star James O'Connor kann neben Außendreiviertel auf beiden Innenposition, als Verbinder und sogar als Schluss, der Position auf der er seine ersten Länderspiele bestritt, auflaufen. Hier also unsere Ersatzbank:
16. Kevin Mealamu (Neuseeland), 17. Gethin Jenkins (Wales), 18. Patricio Albacete (Argentinien), 19. Juan Smith (Südafrika), 20. Ben Foden (England), 21. Dan Carter (Neuseeland), 22. James O'Connor (Australien)
Trainer: Graham Henry (Neuseeland) - Der Dickkopf aus Christchurch hat die Rotationspolitik welche Neuseeland vermutlich die Weltmeisterschaft 2007 gekostet hat aufgegeben und es trotz der enormen Abwanderungswelle ins finanzkräftige Europa geschafft eine Mannschaft zu formen, welche in der vergangenen Saison phasenweise in einer eigenen Leistungsklasse agierte. Wer in 14 internationalen Spielen sein Team dreizehn Mal zum Sieg führt muss folglich sehr viel richtig gemacht haben, doch seine wahre Klasse muss Henry erst unter Beweis stellen, wenn ihm mit Carter oder McCaw einer seiner beiden Schlüsselspieler ausfallen sollte - es bleibt für ihn zu hoffen, dass er uns diesen Beweis schuldig bleiben kann.
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