Clemens stürmte mit I Cavalieri Prato an die Spitze der italienischen Liga
Es gab in der Sommerpause einige Änderungen im italienischen Rugby: die beiden Topteams Benetton Treviso und Aironi (ehemals Viadana) spielen seit dieser Saison in der Magners League. Treviso und Aironi brauchen für die Magners League jeweils einen 42-Mann-Kader und haben dementsprechend in der Saisonpause mächtig auf dem Transfermarkt gewütet. Meines Erachtens hat das Niveau der Eccellenza (ehemals Super 10) ein wenig darunter gelitten, denn die besten italienischen Spieler spielen nun gebündelt entweder in Treviso oder für Aironi. Dazu kommt noch, dass Zahl der ausländischen Spieler von acht auf fünf heruntergeschraubt wurde, soll heißen, es dürfen nur noch fünf Ausländer in der 23 stehen. Insgesamt ist das Projekt Magners League mit Sicherheit ein Riesenfortschritt fürs italienische Rugby und wird schon bald Früchte tragen. Treviso hat sich bereits im oberen Mittelfeld der ML festgesetzt und unter anderem den ehemaligen Heineken-Cup-Sieger Leinster punktlos zurück auf die Insel geschickt!
Es gab eine Menge neuer Gesichter zum Trainingsauftakt, quasi eine komplett neue Mannschaft. Wie alle anderen italienischen Teams mussten auch wir einige Spieler an die zwei Topteams abgeben, außerdem hatte die neue Ausländerregel Spuren hinterlassen. Trotz der neuen Regel stehen sieben Ausländer in unserem Team, d. h. dass in den Ligaspielen immer zwei auf die Tribüne müssen. In der Vorbereitung, die wie im letzten Jahr in den Bergen (Montepiano) stattfand, wurde hauptsächlich an der Fitness und dem Spielkonzept gearbeitet.
Nach sechs Wochen intensivster Vorbereitung und einigen Testspielen gingen wir, trotz der Verletzung unseres neu verpflichteten Spielmachers Billy Ngawini, recht zuversichtlich in die Saison. In zwei sehr unspektakulären Begegnungen konnten wir Venezia (10-20) und Lazio Roma (22-9) ohne große Probleme bezwingen, jedoch waren die beiden Siege gegen zwei der vermeintlich schwächeren Mannschaften keinesfalls überzeugend. Die darauf folgende Partie in Rovigo sollte uns zeigen, wo wir stehen. Unser Coach hat es im Nachhinein als „das schlechteste Spiel in der Vereinsgeschichte“ bezeichnet, und ich kann mir gut vorstellen, dass das wahr sein könnte! Am Ende hieß es zwar „nur“ 20-10 für Rovigo, aber es war die Art und Weise wie wir gespielt hatten, die uns zwei Wochen vor unserem ersten Spiel im Amlin Challenge Cup Kopfzerbrechen bereitete!
Am darauf folgenden Wochenende gab es im Spiel gegen den Aufsteiger aus Mogliano die Chance zur Wiedergutmachung und zur Stärkung des Selbstvertrauens im Hinblick auf das von allen erwartete erste ERC Spiel gegen die irische Provinzmannschaft Connacht. Wir lieferten eine gute Mannschaftsleistung gegen einen schwachen Gegner und so stand es beim Schlusspfiff 47-10.
Dann kam das Spiel, auf das alle gewartet hatten! Das erste Spiel im europäischen Wettbewerb für den jungen Club aus Prato, der erst vor 10 Jahren gegründet worden war! Es war ein Schritt ins Ungewisse, niemand wusste so recht, was uns erwartete, wie hoch der Niveauunterschied wirklich sein würde, immerhin hatte Connacht im Vorjahr im Halbfinale des Challenge Cups gestanden! Aber auch Connachts Coach Eric Elwood wusste nicht so recht, was ihn da erwartete. Zwar hatte er einige Wochen zuvor einen Videoanalytiker zu einem unserer Spiele geschickt, aber das waren dann schon die einzigen Informationen, die sie über uns hatten. Connachts Webseite titelte vor der Begegnung: „Connacht steps into the unknown“.
Der Traum von meinem ersten Challenge Cup Spiel platzte beim Abschlusstraining. Ich hatte mir während der Woche beim Training eine Sehnenverletzung am Oberschenkel zugezogen und stand den Teamrun, der darüber entscheiden sollte, ob ich spielen kann oder nicht, leider nicht durch.
Das Spiel: Connacht startete stark, jedoch auch ein bisschen überheblich, denn Straftritte aus guter Position wurden in die Gasse getreten, anstatt zu den Stangen. Vermutlich wollten sie schnellstmöglich den Bonuspunkt sichern. Der sehr gute französische Schiedsrichter bestrafte Prato immer wieder am Ruck fürs„Ball langsam machen“ und so gingen die Gäste mit einem 3-13 Vorsprung in die Pause. Als Connacht kurz nach der Halbzeit durch einen Versuch auf 3-18 erhöhte, sah alles nach einem klaren Sieg für die Gäste aus. Doch Prato kämpfte sich durch einen Versuch und zwei Straftritte zurück ins Spiel und so stand es fünf Minuten vor Schluss 16-21. Nun passierte das Unglaubliche: unser südafrikanischer Zweitereihestürmer Wouter Moore fing an der Mittellinie einen Pass heraus und lief zum Versuch unter die Stangen. Die Erhöhung war nur noch eine Formsache und plötzlich führte I Cavalieri Prato mit 23-21! Connacht gewann beim Wiederankick den Ball zurück und setzte sich an Pratos 22m-Linie fest. Connachts Ian Keatley brachte sich für einen Dropkick in Position und setzte an. Für einen Moment war kein Laut im Stadion zu hören. Der Ball flog, prallte gegen die Stange und von dort direkt in die Arme eines unserer Spieler. Das Spiel war vorbei. Ein wahrlich historischer Sieg in der noch so jungen Vereinsgeschichte!
Es blieb nicht viel Zeit zum Feiern, denn in unserer zweiten Partie im Challenge Cup warteten keine Geringeren als die London Harlequins auf uns. Für mich wurde es mal wieder ein Wettlauf gegen die Zeit, erst donnerstags bei unserem letzten Training auf italienischem Boden bekam ich grünes Licht und war also mit an Bord, wenn auch erstmal nur auf der Bank. Die Harlequins spielten ohne ihre Stars Nick Evans, Danny Care und Nick Easter und gaben einigen ihrer jungen Talente eine Chance, sich zu beweisen.
Vor ca. 10.000 Zuschauern und in einer tollen Atmosphäre im Twickenham Stoop gaben uns die Gastgeber schnell zu verstehen, dass es für uns wohl nicht viel zu holen geben würde. Sie griffen mit jedem Ball aus jeder Lage an und so stand es nach einer sehr einseitigen ersten Halbzeit 36-3. Nun durfte endlich auch ich europäische Luft schnuppern. Die zweite Hälfte verlief ein wenig besser als die erste, wir kamen zu zwei Versuchen und am Ende hieß es 55-17. Insgesamt gesehen ein tolles Erlebnis, das Lust auf mehr macht, trotz der deutlichen Niederlage!
Nach zwei tollen Wochen und vielen neuen Erfahrungen hieß es jetzt, sich wieder aufs Wesentliche - die Liga - zu konzentrieren. Mit Gran Ducato Parma war ein direkter Konkurrent im Kampf um die Play-off-Plätze zu Gast in Prato. Nach einer sehr starken ersten Halbzeit lagen wir mit 18-0 in Führung. Als wir kurz nach der Halbzeit bereits den Offensivbonuspunkt sicher hatten, sah alles nach einer Klatsche aus. Parma fightete sich jedoch zurück ins Spiel und kam zu vier Versuchen, welche aber nicht reichten und so hieß es am Ende 35-22 für die „Tuttineri“!
Als nächstes stand das Gipfeltreffen in Padova bevor. Padova, die stärkste Mannschaft der Liga und nicht ohne Grund zu diesem Zeitpunkt Tabellenführer, hatte in der vorhergehenden Woche eine deutliche Niederlage in Rovigo hinnehmen müssen und war entsprechend hoch motiviert, die Tabellenführung zu verteidigen. Sie starteten stark, konnten ihren Ballbesitz jedoch nicht in Punkte verwandeln. Im Verlauf der Partie wurden wir immer stärker und gingen mit einer 10-3 Führung in die Halbzeit. Zu Beginn der zweiten Hälfte ging es Schlag auf Schlag und es dauerte nicht lange, da stand es 17-8. Es entwickelte sich ein schnelles, lauffreudiges Spiel. Beide Mannschaften kamen zu einem weiteren Versuch und schließlich zeigte die Anzeigetafel am Ende der Begegnung: Padova 13 - 25 I Cavalieri. Ein weiterer historischer Moment in der Vereinsgeschichte: Prato ist Tabellenführer der Eccellenza!!!
Seit Kurzem werden wir von dem in diesem Jahr neu gegründeten ICavalieri Fan Club „Gli Scudieri“ (Die Schildknappen/www.gliscudieri.it) begleitet, einer sehr sympathischen Gruppe, die es immerhin auf 150 Fans in London geschafft hat. Auf ihrer tollen Webseite gibt es zu jedem Spiel einen ausführlichen Spielbericht (auch) auf Englisch.
Ciao,
Clemens
Die Tabelle
I Cavalieri Prato 22
Crociati RFC 20
Gran Ducato Parma 20
Rugby Rovigo 19
Petrarca Padova 19
Rugby Roma 13
Mogliano Rugby 11
Lazio Rugby 8
L´ Aquila 4
Venezia Mestre 0
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