Thomas Bollian führte den TV Pforzheim als Coach in die 2. Bundesliga
TV Pforzheim heißt der Gewinner des Aufstiegsturniers zur 2. Bundesliga Süd. Trainiert werden die Goldstädter seit vielen Jahren vom ehemaligen Heidelberger Bundesligaspieler Thomas Bollian. Der frühere Hakler hat sich bei der RGH vor allem als passionierter Förderer der Jugend hervorgetan und in seinen Meistermannschaften zahlreiche spätere Nationalspieler geformt. Wir haben den erfahrenen Trainer zur vergangenen Saison sowie zu den Ambitionen seines TVP in der kommenden Saison und bei der anstehenden Deutschen 7s-Meisterschaft in Heusenstamm befragt.
TotalRugby: Hallo Thomas, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg. Dein TV Pforzheim ist so etwas wie das Überraschungsteam der Regionalliga. Die Saison 2008/2009 habt ihr noch auf dem 4. Tabellenplatz der RL Baden-Württemberg beendet, 2010 steigt ihr als bestes Regionalligateam Süddeutschlands in die 2. Bundesliga-Süd auf. Wie kam es zu dieser Leistungssteigerung?
Thomas Bollian: Hallo Manu, vielen Dank für die Glückwünsche.
Nun, nachdem wir in Pforzheim seid ca. 10 Jahren versuchen, Rugby vorwärts zu bringen, ist bei uns irgendwann die Erkenntnis gekommen, dass dies nur in der zweiten Liga sinnvoll funktionieren wird.
Die Regionalliga, wie ich sie hier in Pforzheim erlebt habe, bringt einen nicht wirklich weiter. Wenn ich nur an diese Saison zurück denke, so hatten wir mehr ausgefallene Spiele als gespielte.
Zum Teil wurden die Spiele erst so kurzfristig abgesagt, dass du das den Spielern direkt auf dem Sportplatz sagen konntest. Das ist ein oder zweimal noch vertretbar, aber nicht so oft, wie dies hier passiert.
Du hast selbst einmal in der Regionalliga angefangen, viele neue Vereine sind seit damals nicht dazu gekommen. Und die alten spielen noch so wie damals, sicherlich würdest du den einen oder alten Recken noch kennen. Da sind Vereine wie Heilbronn oder HTV ein echter Segen.
Wir hatten das Glück, dass zur Winterpause Scott Bain, Trainer, Spieler und Lehrer an der „Wellington Rugby School“, gemeinsam mit Russell Kupa zu uns gestoßen ist. Die beiden zeigten uns die neuesten Rugbyerkentnisse. Somit hatten wir einen zusätzlichen Schub im Training und sind, meines Erachtens, verdient aufgestiegen.
TR: Euer vermeintlich größter Aufstiegskonkurrent, der 2. Ligaabsteiger Heidelberger TV hatte sich zu Saisonbeginn mit zahlreichen Jungs aus dem RGH-Talentpool ordentlich verstärkt und hat mit Coach Thomas Kurzer einen ganz erfahrenen Übungsleiter und mit Robert Hittel, Hannes Huber und Nicolas Kurzer sogar drei Spieler aus der so starken Deutschen U18-Nationalmannschaft in seinen Reihen, weshalb hattet am Ende trotzdem ihr die Nase vorne?
TB: Seppl Kurzer hat eine gewohnt gute Arbeit für den HTV gemacht und das erste Spiel gegen uns zu Hause gewonnen, auch dank der überragenden Leistungen der Neuzugänge von RGH und HRK.
Ich möchte diesen Sieg nicht schmälern, allerdings wurden wir im Spiel gegen den SCN durch unberechtigte rote Karten um drei wichtige Spieler gebracht, die uns im Rückspiel dann wieder zur Verfügung standen.
Zusätzlich konnte Ross Inia, unser Gedrängehalb, wieder spielen, der sich kurz vor dem ersten Spiel gegen den HTV das Schienbein gebrochen hatte und erst in diesem Jahr wieder mit dem Training beginnen konnte.
Vier wichtige Spieler in so kurzer Zeit zu ersetzen ist in einem Verein wie Pforzheim noch weit aus schwerer als in den großen Heidelberger Rugbyvereinen.
Somit konnten wir erst im Rückspiel in Bestform antreten und die Sache wieder gerade rücken. Zusätzlich haben wir uns natürlich über die Saison auch weitaus besser eingespielt.
Ich hoffe, dass der HTV uns nächste Saison in die zweite Liga folgen wird.
TR: Du hast das „Skandalspiel“ gegen den SC Neuenheim II selbst schon angesprochen. Das war ja mit Sicherheit eine der schwereren Phasen im Saisonverlauf. Was geht einem als Trainer in so einer Situation durch den Kopf? Schließlich hätte Euch da eine ganze Saison durch die Lappen gehen können.
TB: Das Skandalspiel, wie Du es nennst, war sicherlich ein Skandal, allerdings mehr das Drumherum. Es ist dazu ein rechtskräftiges Urteil ergangen, mit dem wir sehr zufrieden sind und das alle Fragen geklärt hat. Unter anderem wurden eine Wiederansetzung des Spiels und die sofortige Spielberechtigung der Pforzheimer Spieler angeordnet.
Schade, dass das RBW-Schiedsgericht nicht die Größe hatte, sich das vom HTV zur Verfügung gestellte Video anzuschauen und wir daher so lange auf unsere Spieler verzichten mussten.
Aber zu Deiner Frage, was geht dir als Trainer in dieser Situation durch den Kopf?
Du denkst, das kann nicht wahr sein. Wie sollen wir die nächsten Spiele spielen, was können wir gegen diese Ungerechtigkeit machen, sind die Spieler vielleicht zu Recht bestraft worden?
Die letzte Frage konnte allerdings sehr schnell verneint werden, da wir uns das Video gemeinsam angesehen haben, um genau diesen Sachverhalt zu klären.
Wären unsere Spieler zu recht mit Rot bestraft worden, so wäre ihre Zukunft beim TVP zu Ende gewesen, bevor diese richtig angefangen hätte. Solche Spieler und ein solches Verhalten dulden wir nicht in unserer Mannschaft.
TR: Der oben erwähnte Russell Kupa, Frankfurts Meisterkicker der Jahre 2008 und 2009, ist nur einer von zahlreichen Kiwis, Briten und Rumänen in Eurem Kader. Wie wir alle wissen spielen solche Jungs für gewöhnlich nicht nur für ein Butterbrot, wie ist der TV Pforzheim aufgestellt, dass es gelingt solche Hochkaräter in die Regionalliga zu locken?
TB: Ein Großteil der Spieler kam von ganz alleine, zum Beispiel unsere Rumänen, das sind Jungs, die ziehen in den Westen, weil sie immer noch hoffen, dort das große Glück zu finden. Ob sie dies in einer Stadt wie Pforzheim gefunden haben, kann ich dir nicht sagen, aber wir haben dadurch gute neue Sportler gefunden, die zwischenzeitlich gut im Verein aufgenommen sind und in Pforzheim einer geregelten Arbeit nachgehen. Sicherlich haben wir bei der Arbeitsuche geholfen, auch bei der Wohnungssuche, aber das war´s auch schon.
Auch die Kiwis haben Hilfe bei der Wohnungs- und bei der Jobsuche erhalten. Auch das sind Jungs, die wollen nach Europa, wollen eine Bleibe und eine Arbeit, die ihnen das Überleben sichert.
Die RGH hatte solche Jungs schon, als ich noch in Heidelberg lebte, die einen Job als Tellerwäscher hatten und sonst sehr zufrieden waren.
Allerdings haben wir auch ganz bewusst nach ein oder zwei Spielern wie Scott und Russel gesucht.
Scott z.B. hat eine Vierzig-Stunden-Woche, die nur mit Rugby gefüllt ist. Er besucht alle Schulen in Pforzheim und unterrichtet Rugby. Dabei helfen ihm die restlichen Neuseeländer, sofern diese nicht einer geregelten Arbeit nachgehen. Hierbei hat er bereits sechzehn Schulkooperationen erreicht.
Diese Schularbeit war von Beginn der Aktion, Neuseeländer oder Engländer nach Pforzheim zuholen, eines der Ziele, die wir verfolgt haben. Nicht nur der Aufstieg in die zweite Liga sollte erreicht werden, sondern vor allem eine funktionierende Jugendarbeit.
Ohne Jugendarbeit kannst du auf Dauer keinen Verein am Leben erhalten. Wir beide kennen das aus unserer eigenen Vergangenheit. Wir kommen beide aus einer guten Jugendarbeit, die einmal mit Dierk Baumgarten bei der RGH ihren Anfang nahm. Jetzt hoffen wir, dass diese Schulaktionen bei uns ähnliche Früchte trägt und die Jugendarbeit und somit der gesamte Verein voran kommt.
TR: Mit Neuenheims Udo Schwarz feierte ein Pforzheimer Eigengewächs im Jahr 2008 sein Debüt in der Nationalmannschaft und in Routinier Manuel Ballerin konnte in dieser Saison im Trikot des Heidelberger RK, ein weiterer Pforzheimer gar die Deutsche Meisterschaft gewinnen. Ist es nach dem Aufstieg nun ein erklärtes Ziel die beiden Jungs heim zu holen?
TB: Einer der beiden Jungs kommt sicherlich, Manu Ballarin.
Ich habe ihm vor seinem Wechsel zum HRK selbst dazu geraten, er soll nach HD gehen, wenn er endlich erfolgreich Rugby spielen will. Auch wenn ich damit die eigene Mannschaft geschwächt habe. Aber die Unzufriedenheit von Manu einerseits und andererseits sein Leistungsvermögen haben mich dazu bewogen und, wie man gesehen hat, hatte ich recht mit meinem Ratschlag. Nur hatte ich ihm einen anderen Verein empfohlen…
Ob Udo Schwarz so schnell wiederkommt, bezweifle ich, da er in HD und Umgebung zwischenzeitlich beruflich integriert ist. Ob er dasselbe in Pforzheim auch finden könnte, weiß ich nicht.
Allerdings muss ich nicht extra darauf hinweisen, dass wir uns über seine Rückkehr sehr freuen würden und ihm das Mitspielen sicherlich nicht verbieten würden.
Udo, wenn du das hier liest, pack die Koffer und komm nach Hause, was willst Du bei den Blauen…
TR: Wie lauten denn die weiteren Ziele für die 2. Liga? Plant ihr den direkten Durchmarsch in die Bundesliga?
TB: Hier gibt es für uns nur ein klares Nein.
Unser Ziel ist, uns innerhalb der Mannschaft zu festigen und die vorhandenen jungen Spieler nach und nach noch besser zu integrieren. Das Ziel in der Liga ist, auf keinen Fall abzusteigen, schön wäre es, das obere Drittel zu erreichen.
Schon die zweite Liga wird allerdings auch finanziell anstrengend für den Verein. Wir leben nicht in solch einer Hochburg wie du in HD, bei uns sind wir schon froh, wenn wir ab und zu einen Bericht in der lokalen Presse lancieren können. Ob es Gelder der Stadt gibt ist ungewiss, da diese, wie du sicherlich aus der Presse gehört hast, stark verschuldet ist und sparen muss.
Daher ist die erste Liga auch finanziell aktuell keine Diskussion.
TR: Bei der 7s-Meisterschaft 2010 bekommt ihr es nun mit Deinem Heimatverein, der RG Heidelberg, zutun. Schließlich hast Du nicht nur in der 1. Bundesligamannschaft der Orangenen gespielt, sondern warst jahrelang Schüler- und Jugendtrainer sowie später viele Jahre Jugendwart bei den Heidelbergern und hast in diesen Funktionen zahlreiche spätere Bundesliga- und Nationalspieler von Kindesbeinen an betreut, darunter z.B.: Phil Christophers, Tim Coly, Steffen Thier, Christopher Weselek, Markus Knoblauch (später beim SC Neuenheim) um nur einige zu nennen und auch ich kann mich noch gut an deine knallharten Trainingseinheiten und schonungslosen Spielanalysen erinnern (lacht). Heute ist Dein Bruder im Vorstand der Rudergesellschaft und Du möchtest mit Deinem TVP den Titelverteidiger stürzen. Eine komische Situation?
TB: Warum, wenn wir besser sind? Aber Spaß bei Seite, sollten wir gewinnen, so habe ich damit nichts zu tun.
Das 7er Training wird bei uns von Russell und Scott gestaltet, die sind da viel besser als ich und haben auch viel mehr Erfahrung.
Dass mein Bruder im Vorstand der RGH ist, finde ich toll. Eigentlich hat er seine sportliche Karriere in der Jugend beendet und ist erst als Vater wieder mit dem Rugbysport und der RGH in Berührung gekommen.
Er hatte da mal einen kleinen Bruder, der hat das Ganze etwas länger gemacht und ein wenig erfolgreicher betrieben als er und seine Kinder wollten dann auch mit dem Rugbysport anfangen…
Aber im Ernst, wie du weißt, sind die Funktionärsposten in vielen Vereinen „heiß umkämpft“ (lacht), daher ist man in der RGH sicherlich froh, dass einer weniger zu besetzen ist. Ich glaube, er ist, mit seinem Fachwissen um so mehr, eine Bereicherung für die RGH.
TR: Gerüchte besagen, dass ihr Euch für die 7s-Meisterschaft noch mit ein paar weiteren Kiwis – vornehmlich aus Hollands Eliteliga – verstärken wollt, was ist dran und plant ihr den ganz großen Coup?
TB: Da weißt Du mehr als wir.
Wir haben eine funktionierende Mannschaft mit einigen Kiwis, die uns sehr weiterhelfen in unserer sportlichen Entwicklung.
Wir haben viele eigene Spieler, die wir ebenfalls einsetzen können, daher denke ich nicht, dass wir in nächster Zeit gezielt nach Spielern suchen werden.
Allerdings, sollte es den einen oder anderen Spieler in unsere Gegend verschlagen, so ist er gern willkommen. Er oder Sie muss auch nicht zwingend ein Ausländer sein, um bei uns mitspielen zu können. Wir freuen uns über jeden neuen Spieler.
Trainingszeiten Di und Do 19:00 Uhr auf dem Bohrainplatz in Pforzheim.
Das Interview führte Manuel Wilhelm
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