Achim Behring-Scheil 2009 in Twickenham auf olympischer Mission - (c) O. Vosshage
Achim Behring-Scheil, Kopf hinter den Hannover Sevens 2008 und 2009, ist zweifelsohne einer der “Macher” Rugbydeutschlands. Der Hannoveraner hat in seiner langen Rugbylaufbahn noch nie ein Blatt vor den Mund genommen und scheut sich auch nicht unangenehme Themen anzuschneiden, oder mal über den Tellerrand hinaus zu schauen. Im TotalRugby Interview haben wir den amtierenden Präsidenten des NRV und erwiesenen 7er-Experten zu den jüngsten Entwicklungen rund um die 7er-Nationalmannschaften befragt und dabei auch die ein oder andere unangenehme Frage gestellt.
TotalRugby: Achim, im Anschluss an eine Tagung des aufgrund der positiven Olympiaentscheidung eigens gegründeten 7er-Ausschusses hast Du Deine Mitarbeit in diesem Ausschuss mit sofortiger Wirkung eingestellt, was waren Deine genauen Gründe für diesen Schritt?
Achim Behring-Scheil: Ich muß etwas weiter ausholen. Es ist nicht nur eine Frage der Arbeit oder besser Nichtarbeit des groß angekündigten 7er-Ausschussses, immerhin brauchte der DRV 8 Monate, um die 1. Sitzung dieses Ausschusses zu Stande zu bringen, sondern das Gesamtbild des deutschen Rugbysports. Wer 7er-Rugby zukunftsträchtig angehen will, der muß die Gesamtlandschaft in Frage stellen. Mal eben so´n paar Wochen 7er-Rugby zu betreiben, so geht es nicht. Mal eben ein paar Spieler zu professionalisieren, mal eben einen Trainer zu engagieren, mal eben einen Ausschuss zu gründen ist zu kurz gesprungen!
Mit der Entscheidung für Olympia wäre es an der Zeit, grundsätzlich über den Rugbysport mit Saisonplanung, Zielen für 15er und 7er, Spielsysteme in Deutschland, Ausbreitung des Rugbysports, Weiterentwicklung des Schulsports „Wir suchen die Olympioniken von morgen!“ usw. nachzudenken und einen Masterplan Deutschland mit Zielen, Strategien, Konzepten zu entwerfen. Und zwar mit allen! Was der DRV zur Zeit macht ist blinder Aktionismus. Die veröffentlichten Arbeitspläne etc. sind viel zu kurz gedacht und mit keinem Landesverband, Verein besprochen und vereinbart. So bekommt man keine Einheit.
In der Sitzung in Frankfurt ging es jedoch um “Klein-Klein”. Was sind die Aufgaben des Ausschuss-Vorsitzenden, wie wollen wir die 7er-DM 2011 organisieren. Keine Ziele, keine Strategien, keine großen Ideen, kein FEUER. Die Sitzungsumstände taten dann noch ihren Teil dazu. Verspäteter Beginn, keiner brachte eigene Vorstellungen mit. Über das international erfolgreiche Frauen 7er-Rugby wurde gar nicht gesprochen. Die 7er-Trainer Simpkin und Wiedemann waren noch nicht einmal eingeladen!
TR: Wie erklärst Du Dir diese Umstände? Ist der DRV wirkliche eine One-Man-Show? Welche Entscheidungsträger gibt es neben Claus-Peter Bach?
ABS: Ja, der DRV wird ausschließlich von Claus-Peter Bach gesteuert. Es gibt keine Entscheidungsträger außer ihm. Selbstherrliche Entscheidungen werden nachträglich als Präsidiumsbeschlüsse verkauft. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele.
TR: In Deiner Rücktrittserklärung und auch hier beklagst Du den Umstand, dass der sogenannte 7er-Ausschuss sich erst nach 8-monatigen Vorlauf zum ersten Treffen zusammenfand. Allerdings gehörst Du und die anderen Sachverständigen (u.a.: Dr. Ulrich Byszio und Jan-Michael Clauss) laut Claus-Peter Bach gar nicht zu diesem Ausschuss, vielmehr könnt ihr vom DRV berufen werden. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: “Warum macht der Behring soviel Wind, er gehört gar nicht zu diesem Ausschuss und weiß gar nicht wie oft wir schon getagt haben?“ – Oder wie haben wir die Aussage des DRV-Präsidenten, dass es sich bei Dir und den Anderen gar nicht um permanente Ausschuss-Mitglieder handelt, zu verstehen (Quelle) ?
ABS: Ein typischer Bach. Ich lasse gerne Fakten sprechen. Dieser Ausschuss wurde im Oktober mit viel Brimborium angekündigt. Im November gaben die von Herrn Bach angeschriebenen Personen Byszio, Clauss und Behring-Scheil ihre Zustimmung zur Mitarbeit. Eine für Januar geplante Sitzung fiel aus, eine für Anfang April geplante Sitzung ebenso (hier gab es zumindest an meine Adresse noch nicht einmal eine Absage). Ich habe dann Mitte April nachgefragt, ob überhaupt noch Interesse besteht, diesen Ausschuss tagen zu lassen. Mittlerweile waren ja schon eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen worden, so unter anderem die Verpflichtung eines 7er-Trainers und wer Bundeswehrplätze erhält. Dann am 29.5. die 1. Sitzung stattfinden zu lassen ist schon eine bemerkenswerte oder auch absichtliche Leistung.
TR: Ok, also gehen wir mal dennoch davon aus, dass der eigentliche 7er-Ausschuss, wie beschrieben – eben ohne diese Sachverständigen Persönlichkeiten – schon mehrfach getagt hat, von welchen Ergebnissen wurde Euch beim ersten Treffen, zu welchem auch ihr Sachverständige geladen wart, berichtet?
ABS: Wenn es einen eigentlichen und einen „uneigentlichen“ 7er-Ausschuss gibt, dann ist es eine taktische Meisterleistung ernsthaft am deutschen Rugbysport interessierte Menschen an der Nase herumzuführen.
Die gegebenen Infos beinhalteten die Verhandlungen des DRV mit dem DOSB über die zukünftige Förderung, die Gedanken der FIRA-AER die 7er-EM zu verändern und die Bereitstellung von Förderplätzen bei BW, Polizei, den Arbeitsplan von George Simpkin sowie das Problem der zukünftigen 15er-Förderung.
TR: Gut, dann beschreibe uns doch mal in groben Zügen, was Du Dir von der Mitarbeit in diesem Ausschuss versprochen hast? Wie würde denn Dein Konzept für die Entwicklung des Deutschen 7er-Rugbys aussehen?
ABS: Am Besten ist es beschrieben mit “ Die Hoffnung stirbt zuletzt“. Ich liebe den Rugbysport und habe ihm sicher als Aktiver und zuletzt als Passiver Impulse gegeben, die außerhalb der üblichen Linie lagen. Ich hätte mir gewünscht, dass offener über ein Zukunftskonzept „Rugby in Deutschland“ diskutiert worden wäre. Weg vom alten Denken, von alten Strukturen und hin zu einer spannenden Zukunft. Wer über 7er-Rugby nachdenkt muß auch das 15er-Rugby miteinbeziehen.
Die Entwicklung des 7er-Rugbys und die Aufnahme bei Olympia hat sich bereits 2005/2006 abgezeichnet. Mit dem Amtsantritt von Bernard Lapasset beim IRB fühlte sich endlich ein Präsident verantwortlich, vorher wurden die Bewerbungen doch halbherzig betrieben. Rainer Kumm und ich haben 2006 nach der Teilnahme in London und Paris an der IRB World Series dem DRV Präsidium eine Auswertung dieser Turniere und ein Leistungssportkonzept mit einer speziellen 7er-Förderung vorgeschlagen, dass jedoch in einer denkwürdigen Sitzung vom DRV-Präsidenten als utopisch und zu teuer abgelehnt wurde. Niemand aus dem Präsidium erkannte die Chance und Notwendigkeit solch eines Konzeptes. Die Kernpunkte waren der Aufbau von Bundesstützpunkten in verschiedenen Städten mit koordinierten, regelmäßigen Trainings unserer Leistungskader von U16, U18, U19, U21 und unserer Nationalspieler (15er und 7er), der Hinzuziehung von Fachtrainern aus anderen Disziplinen (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Technik) der späteren Trennung der Nationalspieler in 15er und 7er, der Besuch internationaler Turniere, auch mit Nachwuchsteams, und der Aufbau einer deutschen 7er-Kultur mit regionalen 7er-Turnieren, nationalen 7er-Turnieren und internationalen 7er-Turnieren.
1. Ziel sollte die Teilnahme an der 7er-WM 2009 in Dubai sein. Die wir mit entsprechender mittelfristiger Planung und Vorbereitung auch erreicht hätten. Was wäre das für ein Erfolg gewesen!
2. Ziel sollte die regelmäßige Teilnahme an den europäischen IRB World Series Turnieren sein.
3. Ziel die Ausrichtung eines großen europäischen 7er-Turniers. Wo wir sicher mit den Hannover Sevens Akzente setzen konnten und den IRB beeindruckt haben.
TR: Welche dieser Ansätze fehlen Dir im aktuellen Konzept des DRV? Schließlich wurde ja auch von Seiten des Verbandes die Schaffung einer regionalen 7er-Turnierserie vorgeschlagen, ist man hier auf dem richtigen Weg, um sich für Olympia 2016 in Stellung zu bringen? Wird genug getan? Der Start in den Frühling/Sommer 2011 und damit auch der Start der geplanten Turnierserie ist in ungefähr einem Jahr, was wird bis dahin getan? Kannst Du uns hierüber etwas sagen?
ABS: Welches Konzept? Ich kenne keins! Es gibt einen Arbeitsplan, der aus verschiedenen älteren Plänen zusammengestoppelt worden ist, aber bereits durch die Ereignisse überholt ist. Dieser Plan wird vom Präsidenten als das „non plus ultra“ verkauft.
Eine regionale Turnierserie ist ein Baustein in einem 7er-Konzept. Aber im Ernst, bringt das unsere Nationalspieler nach vorn? Was wir brauchen ist die Entwicklung der Leistungssportebene, um international konkurrenzfähig zu sein. Unsere erfolgreiche Nationalmannschaft soll der Katalysator für den Nachwuchs sein. Also müssen wir auch international spielen, spielen, spielen. In Schulen schlummern unsere Talente für morgen! Wo ist das Talentsichtungskonzept für Schulen? Wie werde ich für Sponsoren interessant? Doch nicht mit unseren jetzigen Mannschaften und wo sie spielen! Wir müssen in Spielstätten, die auch dem Maßstab eines Sponsoren heutzutage standhalten. Alles andere endet in Liebhaberei und kleinen Beträgen. Wo bekommen wir neue Zuschauer her? Ach, ich könnte Vorträge darüber halten, auch aus den Erfahrungen mit den Hannover Sevens.
Olympia 2016 ist meines Erachtens eine Nummer zu groß, da nur 12 Teams für das Turnier bisher zugelassen sind. Einen Platz belegt Brasilien, verbleiben noch 11 Plätze, die nach der 7er-Spielstärke für Europa maximal 2 Plätze hergeben würden. Da müssten wir ganz schön Gas geben!
Lest im zweiten Teil des Interviews wie ABS die Chancen auf die Teilnahme eines Deutschen Teams bei der IRB World Series 2010/2011 einschätzt. Ob er sich eine erneute Ausrichtung der Hannover Sevens vorstellen kann und wie er die aktuelle sportliche Situation der Deutschen Damen- und Herrenauswahl bewertet. Solltet ihr Fragen oder Ergänzungen zu den Aussagen von Achim Behring-Scheil haben, scheut Euch nicht die Kommentarfunktion zu nutzen. Wir werden einige Fragen auswählen, welche Achim dann zu gegebener Zeit hier auf TotalRugby beantworten wird.
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