Auf den Sturm der DRV XV wartet in Tiflis eine ganz schwere Aufgabe - (c) Miriam May
Die Deutsche Mannschaft erwartet ein ganz heißer Tanz beim Gastspiel in Georgien. Das Team von Rudolf Finsterer und Bruno Stolorz hat im Vorfeld unzählige Ausfälle zu verkraften, darunter mit den zurückgetretenen Kapitänen Jens Schmidt und Colin Grzanna, dem nicht freigegebenen Frankreich-Profi Robert Mohr, dem privat verhinderten UCT-Kapitän Bodo Sieber, dem frisch operierten Ex-England Profi Tim Kasten, dem im Urlaub weilenden Bundesliga Top Try Scorer der Saison 2009-2010 Alexander Pipa sowie dem ebenfalls zurückgetretenen erste Reihe Koloss Pierre Faber, die einiger nahezu unersetzlicher Leistungsträger.
Erschwerend kommt außerdem hinzu, dass das Team in diesem Jahr noch keine gemeinsame Trainingseinheit bestreiten konnte und bei den so genannten “Stützpunkttrainings” selten mehr als eine Hand voll Spieler anwesend waren. Ein kurzfristig geplantes Trainingsspiel gegen die British Army Germany fiel der schlechten Witterung zum Opfer, wohingegen die Gründe für die Absagen der geplanten und schließlich niemals verwirklichten Länderspiele gegen Fidschi, Kanada, Welsh District sowie dem Trainingslehrgang in Orléans weiter rätselhaft bleiben. Bleibt also ein Testspiel gegen die Nationalmannschaft Hong Kongs. Für diese einzige Vorbereitungspartie hatte sich die deutsche Mannschaft, wie zuletzt leider gang und gäbe, erst am Vorabend des Matches um 17:00 Uhr zusammengefunden und lediglich eine Trainingseinheit mit komplettem Kader bestritten, da selbst am Spieltag einige Spieler auf Grund von universitären und beruflichen Verpflichtungen nicht abkömmlich waren. Nicht nur aus diesem Grund bleibt die sportliche Aussagekraft dieser Partie fraglich, sondern auch, weil die Mannschaft aus Hong Kong erst am Vortag, nach langer und kräftezehrender Reise, in Europa gelandet und mit ihren leichtgewichtigen Stürmern den krassen Gegensatz zu den imposanten osteuropäischen Stürmern, mit welchen sich die Ländermannschaft in Tiflis und Bukarest konfrontiert sehen wird, bildet. Dem aufmerksamen Beobachter der Partie im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark wird nicht verborgen geblieben sein, dass die Hong Kong-Chinesen vom Wintereinbruch in Heidelberg derart überrascht wurden, dass sie in der ersten Halbzeit augenscheinlich mehr mit den ihnen unbekannten Schneeflocken beschäftigt waren, als mit dem Spiel der DRV XV. Ohne wirkliche Vorbereitung und ungewiss über die eigene Leistungsstärke ist unser Team am gestrigen Donnerstag nach Georgien aufgebrochen.
Sicherlich auch nicht leichter wird die Aufgabe für das Deutsche Team dadurch, dass aus der Startaufstellung dieser einzigen Maßnahme seit dem Länderspiel gegen Russland am 2. Mai des vergangenen Jahres, auch zu diesem Spiel hatte man sich erst ca. 24h vor dem Anpfiff zusammengefunden, sechs Spieler, also mehr als ein Drittel der Mannschaft, gar nicht erst mit im Flieger nach Georgien saßen. Mit den aus Studiengründen verhinderten Flankern Kehoma Brenner und Alexander Hug sowie dem Urlauber Alexander Pipa fällt die komplette Dritte Reihe aus. England Legionär Ben Brierley drückt genauso wie der gegen Hong Kong so vielversprechende Debütant Benjamin Ulrich die “Schulbank” und Schluss Domenick Davies, der den Eröffnungsversuch gegen die quirligen Asiaten erzielen konnte, hat sich zu allem Übel auch noch eine Knieverletzung zugezogen.
Vergleicht man den Kader für das Georgien-Spiel mit der Startaufstellung der Partie gegen Russland, bleiben sogar nur 7 Akteuere übrig. Dafür stehen mit den zweite Reihe Stürmern Lukas Hinds-Johnson und Lukas Rosenthal, Ersterer kommt insgesamt erst auf fünf Bundesligapartien, dem zweifelsohne hochtalentierten, jedoch in dieser Saison beim Heidelberger RK zum Bankdrücker degradierten Außendreiviertel Steffen Liebig – er bringt es in dieser Saison nur auf zwei Einsätze in der Startaufstellung des Vizemeisters – dem gebürtigen Georgen Shalva Didebashvili und dem für seinen verletzten Bruder nachnominierten, Ergängzungsspieler des RC Orléans, Guillaume Franke, fünf Spieler ohne jegliche Länderspielerfahrung im Aufgebot. Dazu kommen mit Raphael Hackl, Patrick Schliwa, Alexander Hauck, Daniel Preussner, Jamie Houston, Mark Sztyndera und Rafel Pyrasch sieben weitere Spieler, welche das Trikot mit dem Adler auf der Brust erst einmal tragen durften, mit Ausnahme von Houston und Pyrasch allesamt als Einwechselspieler in der Partie gegen Hong Kong.
Der Gegner der deutschen Mannschaft ist amtierender Meister der Division 1 sowie aktueller Tabellenführer der Gruppe und wird vom IRB aktuell auf Platz 18 der offiziellen Weltrangliste geführt. Die Lelos, so der Spitzname der georgischen Auswahl (dieser kommt von lelo, einer einheimischen georgischen Sportart mit starker Ähnlichkeit zum Rugby, Lelo ist aber auch das georgische Wort für einen Versuch) rekrutieren sich vornehmlich aus Spielern, die ihre Brötchen als Profis in den französischen Profi-Ligen verdienen. Im Gegensatz zur deutschen Liga, wurde in Frankreich durchgehend gespielt, weshalb die Georgen, welche sich seit vergangenem Wochenende in Tiflis zur gemeinsamen Vorbereitung befinden, über ausreichend Spielpraxis verfügen. Im 26-Mann starken Kader fehlen, mit Nummer 8 Mamuka Gorgodze (Montpellier), den Props Davit Kubriashvili (Toulon) und Goderzi Shvelidze (Montauban) sowie zweite Reihe Mann Kakha Uchava (Russland), vier wichtige Spieler, doch der Kader der Transkaukasier, hat genug Tiefe um dies zu kompensiern. Da wäre zum Beispiel die Weltklasse erste Reihe um Davit Khinchagishvili (Brive), Akvsenti Giorgadze (Castres) und Davit Zirakashvili (Clermont), die Dritte Reihe Stürmer George Chkhaidze (Montpellier) und Gregori Labadze (Marseilles-Vitrolles) und die beiden brandgefährlichen Spielmacher Merab Kvirikashvili (Massy) und Lasha Malaguradze (Beziers), um nur einige Akteuere von höchster europäischer Güteklasse zu nennen.
Zudem wurden im November zwei überaus fordende Länderspiele, gegen die Reserveteams Argentiniens und Italiens ausgetragen. Gegen die zweite Garde der Pumas, die sogenannten Jaguars, konnte knapp gewonnen werden (24-22), wohingegen man sich dem zweiten Anzug der Azzuri in einem Auswärtsspiel, welches ohne zahlreiche Leistungsträger bestritten wurde, denkbar knapp geschlagen geben musste (7-8).
An der Seitenlinie der Georgen steht mit Tim Lane ein wahrer Rugbyprofessor. Der 51-jährige Australier war von 1997-1999 verantwortlicher Hintermannschaftstrainer der australischen Wallabies, in dieser Zeit konnten die Mannen aus Down Under den Bledisloe Cup, das Tri Nations und die Weltmeisterschaft in Wales gewinnen, später betreute er hauptverantwortlich das französische Spitzenteam Clermont Auvergne (damals Clermont Ferrand), gehörte zum Set-Up der Springboks und führte Toulon 2007 als Trainer zurück in die französische Eliteklasse.
Beim Lesen der obigen Zeilen ist man versucht, das in solchen Fällen häufig beschworene Bild von David gegen Goliath zu bemühen und auch, wenn die Lage unserer Mannschaft noch aussichtsloser erscheint, als in der bekannten Bibelpassage, gibt es in der Tat auch einige Dinge, aus denen die deutschen Davids Mut schöpfen dürften.
Da wäre zum Beispiel die 5-38 Hinspielniederlage. Obwohl das Ergebnis etwas anderes vermuten lässt, war dieser Auftritt einer der besten und beherztesten einer deutschen Ländermannschaft in der erfolgreichen Ära Finsterer. Man begegnete den vorher für übermächtig gehaltenen Osteuropäern fast 60 Minuten auf Augenhöhe, um sich dann am Ende deutlich aber bis zum Ende unermüdlich kämpfend geschlagen zu geben. Auch damals war die Vorbereitung nicht optimal, wenn auch deutlich besser als vor diesem Spiel und auch damals standen einige neue Gesichter im Kader. So zum Beispiel Ben Brierley, welcher unter großem Jubel der knapp 3000 Zuschauer im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark, zur zwischenzeitlichen 5-0 Führung der deutschen Fünfzehn eintauchen konnte.
Ausserdem sind die neuen Spieler im Kader der DRV-Mannschaft fast alle durch die Wild Rugby Academy gefördert und eben dort auf Spiele von höchstem internationalen Niveau vorbereitet oder im Fall von Alexander Hauck und Jamie Houston Rugbyprofis beim deutschen Meister SC Frankfurt 1880. Es handelt sich also bei den Neulingen nicht um Fallobst, sondern um Spieler, die sich auch bei einem deutschen Kader in Bestbesetzung berechtigte Hoffnungen auf einem Platz unter den ersten 22 hätten machen dürfen.
Mit Widiker, Coly, Krause und dem oben angesprochenen Houston, verfügt man über eine erste Reihe, die den Georgen körperlich vielleicht nicht über 80-Minuten das Wasser reichen kann, die sich aber mit Sicherheit vom Erscheinungsbild ihrer kräftigen Widersacher nicht beeindrucken lassen wird und dem Prunkstück der georgischen Auswahl furchtlos die Stirn bieten dürfte. In der Hintermannschaft steht mit Clemens von Grumbkow der zuletzt international erfolgreichste Hintermannschaftsspieler ebenso zu Verfügung, wie der gegen Hong Kong noch mit einer Handverletzung ausgefallene gebürtige Zimbabwer Edmore Takaendesa, diese beiden in den Jahren 2003 und 2004 beim Sportclub Neuenheim eine Innenpaarung, die maßgeblich dafür verantwortlich war, dass die Königsblauen nicht nur Serienmeister DRC Hannover entthronen konnten, sondern gleich zweimal hintereinander das Endspiel um den begehrten bronzenen Rugbyball gewinnen konnten. Es ist also zu vermuten, dass sich die beiden schnell wieder finden werden und mit dem ohnehin für seine unerschrockene Verteidigung bekannten Spielmacher Kieron Davies, einen nur schwer zu durchdringenden ersten Verteidiungswall bilden.
Die genaue Aufstellung der deutschen Fünfzehn ist zum jetzigen Zeitpunkt zwar noch nicht bekannt, doch mit Raphael Hackl und Frankfurts Mark Sztyndera, stehen nach langer Durststrecke, endlich auch wieder zwei Spieler im Kader, welche beim Stangenkicken annähernd internationales Format vorweisen.
Taktik-Fuchs Bruno Stolorz hatte schon im Vorfeld der Partie gegen Hong Kong eine klare Marschroute ausgegeben, welche ebenso simpel, wie effektiv erscheint. Die schonungslose Anaylse des eigenen Spiels hat laut Stolorz ergeben, dass das eigene Angriffsspiel sich nicht nur als äußert impotent erwiesen hat, in fünf Partien konnten lediglich zwei Versuche erzielt werden, sondern dass man bei diesen Angriffsversuchen regelmäßig in der vierten oder fünften Phase enorme Schwierigkeiten bekommen hatte die eigenen Bälle überhaupt zu behaupten, geschweige denn sie so aufzubereiten, dass damit überhaupt Druck auf den Gegner ausgeübt werden konnte. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass in der Rückrunde, anders als noch in der Hinrunde, das getragene Paket nicht mehr zum Einsturz gebracht werden darf, möchte man das eigene Angriffsspiel um die Gassen, welche sich auch auf dem Niveau der Division 1 als wettbewerbsfähig erwiesen haben und den körperlich kräftigen Sturm aufbauen. Man nimmt dabei in Kauf, dass man mit dieser Ausrichtung gegen die körperlich überlegenen Osteuropäer, vermutlich nicht wird auftrumpfen können, doch gegen die wendigen Iberer, rechnet man sich auf den zu erwartenden schweren Böden in Heusenstamm und Heidelberg durchaus etwas aus, weswegen die Auftaktspiele gegen Georgien und Rumänien durchaus als vorbereitendes Sparring auf höchstem internationalen Niveau aufgefasst werden dürften.
Auf geht’s Deutschland!
Mögliche Aufstellungen:
Georgien:
1. Kinchagashvili
2. A. Giorgadze
3. Zirakashvili
4. Zedgenidze
5. Nemsadze
6. Labadze
7. Chkhaidze
8. Udesiani
9. Abuseridze
10. Malaguradze
11. Machkaneli
12. I. Giogardze
13. Kacharava
14. Urjukashvili
15. Kvirikashvili
Reserve: Natiashvili, Kubriashvili, Datunaschvili, Tavartkiladze, Samkharadze, Zibsibadze, Todua
Deutschland:
1. Krause
2. Widiker
3. Coly
4. Wilhelm
5. Preussner
6. Houston
7. Didebashvili
8. Hauck
9. Güngör (Kapitän)
10. Davies
11. Simm
12. Takaendesa
13. von Grumbkow
14. Sztyndera
15. Hackl
Reserve: Schliwa, Wacha, Hinds-Johnson, Rosenthal, Pyrasch, Liebig, G. Franke
Statistiken:
Spiele insgeamt: 2
Siege Georgien: 2
Letzte 5 Spiele Georgien:
Italien A – Georgien 8-7
Georgien – Argentina Jaguars 24-22
USA – Georgien B 31-13
Kanada – Georgien B 42 – 10
Georigen – Russland 29-21
Letzte 5 Spiele Deutschland:
Deutschland – Hong Kong 24-14
Deutschland A – Schweiz 15-12
Deutschland – Rusland 0-53
Portugal – Deutschland 44-6
Deutschland – Rumänien 0-22
Austragungsort:
Nationalstadion Tiflis
Kapazität 55.000
Wetter: ca. -1 Grad
Ankickzeit: 14:00 Uhr Ortszeit (11:00 Uhr deutsche Zeit)
TotalRugby LiveTicker: Samstag, 6. Februar ab 10:45 Uhr (deutsche Zeit) live aus Tiflis
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