Foto: Miriam May
Alles andere als eine ausgeglichene Bilanz in den anstehenden Länderspielen gegen die All Blacks wäre eine Enttäuschung für Martin Johnson, der obwohl er auf Grund der fortgeschrittenen Schwangerschaft seiner Frau nicht in der Lage sein wird mit auf Tour zu gehen, doch die Verantwortung für die Nominierungen innehat.
Das englische Team hat weit mehr Potential, als es im 6 Nationen Turnier abrufen konnte, während die All Blacks zur Zeit nicht nur auf dem Papier sondern auch auf Grund der momentanen Form sehr viel schwächer erscheinen, als das Team, das sich nach einer mentalen Blockade mit hängenden Köpfen vor unser aller Augen vom World Cup verabschieden musste.
England hat nicht viel mehr zur fürchten, als die großartige Tradition des neuseeländischen Rugbys – aber auch diese läuft momentan Gefahr, gehörig untergraben zu werden, und zwar von dem Verlust einiger ihrer besten Rugbyspieler an die “steinreichen” Clubs aus der Nordhemisphäre. Nun gibt es keinen Carl Haymann und auch keinen Anton Oliver mehr in der ersten Reihe, keinen Chris Jack mehr in Sturmreihe zwei, keinen Luke McAlister und keinen Aaron Mauger auf den Innenpositionen, Aussendreiviertel Doug Howlett ist inzwischen für Munster auf Punktejagd und Joe Rokocoko ist verletzt. Diejenigen, die übrig geblieben sind, müssen sich zu allem Übel auch noch an das engere Spiel im Test Rugby gewöhnen, hier wird im Gegensatz zum Super 14 noch nach den “alten” Regeln gespielt. Das Spiel gegen die Iren (welche im Sommer auch nach Neuseeland touren) wird nicht ausreichen, um die All Blacks in Verlegenheit zu bringen, die Engländer sind da schon ein anderes Kaliber, zumindest wenn Johnson bei seinen Nominierungen ein glückliches Händchen beweist.
Sowohl Kapitän Phil Vickery als auch Verbinder Jonny Wilkinson (siehe Foto) waren zuletzt alles andere als unumstritten, da kommt es für Johnson nicht zu ungelegen, dass beide bei der Tour verletzungsbedingt ausser Gefecht sein werden. Dadurch kann er, ohne seinen beiden Weltmeister-Kollegen vor den Kopf zu stoßen, den “Young-Guns” eine Chance geben sich in Neuseeland zu beweisen.
Matt Stevens gilt schon seit einiger Zeit als Europas bester rechter Prop, und mit seinem Einsatz steigen Englands Siegchancen gewaltig, seine starken Vorstöße mit dem Ball in der Hand und seine “Offloads” geben dem englischen Spiel eine neue Dimension, die lange schmerzlich vermisst wurde. Auf der anderen Seite der ersten Reihe steht Andrew Sheridan, der mit seiner unbändigen Kraft in der Lage ist rund um die Kontaktpunkte Schneisen in die gegnerische Verteidigung zu schlagen. Abgerundet könnte die erste Sturmreihe von Stevens Teamkameraden bei Bath, Lee Mears, werden. Englands erste Reihe ist in der Lage jedes Team der Welt mit einer Kombination von Raffinesse und Grobschlächtigkeit aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Simon Shaw, der immer im Schatten von Martin Johnson stand, kann endlich mal von der Präsenz seines großen Rivalens profitieren, indem dieser ihm eine Verlängerung seiner internationalen Laufbahn beschert. Seine Form ist pünktlich zum Saisonende wieder bestechend und er ist unbestritten einer der besten zweiten Reihe Englands, auch wenn er ohne Zweifel auch nicht davor gefeit ist langsam in die Jahre zu kommen, aber für die jetzt anstehende Tour spielt das Alter keine Rolle, es geht nur darum die Serie zu gewinnen und der Rest wird sich von alleine Regeln.
Steve Borthwick ist der ideale Mann um die Gasse zu leiten, auch wenn Johnson ihm vermutlich nicht die Führungskraft zutraut, die ihn auch für die Kapitänsrolle ins Gespräch bringen würde. Sollte Simon Shaw nach dem ersten Spiel dem hohen Tempo Tribut zollen müssen, hat Johnson mit Danny Grewcock, seinem alten Kumpel, noch ein weiteres Ass im Ärmel. Grewcock hat sein Temprament diese Saison deutlich besser im Griff, als in den vergangenen Jahren, ohne dabei etwas von seiner Kompromisslosigkeit an den Kontaktpunkten eingebüßt zu haben und die Tour nach Neuseeland wäre sicher ein guter Abschluss seiner internationalen Laufbahn.
Die Stärken der englischen Mannschaft liegen nicht in der Dritten Sturmreihe, hier gilt es eine gute Kombination für die Zukunft zu finden. Dabei darf aber Richie McCaw nicht aus den Augen verloren werden, England muss eine Nummer 7 finden, die körperlich in der Lage ist mit dem All Blacks Kapitän mitzuhalten. Michael Lipman könnte der richtige Mann für diese Aufgabe sein.
Nummer 8 Nick Easter ist momentan in seinem Club nicht erste Wahl, aber seine Respektlosigkeit, egal mit welchem Gegner er sich konfrontiert sieht, macht ihn zu einer soliden Übergangslösung für Neuseeland und James Haskell könnte auf Nummer 6 weitere “Sheridan-ähnliche” Schneisen in die gegnerische Verteidigung schlagen.
Hinter dem Gedränge wird Johnsons Wahl vermutlich auf seinen Teamkameraden aus gemeinsamen Tagen bei den Leicester Tigers, Harry Ellis fallen, auch wenn dieser zur Zeit noch an einer leichten Verletzung laboriert. Sollte Ellis ausfallen, würde Danny Care die mutigere Variante gegenüber dem konstant spielenden Richard Wiggelsworth darstellen. Mit den Stürmern von schnellen Bällen gefüttert und dem gefährlichen Danny Cipriani auf seiner Aussenseite, wäre er Care ohnehin vermutlich der gefährlichere Spieler auf dieser Position.
Eine mögliche Kombination von Care und Cipriani auf 9 und 10 kann den Fans nun wahrlich das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen und mit der Aussicht auf einen Olly Barkley als 12 neben Danny Cipriani wird dieser Vorfreude mit Sicherheit kein Abbruch getan.
Neben dieser Achse 9, 10, 12 hat Mike Tindall mit seinem Kämpferherz die berechtigten Ansprüche eines Jamie Noon vermutlich ausgestochen. Tindall ist in Form und wird sogar als möglicher Kapitän der Tour gehandelt. Allerdings ist sein Spiel nicht gerade besonders kreativ, also man kann von einem Mike Tindall nicht erwarten, dass er aus der Tiefe des Raums etwas kreieren könnte, er wird wie immer Versuchen mit seinem wuchtigen Körper die Vorteilslinie zu attackieren. Jamie Noon ist ein solider Ersatz von Tindall mit einer sehr ähnlichen Spielauffassung.
Paul Sackey sollte seinen Platz auf der rechten Aussenposition sicher haben. Aber die Auswahl bei den anderen 2 der “Back-Three” ist wahrlich aufregend. Ich würde mich für James Simspon Daniel, Topsy Ojo, Mathew Tait und Josh Lewsey entscheiden. Im ersten Test würde ich dann den Mann aus Gloucster (Simpson-Daniel) und Josh Lewsey von den London Wasps aufbieten. Tait’s Vielseitigkeit macht ihn zu einem idealen Mann für die Ersatzbank. Ojo sollte man für den zweiten Test auf dem Zettel haben, er kann sowohl Aussen als auch Schluss spielen, da er auf dieser Position dieses Jahr viel Erfahrung sammeln durfte. Ben Foden ist auch in aller Munde, aber der Schluss der Sale Sharks, macht noch zuviele Fehler, was vermutlich daran liegt, dass er erst seit kurzem von Gedrängehalb auf Schluss umgeschult wurde.
Martin Johnson wird mit Sicherheit auf Grund der Form auswählen und ausser Acht lassen wie alt ein Spieler ist, anders macht es zum Beispiel sein französischer Kollege Lieveremont, da ein Sieg bei dieser Tour beinah unbezahlbar wäre. Sollte er sich aber doch dazu entscheiden ein paar Perspektivspielern eine Chance zu geben, dann wären das Gloucesters Nick Wood, David Paice von den London Irish und Jason Hobson aus Bristol, sie sind alle mögliche Kandidaten für die erste Sturmreihe, das gleiche gilt für Dylan Hartley (Northampton), der als dritter Hakler mit auf Tour gehen könnte, obwohl er in der National Division 1 aktiv ist.
In der zweiten Reihe könnte Nick Kennedy sich unglücklich schätzen, wenn er kein Ticket buchen kann, aber womöglich erinnert sich Martin Johnson welche Probleme ihm Tom Palmer mit seiner aggressiven Spielweise im offenen Spiel stets bereitet hat und nimmt ihn deswegen mit auf Tour. In der Dritten Reihe wären Tom Croft und die beiden Harlequins Will Skinner und Tom Guest weitere vielversprechende Kandidaten.
Auf der Verbinderposition sollte sich Johnson eine weitere Option genehmigen und zwar Ryan Lamb oder Charlie Hodgson, dies würde sowohl Barkley als auch Shane Geraghty (der als Ersatz für Barkley einspringen könnte) erlauben, sich ganz auf ihre Rolle als Nummer 12 zu konzentrieren. Allerdings wird Johnson, aus Gründen der Vernunft, vermutlich zögern einen weiteren Verbinder auf die Bank zu setzen, da Hodgson genauso wie Lamb nicht sonderlich flexibel sind und auf anderen Positionen als auf 10 nicht über ausreichend Qualität verfügen, als dass man sie auf diesem Level dort bedenkenlos in den Ring schicken könnte.
Olly Barkley hat sehr viel Erfahrung als Verbinder, war aber auf dieser Position niemals so zu Hause, wie er es offensichtlich als erster Innen neben Butch James bei Bath ist. Er hat eine gute Spielauffassung und einen sehr guten Antritt, allerdings ist seine Spielauffassung sehr limitiert auf seine eigenen Optionen, der Blick für den Nebenmann ist dahingegen nicht so ausgeprägt. D.h. nicht, dass Barkley nicht in der Lage ist gute und schnelle Entscheidungen zu treffen, aber ihm fehlt einfach dieser Blick und die Kontrolle fürs Ganze, die der südafrikanische Weltmeisterschaftsverbinder Butch James Woche für Woche bei Bath in Vollendung präsentiert und wodurch sich auch die drei anderen möglichen Verbinder auszeichnen.
Ähnliches kann man über Geraghty sagen, der sich zuletzt ohnehin nicht in bester Form präsentierte. So lange der Mann von den London Irish nicht in der Lage ist, das Spiel besser zu kontrollieren, sollte er nur als Innen berücksichtigt werden. Entscheidet sich England für einen der beiden als Ersatz für Danny Cipriani, könnte eine frühe Verletzung mit einer Niederlage einhergehen.
Es ist zu erwarten, dass Johnson mit 17 Stürmern und 15 Hintermannschaftsspielern auf Tour gehen wird und das Team von Mike Tindall angeführt werden wird.
So könnte die englische Mannschaft für der Tour nach Neuseeland aussehen:
Sheridan (Sale), N Wood (Gloucester), M Stevens (Bath), J Hobson (Bristol), L Mears (Bath), D Paice (London Irish), D Hartley (Northampton), S Shaw (Wasps), D Grewcock (Bath), S Borthwick (Bath), T Palmer (Wasps), J Haskell (Wasps), T Croft (Leicester), M Lipman (Bath), W Skinner, N Easter, T Guest (alle Harlequins); H Ellis (Leicester), D Care (Harlequins), R Wiggelsworth (Sale), D Cipriani (Wasps), C Hodgson (Sale), R Lamb (Gloucester), O Barkley (Bath), S Geraghty (London Irish), M Tindall (Gloucester, capt), J Noon (Newcastle), P Sackey (Wasps), J Simpson-Daniel (Gloucester), T Ojo (London Irish), M Tait (Newcastle), J Lewsey (Wasps)
Tourdaten:
14. Juni – Eden Park Auckland
21. Juni – Ami Stadion, Christchurch
Inzwischen wurde das Team nominiert:
Stürmer:
Steve Borthwick (Bath Rugby, capt), Tom Croft (Leicester Tigers), Nick Easter (Harlequins), Dylan Hartley (Northampton Saints)*, James Haskell (London Wasps), Jason Hobson (Bristol Rugby)* , Ben Kay (Leicester Tigers), Nick Kennedy (London Irish)*, Michael Lipman (Bath Rugby), Lee Mears (Bath Rugby), Luke Narraway (Gloucester Rugby), David Paice (London Irish)*, Tom Palmer (London Wasps), Tim Payne (London Wasps), Tom Rees (London Wasps), Andrew Sheridan (Sale Sharks), Matt Stevens (Bath Rugby), Joe Worsley (London Wasps)
Hintermannschaft:
Olly Barkley (Bath Rugby), Mike Brown (Harlequins), Danny Care (Harlequins)*, Danny Cipriani (London Wasps),Toby Flood (Newcastle Falcons), Charlie Hodgson (Sale Sharks), Jamie Noon (Newcastle Falcons), Topsy Ojo (London Irish)* , Pete Richards (London Irish), Paul Sackey (London Wasps), David Strettle (Harlequins), Mathew Tait (Newcastle Falcons), Mike Tindall (Gloucester Rugby), Richard Wigglesworth (Sale Sharks)
Was haltet ihr von Martin Johnsons erstem Team? Wird er mit diesem Team erfolgreich sein?
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