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Berliner Studenten vom Pech verfolgt…
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Geschrieben von Christof Hannemann   
Montag, 15. Juni 2009

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In diesem Jahr war bei der europäischen Hochschulmeisterschaft in Bristol nichts zu holen für die deutschen Langzeit-Hochschulmeister. Das spielerische Niveau ist bei diesem hochkarätigen Event extrem nach oben geschnellt und die europäischen Unis nehmen es umso ernster.
Konnten die Berliner im letzten Jahr noch durch körperliche Präsenz glänzen und auch einige Spiele gewinnen, um letztendlich den 5. Platz zu erklimmen, so sind ihnen in diesem Jahr die Gegner geradezu weggerannt.

Aber erst einmal von vorn: Ohne einheitliche Kleidung, die Trainingsanzüge für die Berliner vom allgemeinen deutschen Hochschulsport hingen auf ihren Weg von China nach Deutschland noch beim Zoll fest, bestieg man das Flugzeug Richtung England. Aber auch der neue Trikotsatz hat es unglücklicherweise nicht rechtzeitig durch die Tücken des internationalen Postverkehrs geschafft und somit musste man sich mit einem Präsentationstrikot vom Vorjahr aushelfen welches glücklicherweise alle dabei hatten. Als die Berliner im leicht verregneten Bristol ankamen, wurden sogleich die Stollenschuhe angezogen und man machte sich an die letzte Trainingseinheit, um die wichtigsten Spielzüge noch einmal durchzugehen. Daraufhin folgten die kurze Eröffnungszeremonie und ein gemeinsames Abendessen mit allen Mannschaften, bei dem man sich gegenseitig begutachtete und die ersten zaghaften Versuche startete, die anderen Mannschaften einzuschätzen.
Am zweiten Tag sollte es denn endlich losgehen. Die Berliner standen erst um 13 Uhr mit dem Spiel gegen die Uni Lissabon auf dem Plan und daher entschied man sich, komplett ausgeschlafen und putzmunter gegen halb zwölf auf dem Sportgelände der altehrwürdigen Universität Bristol zu erscheinen. Die Uni Lissabon hatte schon eine Niederlage gegen den Vorjahressieger und Titelfavorit Uni Limoges (Frankreich) in den Knochen und somit war man zuversichtlich, dass man mit genügend Kampf ebenfalls die Portugiesen in ihre Schranken verweisen könne. Jedoch hat man hier die Rechnung ohne Lissabon gemacht, die nicht als Punktelieferant angereist sind. Durch eigene Fehler im Angriffsspiel konnten die Portugiesen auch gleich in Führung gehen. Die Berliner gaben sich nicht auf und nagelten den Gegner in dessen 22er fest. Allerdings wurden auch hier wieder die kleinen Fehler den Berlinern zum Verhängnis und die flinken Portugiesen fingen einige Pässe heraus und liefen abermals ins Malfeld ein. Endstand in diesem Spiel, welches man unbedingt gewinnen musste, um nicht Gruppenletzter zu werden, war folglich 0:28. Nach diesem Debakel lag es am Teamspirit um sich wieder für das nächste Spiel gegen den Titelverteidiger Uni Limoges zu motivieren. Nach einer Umstellung der Mannschaft ging man frohen Mutes aufs Spielfeld. Man wusste, dass man dieses Spiel nicht gewinnen kann, wollte aber dennoch nicht sang- und klanglos untergehen und nach den ersten fünf Minuten war das Spiel immer noch offen. Allerdings musste man sich auch hier eingestehen, dass sich die anderen Mannschaften wohl in der Fitness besser vorbereitet haben und man wurde in der zweiten Halbzeit von den Franzosen, bei denen einige im erweiterten Kader der Top 14 Mannschaft von Brive stehen, nahezu überrannt. Endstand war 38:5 für die Uni Limoges. Nach diesem Spiel musste man gegen den Gastgeber University of Bristol ran. Hier wollte man nicht nur sich, sondern auch den Zuschauern beweisen, dass in Deutschland gutes und schnelles Rugby gespielt wird und man betrat hochmotiviert das Spielfeld. Nun wollte man sich auf die eigentlichen Stärken beziehen, welche doch im Vorjahr zum Erfolg geführt haben: mit einer pressenden Verteidigungslinie dem Gegner auf den Füßen stehen und somit jegliche Angriffschance zunichte machen. Jedoch klappte dies nicht allzu gut, denn Bristol stellte sich darauf ein und formierte sich extra tief in den eigenen Angriffen, um mit dem schnellsten Spieler erstaunliche Durchbrüche zu erzielen. Folglich verlor man auch dieses Spiel und die Berliner Studenten fuhren mit einer Menge Enttäuschung als Extraballast zurück ins Hotel. Am nächsten Morgen musste man im letzten Gruppenspiel gegen die Universität von Exeter antreten und man versprach sich gegenseitig, alles Menschenmögliche zu tun, um dieses Spiel so knapp wie möglich zu gestalten, ja vielleicht sogar einen kleinen „Sensationssieg“ zu erlangen. Aber auch die Uni Exeter , die eine Kooperation mit der englischen Zweitligamannschaft „Exeter Chiefs“ pflegt, hatte einige erfahrene und pfeilschnelle Spieler in ihren Reihen und somit war in diesem Spiel ebenfalls wenig zu holen für die Berliner Studenten. Das letzte Spiel für die Berliner des gesamten Turniers stand nun auf dem Plan. Der Gegner war niemand geringeres als die Universität von Cardiff, die im Vorjahr den Titel des Vizemeisters und vor zwei Jahren sogar den Meistertitel für sich beanspruchen konnte. Nun sollte man also gegen diese Mannschaft um den 9. Platz spielen. Diese Konstellation macht am Besten deutlich wie stark das spielerische Niveau der EHM gestiegen ist und selbst die Waliser davon überrascht wurden. Die Berliner wussten nur allzu gut, dass sich die Waliser mit einem desaströsen letzten Platz in der Gesamtwertung nicht zufrieden geben und bis zum Ende kämpfen würden. In der ersten Halbzeit lag man mit den Walisern gleich auf und konnte sogar einige Punkte erzielen, die zweite Halbzeit jedoch gehörte einzig und allein den Spielern aus Cardiff und somit ging die EHM für die Berliner mit einer viel zu hohen Niederlage von 69:10 und einem beschämenden 10. Platz zu Ende. Nachdem man sich am letzten Abend in der dritten Halbzeit mit den anderen Mannschaften anfreundete, flog man mit gefühlten 10 Kilogramm Übergepäck an Enttäuschung wieder zurück ins heimische Berlin.
Absoluter Turniersieger wurde die Kuban State University of Sport and Tourism aus dem wunderschönen russischen Krasnodar und wer die russische Profiliga verfolgt, weiß auch, dass die Mannschaft aus Krasnodar nahezu 50 % der russischen Nationalmannschaft stellt. Somit konnte man einige Nationalspieler beobachten, wie sie sichtlich selbstverständlich das Turnier für sich entschieden. Allerdings sei auch hier kurz erwähnt, dass dieselbe Mannschaft als Vorbereitung für die EHM das etablierte Amsterdam Sevens Turnier nutzten und dort sogar bis ins Halbfinale gestoßen sind. Ebenfalls sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Finalgegner der Russen, die Universität von Coimbra (Portugal), auch einige Sevens-Nationalspieler in seinen Reihen hatte, die ein paar Wochen zuvor für Portugal bei den Dubai Sevens aufgelaufen sind.
Abschließend lässt sich sagen, dass die europäische Hochschulmeisterschaft von Jahr zu Jahr professioneller wird (zumindest auf spielerischem Niveau) und ohne eine explizite Vorbereitung von mindestens einem halben Jahr dort wenig zu holen sein wird. Die einzelnen Hochschulen stellen ihre Spieler für dieses Turnier frei und entbinden sie bereits im Voraus von jeglichen akademischen Verpflichtungen. Wenn man diesen Unterschied in Betracht zieht, wird auch in den folgenden Jahren wenig für die „ernsten“ deutschen Studenten zu holen sein, egal welches Team auch immer sich in diesem Jahr bei der deutschen Hochschulmeisterschaft für die EHM im nächsten Jahr qualifiziert.
An dieser Stelle sei noch einmal unseren Unterstützern gedankt, allen voran der Berliner Hochschulsport – der den Löwenanteil der finanziellen Mittel stellte – der Erich-Kraft-Stiftung des DRVs, dem Berliner Rugby Verband, dem adH, www.dein-rugby-shirt.de und selbstverständlich auch unseren Fans Anne und Dani, die sich auch in diesem Jahr vor Ort den Titel der „best supporters“ holen und dem Turnier ein wenig Auflockerung verschaffen konnten.

Hier die endgültigen Platzierungen:
Männer
1. Kuban State University of Sports and Tourism (Russland)
2. University of Coimbra (Portugal)
3. University of Bristol (England)
4. Université de Limoges (Frankreich)
5. University of Loughborough (England)
6. Université de Bordeaux (Frankreich)
7. University of Exeter (England)
8. University of Lisbon (Portugal)
9. University of Wales Institute Cardiff (Wales)
10. Universitäten von Berlin (Deutschland)
Frauen
1. University of Exeter (England)
2. Université de Lille 2 (Frankreich)
3. University of Brunel (England)
4. University of Coimbra (Portugal)
5. University of Bristol (England)

Wir sehen uns alle bei der deutschen Hochschulmeisterschaft in Mainz wieder, aber bis dahin…

Euer (immer noch ein wenig frustrierter) Christof Hannemann

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Kommentare (2)add comment

Garry said:

904
...
Super Artikel, nur eine Frage hab ich da noch: Was ist denn bitte ein "deutscher Langzeit-Hochschulmeister"? Der Titel ist jetzt zwei Jahre in Folge nach Berlin gegangen - "Langzeit-Hochschulmeister" klingt da doch ein ganz kleines bisschen überheblich um nicht zu sagen arrogant, oder? Was war dann HD in den 80ern? Ewigkeits-Hochschulmeister?
Na denn, Alles Gute für die kommende DHM - mit Hinblick auf eine möglichst gute Vertretung Deutschlands bei der nächsten EHM seien euch die Daumen gedrückt, ihr spielt zugegebenermasen ein super 7s und wenn ihr die Form der letzten zwei Jahre habt, könnt ihr Deutschland 2010 wohl wirklich am besten vertreten. Und vielleicht seid ihr dann in 3 oder 5 Jahren oder so wirklich irgendwann mal "Langzeit-Hochschulmeister" (was immer das auch sein mag)
Juni 15, 2009

dude82 said:

373
...
@ garry
es sollte definitiv nicht überheblich/arrogant rüberkommen, damit sollte eigentlich nur verdeutlicht werden, dass die berliner seit 2005 (2006 konnten sie nicht daran teilnehmen) mit nahezu derselben mannschaftskonstellation ungeschlagen sind. wem dies aber zu arrogant ist, den bitte ich diesen absatz einfach zu überlesen und entschuldige mich dafür...
Juni 15, 2009

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