Nach überstandener Verletzung ist Frankfurts Gedrängehalb Api Matenga bereit im Meisterschaftsfinale große Sprünge zu machen - (c) M. May
Am Samstag ist es soweit, die beiden besten Rugby Mannschaften Deutschlands treffen aufeinander. Meister Frankfurt 80 empfängt das 3. Finale in Folge eine Heidelberger Mannschaft an der Frankfurter Feldgerichtstraße, doch anders als in den zwei Jahren zuvor, ist diesmal nicht der noch amtierende Vizemeister die RG Heidelberg in der Mainmetropole zu Gast, sondern deren Zaunnachbar. Der Heidelberger RK stand nach der regulären Bundesligarunde auf Platz 2 und hat sich in einem Herzschlaghalbfinale erst nach Verlängerung, jedoch am Ende auf Grund der konstant guten Saisonleistungen, gegen den Tabellendritten aus Neuenheim für das große Finale qualifiziert. Meister Frankfurt hat die Liga die ganze Saison über nach belieben dominiert und seinen Ausrutscher vom letzten Bundesligaspieltag in überzeugender Manier vergessen gemacht.
Das Spiel SC 80 gegen HRK ist auch ein Duell der beiden finanzstärksten Rugbyförderer Deutschlands. Auf der einen Seite Frankfurts Manager und Mäzen Dr. Ulrich Byszio und auf der anderen Seite der Heidelberger Ruderklub mit dem mächtigen Wild Konzern und seinem rugbybegeisterten Vorsitzenden Dr. Hans-Peter Wild im Rücken. Beide haben den sportlichen Wert der Bundesliga durch den Import ausländischer Spitzenkräfte in den vergangenen Spielzeiten enorm aufgewertet und so spekatkuläre Spieler wie Pieter Jordaan, Braam Pretorius und Sean Armstrong auf Seiten des Ruderklubs oder Jason Campell, Jojo Naivalu und Marcus Seuseu in die Bundesliga geholt. Die Gäste vom Neckar sollten sich übrigens nicht verwundert die Augen reiben, falls eben dieser Marcus Seuseu, seines Zeichens u.a. der TotalRugby Spieler der Hinrunde, am Samstag um 14:00 Uhr, wenn Schiedsrichter Jens Reinecke die Jagd nach dem begehrten Bronzeball eröffnet, auf dem Feld steht. Die Knieverletzung des mächtigen Kiwis scheint wohl fast vollständig abgeheilt zu sein, weshalb sein Einsatz von der sportlichen Leitung des SC 1880 zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr ausgeschlossen wird. Auch sein zuletzt am Kiefer verletzter Landsmann, der umsichtige Gedrängehalb Api Matenga, ist wieder einsatzbereit, davon dürfte das Frankfurter Team, der guten Leistung von Gedrängehalb Dennis Feidelberg in der Halbfinalpartie gegen den Berliner RC zum Trotz, nicht nur beim obligatorischen “Haka” zu Spielbeginn enorm profitieren. Einer von Frankfurts Besten, der strohblonde holländische Nationalspieler Andrew Porter, wird im Meisterschaftsendspiel mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht wieder mitwirken können, allerdings ist die medizinische Abteilung des Deutschen Meisters für “Wunderheilungen” bekannt, weshalb es nicht verwunderlich wäre, wenn er am Samstag auf dem Feld steht, um mit den Blau-Weißen an den Kontaktpunkten um die Bälle zu kämpfen.
Weniger erfreulich stellt sich die Personalsituation des Herausforderers aus Heidelberg zum jetzigen Zeitpunkt da. Fraglich ist wie, ob und wie lange der am Knie verletzte 3. Reihe Stürmer Andreas Kerber mitwirken können wird, das Gleiche gilt für den Kapitän der DRV U21 Nationalmannschaft Steffen Liebig und seinen Bruder DRV XV Nationalspieler Christopher Liebig, auch Ergänzungsspieler Andreas Götz ist nach einer Knöchelverletzung vom Halbfinale noch nicht wieder bei 100%, wobei sein Ausfall für die Heidelberger wohl am ehesten zu verschmerzen wäre. Nicht nur auf Grund der zahlreichen angeschlagenen Spieler sieht sich der Heidelberger RK als klarer Underdog, doch das heißt keineswegs, dass die Kurpfälzer den Sieg schon abgeschrieben haben, mannschaftliche Geschlossenheit soll laut dem australischen Coach Murray Archibald der Schlüssel zum Erfolg bei den Hessen sein: “Wir haben am Wochenende gegen den SCN gewonnen, weil wir 110 Minuten unbändigen Siegeswillen gezeigt haben und ich sehe keinen Grund warum wir das am Samstag nicht genauso machen können. Wir haben einfach den besseren Teamspirit”, so Archibald. Auch der südafrikanische Kapitän des Ruderklubs sieht es ähnlich: “Wir können aus einem Kader von 26 Mann wählen, da alle fähig sind auf dem Platz ihre Leistung zu bringen”, obwohl auch er Frankfurt als Favorit ins Finale gehen sieht, verweist er auf den besonderen Charakter von Finalspielen und sieht daher das Team mit der besseren Chancenverwertung im Vorteil. Marcus Thome, der Manager des Ruderklubs, schöpft vor allem aus den beiden knappen und auf höchstem Bundesliganiveau stattfindenden Ligaspielen Hoffnung, die zwar beide Male knapp verloren gingen, wo der Klub aber sein großes Potential mehrfach andeuten konnte. Was die Fitness angeht, sieht Thome sein Team nach dem kräftezerrenden Fight gegen den SC Neuenheim etwas im Nachteil, “aber das Selbstvertrauen ist jedoch enorm gestiegen”, resümiert der ehemalige 2. Reihe Stürmer weiter.
Nach dem standesgemäßen Sieg über den aufstrebenden Berliner Rugby Club ist die Stimmung in Frankfurt laut Flanker Karsten Dobs: “konzentriert und gut”. Diese Konzentration wird auch von Nöten sein, schließlich kommt mit dem HRK eine taktisch gefestigte Mannschaft an den Main, gegen die Mann es sich nicht so leichtfertig erlauben darf, in Rückstand zu geraten, wie noch in der Anfangsphase gegen die forsch aufspielenden Hauptstädter. Auch das Kickspiel gilt es zu verbessern, Schlussspieler Kieran Manawatu erwies sich im Halbfinale nicht als so nervenstark, wie der später eingewechselte Schluss Russel Kupa. Seiner 100-prozentigen Kickausbeute hatten die Rot-Schwarzen es im Vorjahr maßgeblich zu verdanken, dass der Titel nach Frankfurt ging. Aber nicht nur auf der Schlussposition wird Lofty Stevenson die Qual der Wahl haben, gerade in der Hintermannschaft hat er – erst Recht sollte Seuseu wirklich rechtzeitig fit werden – ein absolutes Luxusproblem. Wen soll er neben Seuseu auf Innendreiviertel bringen? Den in der Rückrunde bärenstarken und deutlich fitter wirkenden Rugbyleague-Import Philip Aporo, den Innendreiviertel der namibianischen Nationalmannschaft Bratley Langenhoven, dem bereits das Kunststück gelungen ist gegen Frankreich und Südafrika Versuche zu erzielen, oder vertraut er doch auf seinen Lieblingsschüler, den jungen Deutschen Anton Ewald?
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Der Klub lief im Halbfinale mit den beiden U21 Nationalspielern Sidney Brenner und Christoffer Neureuther auf den Innenpositionen auf. Brenner ist wie sein großer Bruder Kehoma ein furchtloser Verteidiger, aber im Angriffsspiel wird es ihm schwer fallen, gegen seine international erfahrenen Gegenüber zu Punkten, Neureuther ist ein trickreicher Angreifer, aber körperlich sicherlich nicht in der Lage, einem Langenhoven, Aporo oder gar Seuseu über 80 Minuten Paroli zu bieten. Pieter Jordaan würde dem Mittelfeld der Heidelberger sicherich gut zu Gesicht stehen, jedoch geht man dann das große Risiko ein, dass Verbinder Jason Campell mit seinem neuen Gegenüber Katz’ und Maus spielen würde. Daher bleibt aus Sicht der Gäste sicher zu hoffen, dass Steffen Liebig auf Innendreiviertel wird auflaufen können, da er mit Sicherheit nicht zuletzt auf Grund seiner bei den Sharks gesammelten Erfahrungen auch die Verteidiger des Gastgebers vor die ein oder andere schwer zu lösende Aufgabe stellen wird. Auch auf den Außenpositionen sieht es beim Klub momentan nicht so gut aus, ein Christopher Liebig in topform muss sich sicher vor Frankfurts Ben Brierley nicht verstecken, doch als körperlich angeschlagener Verteidiger wird es mit Sicherheit nicht leicht sein, gegen so einen robusten Angreifer zu bestehen und der junge Jürgen Missal ist zwar hochtalentiert, fand aber in 14 Saisonspielen bisher erst zweimal den Weg ins gegnerische Malfeld und offenbarte im Saisonverlauf vor allem in der Verteidigung von hohen Kicks die ein oder andere große Schwäche. In der Halbfinalbegegnung gegen den Sportclub Neuenheim begegnete Archibald diesen Problemen damit, dass er in der Verteidigung seine drei besten Kickspieler Pretorius, Jordaan und Armstrong in den Rückraum beordete, die jeden verunglückten Kick der Königsblauen mit großem Raumgewinn zurück in deren Hälfte schickten, es bleibt abzuwarten, ob Archibald gegen den Meister ein ähnliches taktisches Meisterstück geplant hat.
Aber eben solche Winkelzüge sind wie Frankfurts Trainer Lofty Stevenson in einem Interview mit der Offenbach Post verlautbaren ließ, der große Unterschied zwischen den Bundesligateams, die unter einem deutschen Cheftrainer trainieren und den beiden Finalisten, die beide von erfahrenen ausländischen Spitzenkräften gecoached werden. Ob Stevenson für seinen Teil spezielle Taktiken für den Tabellenzweiten in der Hinterhand hält, bleibt abzuwarten. Aber eins gab er seinen Spielern schon zu Beginn der Woche im Training mit auf den Weg: “Diesen Tag wird es nur einmal geben, und ihr wollt nicht daran zurück denken und euch sagen hätten wir nur…… Also macht den Club stolz”, lautete die Ansprache des großen Motivationskünstlers. Der Coach des SC 1880 plant mit 4 Deutschen zu beginnen und 3 weitere “Nicht-Profis” werden auf der Reservebank platz nehmen, macht Insgesamt 7 deutsche Akteuere im Endspielkader, im Vergleich zum Vorjahr, als im Endspiel lediglich ein Deutscher von Beginn an mitwirken durfte, ein deutlicher Fortschritt und Ausdruck der gestiegenen Klasse der lokalen Akteuere im Kader des Meisters.
Was die Kulisse angeht, möchte der gastgebende SC 1880 Frankfurt Maßstäbe setzen. Das Spiel wurde auf Grund des am gleichen Tag stattfindenden Fußballbundesligafinals um eine Stunde nach vorne verlegt und beginnt jetzt bereits um 14:00 Uhr, es wurden 500 Plakate im ganzen Einzugsgebiet angebracht, über 2000 Freikarten an Schulklassen verteilt, auf 4 Radiosendern läuft Werbung und eine Zusatztribüne wurde errichtet. Doch auch die Gäste aus Heidelberg haben ihre Fans mobilisiert, extra für das große Endspiel werden zwei Fanbusse vom Neckar an den Main fahren, um das junge Team zusätzlich zu motivieren.
TotalRugby Head-to-Head: Häufig dürfen die Hintermannschaftsspieler oder die laufstarken 3. Reihe Stürmer die Lorbeeren nach gewonnen Spielen für sich einstreichen. In der letzten Woche war es aber die 1. Sturmreihe der Frankfurter, welche maßgeblichen Anteil am Sieg gegen die Hauptstädter hatten. Mit Jamie Houston hat der SC 1880 Frankfurt einen der konstantesten und dynamischsten Hakler der Liga in seinem Team, der Air New Zealand Cup erprobte James Anabell ist ein nahezu gleichwertiger Vertreter. Auf Prop steht der meisterschaftsfinalerprobte Ralph Klinghammer und der Ex-Super 14 Akteur Tama Tuirirangi, dahinter lauert der muskelbepackte ehemalige U19 Nationalspieler Australiens Syd Douglas. Alle Frankfurter 1. Reihe Stürmer sind ausnahmslos sehr stark am Gedränge und haben zudem noch einen sehr guten Riecher für das gegnerische Malfeld, nicht umsonst bringen es die 5 auf bisher insgesamt 15 Saisonversuche. Dagegen kommen die 1. Reihe Stürmer des Klubs nur auf insgesamt 2 Versuche, einmal konnte Prop und Kapitän Frederik Potgieter im gegnerischen Malfeld ablegen und einmal der robuste Patrick Schliwa. Doch vor allem am Gedränge könnte es für den Klub haarig werden, zwar sind vor allem Potgieter und auch Schliwa und nicht zuletzt der starke U21 Nationalspieler Arthur Zeiler mit Sicherheit keine schwachen Gedrängespieler, doch im letzten Spiel gegen den SC Neuenheim taten sie sich schon außerordentlich schwer, am Gedränge eine stabile Angriffsplattform für ihre flinke Hintermannschaft zu formen. Wie sie dann den übermächtigen Frankfurter Props begegnen werden wird mit Sicherheit spannend zu beobachten sein. Auf Hakler zeichnet sich noch ein größeres Leistungsgefälle ab, während Frankfurt hier mit Houston und Anabell aus den Vollen schöpfen kann, spielt der beste Hakler des Ruderklubs, der Südafrikaner Johannes Erasmus auf Grund von Personalmangel in der 3. Sturmreihe, sein Vertreter Alexander Biskupek zeigte sich diese Saison sehr engagiert, gehört nicht zuletzt auf Grund seiner Jugend noch nicht zu den Spitzenleuten auf dieser Position in der Bundesliga und der 3. Hakler im Kader des Tabellenzweiten, der reaktivierte Alexander Wiedemann, war zu seiner Blüte einer von Deutschlands talentiertesten Spielern auf dieser Position, hat aber in den letzten Jahren auf Grund von Verletzung praktisch keine Spielpraxis in der 1. Bundesliga mehr sammeln können. Auf dem Papier ist die 1. Reihe der Süddeutschen den Hessen deutlich unterlegen, doch Finalspiele setzen besondere Kräfte frei und die Jungs in blau-weiß wissen, dass es an ihnen ist, ihre Mannschaft in den Vorwärtsgang zu bringen, ob sie beflügelt von der zu erwartenden Stimmung in der Lage sein werden die Frankfurter Berge zu versetzen bleibt abzuwarten, ist aber zumindest nicht ausgeschlossen.
TotalRugby LiveTicker powered by hannover-sevens.de und olympic-rugby.org am 23.5.2009 ab 13.30 aus Frankfurt
TotalRugby Prognose: Die Sache ist klar, die Herausforderer müssen im Vergleich zum Deutschen Meister ein paar mehr Schwachstellen kaschieren und wie man es auch dreht und wendet, die Decke bleibt zu kurz, wenn man am einen Ende zieht schauen die Füße in die Luft und wenn man am anderen Ende zieht ist die Brust unbedeckt. Will sagen: Die Spielerdecke des Ruderklubs ist noch längst nicht so ausgeglichen wie die des Deutschen Meisters, zwar stehen zahlreiche junge Wilde im Kader des ältesten Rugbyvereins Deutschlands, doch für den großen Wurf ist es für einige von Ihnen noch etwas zu früh. Daher heißt der neue und alte Meister am Samstag Nachmittag nach 80 sehr unterhaltsamen Minuten SC 1880 Frankfurt und das mit 17 Punkten Vorsprung. Aber eins darf man nie vergessen, es geht um ein Finale, und die hatten schon immer ihre eigenen Gesetze.
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