Bei den Hannover 7s hatte die Deutsche Auswahl gegen die Russen noch knapp die Nase vorne, doch im 15er Rugby sind die Russen favorisiert - (c) Miriam May
Die Russische Rugbynationalmannschaft, bekannt als die Bären, hat eine noch relativ junge Geschichte. Trat man doch von 1936 – 1990 noch unter der Flagge der Sowjetunion an, danach gab es 2 Jahre lang ein gemeinsames Team der GUS und erst seit 1992 nehmen die Russen als rein russisches Team an internationalen Wettbewerben teil. Noch im gleichen Jahr konnte man die weltbekannten Barbarians mit 27:23 bezwingen. Zur Zeit zählt der Russische Rugby Verband ca. 100 Vereine und über 20 000 Mitglieder.
Damit hat der Russische Verband aktuell zwar nur knapp doppelt soviele Mitglieder wie der Deutsche Rugby Verband, trotzdem ist der Tabellendritte der Divison 1 uns in Sachen Professionalisierung bereits weit voraus. Die Russische Meisterschaft wird von 8 reinen Profi-Teams ausgespielt und zu den Spitzenbegegnungen finden sich regelmäßig über 10 000 Zuschauer in den Stadien ein. Die Topteams kommen aus Moskau und Krasnoyarsk, auch der Großteil der aktuellen Nationalmannschaft wird aus diesen Teams rekrutiert. Über Ostern war der aktuelle Russische Meister VVA-Podmoskovye in Großbritannien und hat dort einige Begegnungen gegen britische Topteams bestritten. Das Abschneiden war so gut, dass Rob Hunter, der Academy Coach der Northampton Saints, den emsigen Russen bescheinigte, am “Break-Down” der härteste Gegner der laufenden Saison gewesen zu sein und ihnen zugleich attestierte, spielerisch durchaus in der Lage zu sein, im European Challenge Cup konkurrenzfähig zu sein. Auch der Ex-All Black und Kapitän der Northampton Saints Bruce Reihana zeigte sich schwer beeindruckt von der Spielweise der russischen Gäste. Nicht zuletzt deshalb wird eine Teilnahme eines russischen Teams an diesem Clubwettbewerb zur Zeit vom Russischen Rugbyverband angestrebt.
Auf Grund stetig steigender Medienpräsenz ist in den letzten Jahren ein beachtlicher Mitgliederzuwachs zu verzeichnen gewesen. Zwar ist Fußball in Russland nach wie vor der populärste Mannschaftssport, doch der Rugbysport hat längst einen festen Sendeplatz in den nationalen Sportnachrichten. Sowohl Heineken Cup als auch Rugbyweltmeisterschaften werden im TV übertragen. Außerdem wird die PRL (Professional Rugby League) wöchentlich auf RTR-Sport übertragen, einem Sender, der auch in der Ukraine und anderen Ex-Sowjet-Staaten empfangen werden kann. Zudem ist Rugby auch stetig in den größten russischen Zeitungen vertreten. Im Jahr 2007 bewarb sich Moskau für die Austragung des 7s World Cup 2009. Nachdem Dubai den Zuschlag erhielt, gab die Russische Rugbyunion bekannt, dass man sich für die nächste Auflage im Jahr 2013 erneut bewerben werde.
Bisher hat der Russische Verband noch kein Team zu einer Weltmeisterschaftsendrunde entsenden können. Bei der 1. Auflage einer Rugbyweltmeisterschaft im Jahr 1987 hatte die Sowjetunion zwar eine Einladung erhalten, diese jedoch aus politischen Gründen ausgeschlagen, die kommunistische Führung störte sich an der Moral der “kapitalistischen Westmächte”, da Südafrika trotz der weltweiten politischen Ächtung weiter als Mitglied des IRB geführt wurde. Im Jahr 2003 stolperte man neuerlich über Südafrika. Diesmal waren es 3 südafrikanische Spieler, die für die Russische Auswahl aufliefen, ohne jedoch spielberechtigt gewesen zu sein. Bei der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2007 scheiterte man in der vorletzten Runde an Portugal und Italien. Gegen Italien musste man beim 7:67 in Moskau die höchste Niederlage einer russischen Auswahl hinnehmen, bevor man am Ende denkbar knapp dem Team aus Portugal mit 23:26 unterlegen war. Portugal gelang es dann, sich gegen Uruguay für die Endrunde in Frankreich zu qualifizieren.
Aktuell werden die “Bären” auf Platz 17 der IRB-Weltrangliste geführt. Diese Platzierung ist vor allem dem äußerst erfolgreichen Abschneiden in der letzten Auflage des European Nations Cup zu verdanken, als man mit Platz zwei nur dem Erzrivalen und amtierenden Europameister aus Georgien den Vortritt lassen musste. Am 21. März kam es zum letzten Aufeinandertreffen im ewig jungen und auf Grund der politischen Lage besonders brisanten Duell mit dem kleinen Nachbarstaat vom schwarzen Meer. Auf neutralem Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew hatten abermals die Lelos aus Georgien die Nase vorn (29:21) und konnten somit den 11. Sieg in Folge gegen den großen Nachbarn verbuchen. Die vorangegangen Auflagen der Europameisterschaft hatte man jeweils als Dritter beendet.
Deutschland und Russland trafen bisher 3 Mal aufeinander. Stets konnten die Russen das Feld als Sieger verlassen. Auch am kommenden Samstag sind die als spiel- und laufstark bekannten Russen Favoriten. Nicht zuletzt, weil der Russische Verband vor Beginn des Turniers die komplette Mannschaft zur Vorbereitung nach Südafrika gesendet hat. Auch im Vorfeld der Partie im Rudolf-Kalweit Stadion in Hannover haben die Osteuropäer keine Mühen gescheut, um das erklärte Ziel, die Qualifikation für die Weltmeisterschaft, nicht zu gefährden. Seit vergangenem Sonntag ist das Team bereits in Niedersachsens Hauptstadt, nachdem der Kader die Woche zuvor im nationalen Leistungszentrum für 1 Woche zusammengezogen worden war.
Im Team gegen die DRV XV stehen nur zwei Legionäre, Außendreiviertel Vasily Artemev, der sein Geld in Dublin verdient, und 2. Reihe Stürmer Andrey Ostrikov, der zur Zeit beim französischen Pro D2 Club Agen seine Brötchen verdient. (Anmerkung der Redaktion: Agen wird vom Vater des ehemaligen deutschen Nationalspielers Pierre Broncan, Henry Broncan, gecoached und ist derzeit Tabellenzweiter in Frankreichs zweiter Liga. Der größte Star der Franzosen ist Fijis Enfant terrible Rupeni Caucaunibuca). Besonderes Augenmerk sollte das Deutsche Team auf die bärenstarke 3. Sturmreihe der Russen, den genialen Spielmacher Yuri Kushnarev und die pfeilschnellen Außendreiviertel der Russen legen, hier vor allem Alexander Gvozdovskiy, welcher im laufenden Wettbewerb in 4 Spielen bereits 4 Mal den Weg ins gegnerische Malfeld finden konnte. Im Sturm sind die Russen wider Erwarten nicht ganz so massig, wie die Georgen oder Rumänen, aber ungemein lauf- und kampfstark.
Alle, die das Spiel nicht live im Rudolf-Kalweit Stadion (Hannover) verfolgen können, können hier bei TotalRugby ab 14:55 Uhr beim LiveTicker mitfiebern.
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