3 TR-Thesen zu den Juli-Länderspielen: Südafrikas Methusalem-XV, All-Blacks-Neustart
Geschrieben von TotalRugby Team
Montag, 8. Juli 2024
Erstmals seit der WM wieder im Einsatz: Die Springboks um Kapitän Siya Kolisi. Foto (c) World Rugby
Für die Rugby-Großmächte aus der Südhemisphäre sind es die ersten Einsätze seit der WM letzten Herbst und damit eine wichtige Standortbestimmung. Während Australien, Neuseeland und Argentinien mit neuen Coaches starten, vertraut man bei den Springboks auf Altvertrautes - mehr noch, die Boks haben am Samstag gegen Irland eine der ältesten Mannschaften jemals aufgeboten und damit Erfolg gehabt. Die All Blacks wiederum hätten fast erstmals seit über 20 Jahren gegen England verloren.
Südafrika verschiebt den Generationenwechsel und startet mit Methusalem-XV
Für den Springboks-Coach Erasmus war dieses Duell ein persönliches. Im ersten Spiel des Weltmeisters seit der WM ging es gegen Irland, das laut Weltrangliste zweitbeste Team im Weltrugby. Und dem Coach der Südafrikaner war nicht nach Kompromissen zumute mit Blick auf die nächste WM.
Mit Schluss Willie Le Roux, Prop Frans Malherbe, Hakler Bongi Mbonambi und Kapitän Kolisi waren einige Spieler im Startaufgebot, die bei der nächsten WM schon näher an der 40, als an der 30 sein werden. Aus dem Startaufgebot waren nur Außen Arendse und Prop Nche, jeweils 28, noch keine 30 Jahre alt.
Alt und erfolgreich: Die Springboks-XV hatte nur zwei Spieler unter 30
Eigentlich, so die vorherrschende Denkweise, ist das Jahr nach einer WM der richtige Zeitpunkt, um einen Neuanfang zu starten. Doch Trainer Erasmus widersetzt sich dessen und setzt vorerst weiter auf seine altgedienten Schlachtrösser, die ihm zwei WM-Titel eingebracht haben.
Am Samstag in Pretoria ging die Rechnung ebenso auf. Die Boks waren über weite Strecken dominant und spielten teilweise sehenswerte Kombinationen. Doch auch die Iren hatten, trotz der feindlichen Atmosphäre und der Höhenluft im Loftus Versfeld ihre Chancen.
Dass James Lowe mit einem verunglückten Rettungsversuch das Spiel besiegelte, war eher unglücklich. So oder so: Das zweite Spiel der Serie kommenden Samstag in Durban verspricht viel Spannung.
Frankreichs dritter Anzug sitzt
Nur eine Woche nach Ende der Top-14-Saison, die wiederum direkt nach der WM begann, weswegen die meisten Frankreich-Stars ohne jegliche Pause zwischen den letzten beiden Saisons durchspielten, entschied sich das Trainerteam um Fabien Galthié für eine völlig unerfahrene Mannschaft. Diese dürfte so vielleicht nie wieder zusammenspielen, vertritt aber Frankreichs Farben in Südamerika.
Angesichts der langen Anreise und der Tatsache, dass Argentinien mit seinem besten Team aufgelaufen ist, das es bei der letzten WM noch weiter geschafft hatte als die Franzosen, gingen les Bleus als krasser Außenseiter ins Spiel. Doch davon war auf dem Feld des Estadio Malvinas Argentinas wenig zu sehen, im Gegenteil.
Die Franzosen ließen sich nicht vom argentinischen Team und dem Hexenkessel am Fuß der Anden beeindrucken und lieferten eine blitzsaubere Leistung ab. Mit Théo Attissogbé kam ein erst 19-jähriger zu seinem Debüt und zu seinem ersten Versuch. Baptiste Serin, in der Rangfolge der französischen Neuner derzeit nur auf Rang vier, führte das Team als Kapitän an und erzielte einen brillanten Versuch.
Insgesamt scheint die Entwicklung der Franzosen nach der WM weiter in die richtige Richtung zu gehen, spielerisch und in Sachen Entwicklung der Talente bei den Vereinen. Mit der Stärke der Top 14 und den JIFF-Quoten, entwickelt sich auch Frankreichs Nationalteam weiter in die richtige Richtung.
England verpasst riesige Chance auf Sieg in Neuseeland
Als England das letzte mal auf neuseeländischem Boden gewann, waren Flanker Chandler Cunningham-South und Außen Immanuel Feyi-Waboso noch kein Jahr alt und lagen noch in den Windeln. Nun waren Sie teil des England-Teams, das den ersten Sieg gegen die All Blacks in Neuseeland seit 2003 mit nur einem Punkt am Samstag in Dunedin verpasste.
Dabei waren die Chancen durchaus da. Marcus Smith bereitete Feyi-Wabosos Versuch zu Beginn der zweiten Hälfte ganz außen vor - dabei hätte der England-Verbinder wohl auch selbst durch die Lücke gehen können, mittig ablegen können und hätte dann mit ziemlicher Sicherheit die Erhöhung getroffen, die zum Sieg gereicht hätte.
Dazu verpasste der sonst starke Zehner zwei weitere Chancen vom Tee, eine davon ein mittiger Straftritt. Trotzdem dürfte diese Leistung den Engländern Hoffnung geben. Sorgenkind ist, für England-Verhältnisse völlig ungewohnt, das Gedränge. Nachdem Joe Marler früh vom Feld musste dominierten die All Blacks nach Belieben, was ein Schlüssel zum 16-15 Sieg war.
Die Leistung im ersten Spiel unter Trainer Scott Robertson und mit Kapitän Scott Barrett hat in Neuseeland wohl noch niemanden vom Hocker gerissen. Immerhin geht es nun im zweiten und letzten Test gegen England nach Auckland, in die Festung Eden Park. Dort haben die All Blacks seit exakt 30 Jahren nicht mehr verloren und werden alles daran setzten, dass sich dies am Samstag nicht ändert.