GOAT-Debatte um Dupont: Ist er der größte Spieler aller Zeiten?
Geschrieben von TotalRugby Team
Samstag, 29. Juni 2024
Er hat noch viele Jahre Rugby auf hohem Niveau vor sich, doch bereits heute ist Antoine Dupont für viele der größte Rugbyspieler aller Zeiten.
Es ist eine für den Rugbysport unübliche Debatte. Wer ist der beste Individualspieler aller Zeiten? Sofern man diese Frage in einem Teamsport, in dem 23 Spieler bei jedem Spiel eine wichtige Rolle haben, überhaupt beantworten kann. Doch die überragenden Leistungen eines erst 26-jährigen Profis sorgen dafür, dass diese Diskussion mehr und mehr aufkocht. Letzte Nacht lieferte Antoine Dupont mit seiner Galavorstellung im Endspiel der Top 14 weitere Argumente, bevor er sich kommenden Monat anschickt, in Paris Gold zu holen.
Allein die Bilanz der letzten Wochen ist irrsinnig. Antoine Dupont gewann in London mit seinem Klub Stade Toulousain die wichtigste Vereinstropähe, den Champions Cup und wurde im Endspiel im Tottenham Stadium zum Man of the Match. Nach einer mehrtägigen Feierorgie stand er bereits am darauffolgenden Freitag in Madrid beim SVNS-Abschlussturnier der World Series in Madrid auf dem Rasen.
Bekanntermaßen brillierte der 26-jährige dort ebenso und holte mit Frankreich den Titel, eine Premiere für les Bleus. Anschließend wechselte er, entgegen den eigentlichen Planungen, noch einmal zurück zum Fünfzehner und spielte mit Toulouse die Top-14-Playoffs. Letzte Nacht krönte sich Dupont mit einem weiteren Titel und wurde dabei erneut Spieler des Spiels.
Defensiv wie offensiv über jeden Zweifel erhaben
Die Bandbreite an Fähigkeiten am Ball und abseits davon, die Dupont dabei vor knapp 70.000 Zuschauern im ausverkauften Stade Vélodrome bewies, war schwer mit Worten zu beschreiben. Wie gewohnt war Dupont der dynamische Initiator des Stade-Angriffs im Endspiel gegen Bordeaux und schreckte auch defensiv nicht vor der Drecksarbeit zurück.
Die gesamte Bandbreite an Skills und dazu zwei überragende Versuche - Antoines Endspielbilanz
Doch er zeigte weitaus mehr: Mit wie viel Power der nur 1,75 m große Neuner den ersten Versuch des Abends per Pick and Go erzielte, hätte jedem Prop alle Ehre gemacht. Wenig später zeigte er all seine technische Fähigkeiten, als er einen dynamischen Stade-Angriff mit einem perfekten Kick über Defensivlinie abschloss, den er selbst erlief und zum Versuch vollendete.
Am Ende stand ein Rekordergebnis von 59-3 auf der riesigen Anzeigetafel des Vélodrome und Frankreichs Rekordmeister hat einen weiteren Titel auf dem Briefkopf. Toulouse mit diesem Dupont ist kaum zu schlagen und vielleicht die beste Klub-Mannschaft in der Geschichte des europäischen Vereinsrugbys.
GOAT-Debatte nach US-Vorbild um Frankreichs Kapitän
Debatten über die individuelle Klasse von Spielern und besonders die in den USA beliebte GOAT-Debatte (größte aller Zeiten) - zum Beispiel darüber, ob Tom Brady der beste Footballer aller Zeiten ist, oder inwiefern LeBron James mit Micheal Jordan zu vergleichen ist - sind im Rugby eigentlich unüblich. Rugby definiert sich als der ultimative Teamsport, bei dem die Mannschaft über den Einzelspielern steht und dennoch kochte die Debatte in den letzten Wochen wieder auf.
Die Leistungen des Franzosen waren schlicht zu gut. Gestern stand ihm Frankreichs zweitbester Neuner im Finale gegenüber, Nationalspieler Maxime Lucu, der im direkten Vergleich aber völlig verblasste. Nicht umsonst wurde Dupont, der mit 19 bereits sein Frankreich-Debüt gab und seitdem 52 Einsätze für Les Bleus sammelte, schon drei Mal Spieler der Six Nations.
Auch auf dem Siebener-Feld kaum zu stoppen, wie hier in Madrid
Sein englischer Toulouse-Teamkollege Jack Willis gab nach dem Champions-Cup-Sieg zu Protokoll, dass Dupont ohne Zweifel der beste Spieler aller Zeiten sei. Im Team nenne man ihn den Außerirdischen, weil er Fähigkeiten habe, die kein Mensch haben dürfte.
Ex-England-Zehner Andy Goode mahnte derweil an, dass Dupont noch keinen WM-Titel gewonnen habe und man deshalb die All-Blacks-Legenden Dan Carter und Richie McCaw zumindest zu diesem Zeitpunkt noch höher einschätzen müsse. Bryn Hall, Ex-All-Blacks-Neuner und einstiger Teamkollege der beiden Legenden McCaw und Carter, gab zuletzt zu Protokoll, dass Dupont der kompletteste Spieler sei, den er je gesehen habe.
In Paris kann sich Antoine Dupont selbst ein Denkmal setzen
In wenigen Wochen kann Antoine Dupont nun erreichen, was weder McCaw, noch Carter, noch Jonah Lomu erreicht haben. Ende Juli tritt er mit Frankreichs Siebener-Team bei Olympia an. In Paris kann er sich bei der Heim-Olympiade ein Denkmal setzen und mehr noch: Das harte Siebener-Training hat Dupont laut eigener Aussage schon zuletzt im Fünfzehner zu einem besseren Spieler gemacht.
Es liegt an ihm, die Debatten um seinen GOAT-Status zu beenden, auch wenn diese dem aus einem nur 5.000 Einwohner zählenden Städtchen Lannemezan stammenden Star des französischen Rugbys schlussendlich wohl egal sein dürften.
Es braucht die WM- Krönung
In den letzten Jahren fand ich Dupont teilweise deutlich überbewertet, wenngleich sein aussergwewöhnliches Talent immer wieder aufleuchtete. In diesem Jahr hat er zwei Zacken drauf gepackt. Aktuell ist er sicher unerreicht und spielt scheinbar in einer eigenen Liga. Seine Präsenz und Dominanz erinnert an Lomu, wenngleich auf andere und komplettere Weise. Was mich dieses Jahr besonders beeindruckt ist seine Konstanz. Ich finde es immer schwierig, Spieler verschiedener Positionen und Generationen miteinander zu vergleichen. Die erwähnten McCaw und Carter waren schon sehr bedeutende Kaliber, je dreimal Weltspieler des Jahres und Doppelwetmeister. Dies kann Dupont zumindest vom Alter her eigentlich immer noch ebenfalls erreichen. Auch als Leaderfigur hat sich Dupont enorm weiterentwickelt. Besser Rugbyspielen, als er das momentan tut, kann man fast nicht. Bin gespannt, ob er mit dem talentierten Frankreich doch noch den heissersehnten ersten WM-Titel holen kann. Grosse Disziplin und ein aussergewöhnliches Caochingstaff wird von Nöten sein. Wenn ich mir anschaue, was in Südafrika da plötzlich wieder für neue dominante Spielertypen auf die grosse Bühne drängen, dann habe ich etwas "Zweifel", ob Grüngold bei WM KO- Spielen zu schlagen sein wird.
Juni 29, 2024
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