Vor dem Six-Nations-Auftakt: 5 neue Kapitäne ersetzen Farrell, Dupont und Co.
Geschrieben von TotalRugby Team
Dienstag, 23. Januar 2024
Erfahren, kontrovers und blutjung - die neuen Kapitäne der Six-Nations-Teams läuten eine neue Ära ein.
Bereits kommende Woche Freitag starten die Six Nations (das gesamte Turnier gibt es Live bei More than Sports TV zu sehen). Nur wenige Monate nach der WM haben einige Teams einen erheblichen Umbruch durchgemacht und nutzen das traditionsreichste Rugby-Turnier der Welt als Neustart. Kein Farrell, kein Biggar, kein Sexton und Dupont - gleich fünf der sechs Teams gehen mit einem neuen Kapitän in das Turnier, nur Italien behält Michele Lamaro als Spielführer. Wir bei TR stellen euch die neuen Kapitäne der Top-Teams vor.
Wales - Dafydd Jenkins (21, Zweite-Reihe-Stürmer, 12 Länderspiele)
Für die wohl größte Überraschung bei der Wahl des Kapitäns sorgte Warren Gatland. Der erfahrene Wales-Coach nominierte einen stark verjüngten Kader und unterstreicht damit, dass er dieses Team bis zur WM 2027 in Australien formen will. Da nur eine Stunde vor der Verkündung des Kaders der Abgang von Superstar Louis Rees-Zammit zum American Football bekannt wurde (TR berichtete), ging die Ernennung des neuen Kapitäns medial ein wenig unter.
Mit Dafydd Jenkins wird Wales den mit Abstand jüngsten Kapitän im Turnier. Der Exeter Profi, der erst letzten Monat seinen 21. Geburtstag feierte und vor nicht einmal zwei Jahren sein erstes Premiership-Spiel absolvierte hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Der Zwei-Meter-Mann ist einer der Gründe, warum die Exeter Chiefs in der Premiership wieder an der Spitze mitspielen.
Gatland zeigte sich „unfassbar beeindruckt“ von Jenkins, der Flanker Jac Morgan ersetzt, der wiederum mit einer Knieverletzung lange ausfallen wird. Jenkins hat erst zwölf Einsätze im Wales-Trikot gesammelt, seitdem er im November 2022 sein Debüt als Teenager gegeben hatte. Besonders in der Gasse und an den Kontaktpunkten hat der Mann aus Bridgend seine Stärken.
Irland - Peter O’Mahony (34, Flanker, 101 Länderspiele)
Johny Sextons Nachfolger als Irland-Kapitän kommt wie Jenkins ebenso aus dem Sturm, ist aber weitaus erfahren und deutlich älter. Mit Peter O’Mahony hat Coach Andy Farrell einen Veteranen des irischen Rugbys zum Kapitän ernannt, der bereits seit zwölf Jahren und über 100 Spielen das Kleeblatt auf der Brust trägt.
Zuletzt war die Munster-Legende als Flanker gesetzt und nun wird O’Mahony Irland bei den Six Nations als Spielführer aufs Feld führen. „Es gibt niemanden besseres, der uns in dieses Turnier führen könnte“, so Trainer Farrell bei der Verkündung. O’Mahony geht immer voran und ist mit seinem Einsatz ein Vorbild für das Team.
Da wirkt es fast schon absurd, dass O’Mahony wohl kein neues Vertragsangebot gemacht werden soll, so zumindest lautet ein Bericht der gut informierten Irish Times. Der Munster-Stürmer feiert in sieben Monaten seinen 35. Geburtstag, womit er schon im gehobenen Rugby-Alter ist. Die Entscheidungsträger beim Verband und seiner Provinz Munster planen nicht mehr über den Sommer hinaus mit dem Mann aus Cork, Trainer Farrell sehr wohl.
Peter O'Mahony ist seit über zehn Jahren nicht aus dem Irland-Team wegzudenken und führt Irland nun als Kapitän an
England - Jamie George (33, Hakler, 85 Länderspiele)
Owen Farrell hatte sich vor wenigen Wochen eine Auszeit vom internationalen Rugby genommen, nun steht fest, dass der bisherige England-Verbinder und Spielführer nach Frankreich wechselt und damit für absehbare Zeit nicht für England verfügbar sein wird. Auch England-Trainer Steve Borthwick hat sich für einen erfahrenen Ersatz entschieden und die Wahl ist auf Farrells Teamkollege Jamie George gefallen.
Der Saracens-Hakler spielt seit neun Jahren für England und war bei den letzten beiden WM-Turnieren einer der besten England-Stürmer. Für den 33-jährigen, der bisher immer ein wenig im Schatten Farrells stand, sicherlich eine ungewohnte Rolle. Doch George gilt als im Team äußerst beliebt und dazu ist er sportlich unumstritten. Genauso wie Trainer Borthwick sich taktisch für risikoarme Optionen entscheidet, hat er es auch bei der Wahl des Kapitäns gehandhabt.
Frankreich - Grégory Alldritt (26, Dritte-Reihe-Stürmer, 45 Länderspiele)
Auch Frankreich-Trainer Fabien Galthié musste für diese Six Nations einen neuen Spielführer wählen. Im Falle der XV de France geht es jedoch „nur“ um einen Platzhalter für Superstar Antoine Dupont. Dieser widmet sich bekanntermaßen in diesem Jahr mit Blick auf Olympia in Paris dem Siebener-Rugby und wird deshalb die Six Nations aussetzen.
Beim ersten Spiel des Turniers, am Freitag kommende Woche in Marseille, wird Achter Grégory Alldritt les Bleus auf den Rasen des Stade Vélodrome und in das Duell mit Irland führen. Der La-Rochelle-Profi ist einer der besten Achter der Welt und geht als Ballprofi und Musterprofi voran - seine Wahl ist alles andere, als überraschend. Es dürfte jedoch spannend zu sehen sein, ob Antoine Dupont nach Olympia direkt als Kapitän ins Nationalteam zurückkehrt, oder ob Trainer Galthié sich vielleicht langfristig für Alldritt entscheidet.
Schottland - Finn Russel (31, Dritte-Reihe-Stürmer, 75 Länderspiele) und Rory Darge (23, Dritte-Reihe-Stürmer, 15 Länderspiele)
Schottland-Trainer Gregor Townsend überraschte die schottische Öffentlichkeit gleich in mehrfacher Hinsicht. Zunächst entledigte er Jamie Ritchie vom Kapitänsamt - der 27-jährige Flanker hatte dieses erst voriges Jahr übernommen und Schottland in die WM geführt. Doch nun, so Trainer Townsend, müsse sich Ritchie auf sein eigenes Spiel konzentrieren.
Statt eines Ersatzes gibt es nun sogar zwei Co-Kapitäne - Verbinder Finn Russell und Dritte-Reihe-Stürmer Rory Darge - deren genaue Rollenverteilung noch nicht gänzlich klar ist. Zumindest konnte Townsend nicht erklären, wer beispielsweise mit dem Schiedsrichter kommunizieren soll und wen man zum Münzwurf vor dem Spiel schicken werde.
Rory Darge gilt als Schottlands Zukunft auf der Flanker-Position und nun ist der 23-jährige einer von zwei Kapitänen seines Landes
Die logische Wahl wäre wohl Finn Russell gewesen. Der Bath-Profi ist der talentierteste schottische Rugbyspieler seiner Generation, jedoch in den vergangenen Jahren bekanntermaßen mehrmals mit dem Trainer angeeckt. Der aufstrebende Flanker Darge hat seit seinem Debüt vor zwei Jahren erst 15 Einsätze für Schottland gesammelt, auch weil die Konkurrenz in der dritten Sturmreihe mit Hamish Watson und Ex-Kapitän Ritchie prominent ist.
Doch die Nominierung als Co-Kapitän kann durchaus als Signal verstanden werden, dass Trainer Townsend auf den Mann aus Edinburgh setzt. Wie die ungewöhnliche Konstellation mit zwei Co-Kapitänen in der Praxis funktionieren soll und ob sie von Erfolg gekrönt sein wird, ist derweil aber noch unklar.