Bei der WM gab es einige großartige Rugby-Matches zu sehen. Braucht der Rugbysport dennoch eine Reform seiner Regeln?
Der Weltverband World Rugby hat in den letzten Jahren immer wieder an der Regelschraube gedreht. Das Spiel soll schneller, attraktiver und gleichsam sicherer werden. Einer der bekanntesten Trainer im Welt-Rugby, Wales-Coach Warren Gatland, fordert nun mit Blick auf die WM 2023 eine umfassende Reform, um den Rugbysport attraktiver zu machen.
In Neuseeland war der Frust über das verlorene WM-Finale riesig. Wohl in keinem Land der Erde sind die Ergebnisse der Rugby-Nationalmannschaft dermaßen wichtig für das Wohlbefinden der gesamten Nation. So konnte man in Neuseelands größter Zeitung Herald am Tag nach dem Endspiel lesen: „Glückwunsch an Südafrika, das Land, das am besten darin ist, KEIN Rugby zu spielen“.
Der Vorwurf des Herald-Kolumnisten Paul Lewis: Die Springboks wären nur gut darin das Spiel zu zerstören und nicht darin, Offensiv-Rugby zu spielen. In diesem Kontext muss man auch einen Vorstoß von Wales-Trainer Warren Gatland zwischen den Jahren verstehen, der für viel Aufsehen und eine Debatte sorgte.
Der Neuseeländer war über die Festtage in seiner Heimat und äußerste sich den dortigen Medien gegenüber sowie anschließend in einer Zeitungskolumne beim Telegraph, dass man etwas beim Thema Regeln unternehmen müsse, um die Angreifer im Rugby künftig mehr zu bevorteilen. Dabei bezog sich Gatland explizit auf die WM 2023 und die Erfahrungen daraus.
Gatlands „Weihnachts-Wunschliste“ um Rugby besser zu machen
Auf seiner „Weihnachts-Wunschliste“, wie er sie selbst nannte, befand sich unter anderem die weltweite Einführung der lokalen Karten-Regelung aus dem Super Rugby. Im Südhemisphären-Wettbewerb spielt eine Mannschaft nach einem Platzverweis nur 20 Minuten in Unterzahl und kann danach dem vom Platz gestellten Spieler ersetzen. Das, so Gatland, würde zu ausgeglicheneren Spielen führen.
Um das Spiel schneller zu machen, fordert er eine ganze Reihe von Maßnahmen, angefangen bei den Gedrängen - dazu die Abschaffung der „Marke“, durch die man derzeit bei direkt gefangenen Kicks in der eigenen 22 einen Freitritt erhält. Die jetzige Regelung macht laut Gatland das Spiel langsamer. Sicherlich denkt er dabei auch an eine Szene aus dem Viertelfinale, in der Boks-Schluss Willemse die Marke genutzt hatte, um ein Gedränge zu wählen.
Angreifende Teams sollen belohnt werden
Weiterhin fordert der Wales-Trainer, dass man nach einem 50-22-Kick auch dann selbst Einwurf in die Gasse erhalten solle, wenn der Ball nach einem Ruck zurück in die eigene Hälfte passt. Das würde die Zahl der erfolgreichen 50-22s erhöhen und verteidigende Teams zwingen mehr Spieler zurückzustellen, um diese Kicks zu verteidigen, was wiederum anderswo auf dem Rasen Platz schafft.
Die Regelung, laut der nach hochgehaltenem Ball im Malfeld ein Dropout erfolgt, will Gatland ebenso abändern, obwohl diese erst vor 2,5 Jahren eingeführt würde. Vielmehr solle es Freitritt für die angreifende Mannschaft geben. Sein wohl wichtigster Vorschlag ist die Zahl der Auswechslungen zu reduzieren.
Bomb Squad als Problem?
Konkret erwähnt Gatland dabei auch Südafrikas berüchtigte Bomb Squad, mit der die Boks besonders in der K.O.-Phase glänzten. Gatland fordert die Zahl der Auswechselspieler zu reduzieren, was einerseits mehr ermüdete Spieler auf dem Feld bedeuten würde und somit mehr Platz für flinke Spieler und zudem den Aspekt der Fitness in Relation zur Muskelkraft stärken würde.
Gatlands Vorschläge haben durchaus ein Echo erzeugt und auch bei World Rugby wird man dem Mann, der in den 1980ern selbst für die All Blacks spielte und seit über 30 Jahren als Trainer tätig ist, Gehör schenken. Beim Weltverband hat man sich in den letzten Jahren durchaus willens gezeigt, an der Regelschraube zu drehen, um das Spiel attraktiver zu machen.
Gleichwohl musste sich Gatland aber auch viel Kritik anhören. So betonte Guardian-Kolumnist Micheal Alwyn, dass Nostalgiker wie Gatland ein schiefes Bild von der Vergangenheit hätten. Rugby sei bereits um ein vielfaches schneller und athletischer geworden und als Beweis führt er die Viertelfinalspiele bei der WM. Diese, so der Engländer, seien einige der besten Spiele in der Geschichte des Sports gewesen.
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