Zum zweiten Mal schaffen es die Springboks nach einer Pleite in der Gruppe noch zum WM-Titel - mit vier RWC-Titeln sind sie nun das erfolgreichste Team der WM-Geschichte. Foto (c) World Rugby
2023 war ein großartiges Jahr für den Rugbysport. Die WM der Superlative wird so schnell niemand vergessen: Knapp zwei Monate zelebrierte Frankreich ein Rugby-Fest für die Ewigkeit, das auch in Deutschland ein riesiges Echo hatte. Neben dem Super-Event in unserem Nachbarland war es auch ein gutes Jahr für unsere Adler, die wieder in Europas Rugby-Beletage spielen und gute Chancen auf den Klassenerhalt haben. Im Vereinsrugby gab es einige spannende Entwicklungen und zwei hochverdiente Meister.
Südafrika holt sich in Paris Titel Nummer vier
Die Springboks waren als Titelverteidiger, aber als nur einer von vier großen Favoriten in die Weltmeisterschaft 2023 in Frankreich gestartet. Die meisten Experten sahen die Franzosen und Iren als die heißesten Kandidaten auf den Titel, immerhin hatten die beiden europäischen Top-Teams im letzten WM-Zyklus alle Süd-Giganten schlagen können und das Teils mit ansehnlichem Rugby.
Doch es sollte anders kommen: Im Viertelfinale schlug Südafrika bärenstarke Franzosen mit viel Kampf, unfassbarer Effizienz und ein wenig Fortune, während die All Blacks eine irische Angriffswelle nach der anderen abwehrten und ihren Sieg ebenso mit letzter Kraft über die Ziellinie retteten.
Die Boks hatten in der Gruppenphase ansehnliches Rugby gezeigt, unterlagen aber den Iren knapp, holten dann pünktlich zur K.O.-Phase Verbinder Handré Pollard zurück ins Boot, der den WM-Start nach einer langen Blessur verpasst hatte. Mit ihm besinnte man sich auf seine Stärken und rang die gegnerischen Teams mit dem Sturm und bombensicheren Kicks nieder.
Ein Duell für die Ewigkeit: Südafrika schmeißt Gastgeber Frankreich im Viertelfinale aus dem Turnier
Sicherlich nicht das ansehnlichste Rugby, jedoch zweifelsohne von Erfolg gekrönt, zumal die letzten beiden WM-Wochenende von monsunartigem Regen geprägt waren, nachdem der Auftakt zum World Cup noch unter Hitzewarnung stattfand. Pollard sollte nicht einen einzigen Versuch vom Hütchen verpassen.
Im Endspiel von Paris waren fünf Kicks in den ersten 35 Minuten entscheidend, denn Südafrikas Defensive um Kapitän Siya Kolisi, der die meisten dominanten Tackles aller Spieler im Turnier machte, erledigte den Rest. Die All Blacks schlugen sich aber in Unterzahl stark und sorgten für Spannung in einem würdigen Endspiel bei schwierigen Bedingungen.
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WM der Superlative hinterlässt ihre Spuren
Diese Weltmeisterschaft war auch abseits des grünen Rugby-Rasens etwas ganz besonderes. Rund 2,5 Millionen Fans verfolgten die ovalen Festspiele in den Stadien und damit im Schnitt mehr als 50.000 Zuschauer pro Partie. Dass dabei alles friedlich blieb, bedarf beim Rugby keinerlei Erwähnung, auch wenn beim Spiel Irland gegen Schottland mit über 137.000 verkauften Bier im Stadion ein neuer Allzeit-Rekord aufgestellt wurde.
In Gastgeberland Frankreich waren neun der zehn meistgesehenen TV-Events des Jahres 2023 entweder WM-Liveübertragungen, oder hingen sonst im Zusammenhang mit der WM. Beim Viertelfinalspiel Frankreich-Südafrika war rund jeder Dritte Franzose vor dem Bildschirm und auch in Deutschland erzielten die Übertragungen von ProSieben Maxx absolute Top-Quoten, die teils einem Vielfachen des Senderschnitts entsprachen.
Das macht Hoffnung auf mehr, die ProSieben-Maxx-Kommentator Jan Lüdeke und Simon Jung in ihrem Podcast Eierköpfe weiter schürten. Man befinde sich in Gesprächen zum Thema Rugby-Übertragungen, so der vielsagende Kommentar kürzlich in ihrem Podcast. Dass Rugby auch in Deutschland Potenzial hat, sieht man regelmäßig bei der WM. Unseren Sport im TV zu etablieren wäre ein wichtiger nächster Schritt.
HRK dominiert und die Liga wächst
Deutschlands beste Vereinsmannschaft heißt Heidelberger RK. Die Zebras konnten ein weiteres perfektes Jahr hinlegen und haben ihren Titel in der Frauenbundesliga hochsouverän verteidigt. Mit 50:0 besiegten die Klub-Ladies den Lokalrivalen von der anderen Neckarseite im Endspiel um die Meisterschaft und unterstrichen damit erneut ihre Dominanz im Vereinsrugby der Frauen. Im Siebener mussten die Klub-Damen allerdings der Konkurrenz aus Hannover den Vortritt lassen: In einem hochdramatischen Endspiel drehte Germania List die Partie mit dem allerletzten Angriff und gewann den Titel mit 10-7 - es war der erste seit 2004 für die SCG.
Gute Nachrichten gibt es auch abseits der Titelentscheidungen. Mit den Lionesses hat sich ein weiteres Team in der Frauenbundesliga A etabliert und befeuert den Heidelberger Konkurrenzkampf noch ein wenig mehr, denn nun sind drei der fünf Mannschaften der A-Liga aus der Neckarstadt. In der B-Liga sind weitere vier Teams aktiv - damit ist der zwischenzeitliche Rückzug der Pauli-Frauen aus dem Fünfzehner zumindest kompensiert. Für eine konkurrenzfähigere Liga und schlussendlich auch bessere Ergebnisse der deutschen Fünfzehner-Frauen bleibt aber zu hoffen, dass die Hamburgerinnen bald wieder eine Mannschaft stellen.
Frankfurt bleibt das Maß aller Dinge bei den Herren
Deutscher Meister ist und bleibt der SC Frankfurt 1880. Hatte es im Frühjahr noch so ausgesehen, als könnte der SC Neuenheim den Männern von Coach Byron Schmidt den Titel ernsthaft streitig machen - immerhin endete das direkte Duell im April mit einem Remis - dominierte Frankfurt das Endspiel schlussendlich deutlich mit 30-16. Der neunte Titel in der Vereinsgeschichte und der dritte in Serie unterstreichen die Sonderstellung der Rot-Schwarzen derzeit.
Der letzte deutsche Meister, der nicht Frankfurt 1880 hieß, muss derweil den bitteren Gang in Liga zwei antreten. Der Heidelberger RK, 2018 noch deutscher Meister und das absolute Über-Team der Liga, spielt nun gegen Rottweil, Nürnberg und Unterföhring in Liga zwei um den Wiederaufstieg. Doch der Neuanfang ist den Zebras gelungen und derzeit sieht es danach aus, als würde der Heidelberger Traditionsklub den Weg zurück ins Oberhaus schaffen.
Um ein Haar hätte es zudem erstmals seit 2004 wieder ein Nord-Team in das Endspiel um die deutsche Meisterschaft geschafft. Hannover 78 unterlag dem SC Neuenheim im Halbfinale mit 16-19 denkbar knapp. Dazu hätte es der Berliner RC um Haaresbreite selbst ins Halbfinale geschafft. Vor beeindruckender Kulisse lieferten die Hauptstädter dem TSV Handschuhsheim ein packendes Duell, das am Ende mit 29-24 an die Heidelberg ging.
Adler machen wichtigen Schritt Richtung Klassenerhalt in der Rugby Europe Championship
Die erste Saison unserer schwarzen Adler in der Rugby Europe Championship seit dem Wiederaufstieg würde kein Zuckerschlecken werden, so viel war von Anfang an klar. Das Team von Mark Kuhlmann startete mit der schwerstmöglichen Aufgabe, auswärts in Tbilisi gegen den Abo-Europameister Georgien, in den Wettbewerb. 75 Punkte kassierte das deutsche Team von den Lelos und damit ein wenig mehr als bei den letzten beiden Gastspielen. Aber anders als 2017 und 2019 schaffte es das deutsche Team aber ins georgische Malfeld, gleich zwei Mal: Felix Lammers und Edo Stella erzielten die Versuche für Deutschland.
Gegen Spanien konnte das deutsche Team beim 14-32 in Heidelberg lange mithalten, bis zwei späte Versuche von los Leones den Unterschied machten. Das zweite Heimspiel gegen die Niederländer ging dann unglücklich mit 29-33 verloren. Doch der wichtige und erlösende Sieg folgte dann im ersten Platzierungsspiel gegen Polen, wo das deutsche Team Dank der Versuche der Innenpaarung Wolf und Rodwell mit 23-18 als Sieger vom Platz ging. Das deutsche Team muss für den Klassenerhalt nur eine Mannschaft in der kombinierten Wertung aus 2023 und 2024 hinter sich lassen.
Der erste Schritt Richtung Klassenerhalt: Unsere Adler gewannen im Februar in Polen
Für die kommende Saison bedeutet dies, dass man Polen oder Belgien hinter sich lassen muss und damit den Klassenerhalt sicher hätte. In den drei ersten Duellen im Februar lauten die Gegner Georgien (in Dessau, Tickets gibt es hier), sowie Spanien (in Madrid) und Niederlande (in Amsterdam). Danach folgt dann die Platzierungsrunde gegen die Teams aus Gruppe B.
Legenden verabschieden sich
Das Ende eines WM-Zyklus ist meist auch der Zeitpunkt, den viele Stars nutzen, um ihre Karriere zu beenden. In diesem Jahr waren es dazu noch zwei Legenden, die ihre Rugby-Stiefel schon kurz vor der WM an den Nagel hängten. Alun Wyn Jones hat in seiner knapp 20-jährigen Karriere mehr Auftritte im internationalen Rugby, als jeder Spieler vor ihm.
Im Mai verkündete er nach 158 Einsätzen für Wales, sowie weiteren zwölf für die British and Irish Lions, dass er nur noch Klub-Rugby spielen würde. Dabei hatte der 38-jährige noch auf die WM hingearbeitet, musste seiner langen Karriere dann aber doch Tribut zahlen. Der sechs Jahre jüngere Stuart Hogg war noch vor einem Jahr kaum aus der schottischen XV zu denken, nannte aber dieselben Gründe für sein Aus, welches er im Sommer vorzog.
Mit der WM beendeten zahlreiche weitere Legenden unseres Sports ihre Karriere. So zum Beispiel Neuseeland-Neuner Aaron Smith, der seine dritte WM spielte und seine großartige Karriere fast mit dem zweiten WM-Titel gekrönt hätte. Gleiches gilt für Zweite-Reihe-Stürmer Brodie Retallick, der ebenso 2012 sein All-Blacks-Debüt gab und ebenso über 100 Einsätze im legendären Trikot Neuseelands sammelte.
Aaron Smith hat eine Ära der All Blacks geprägt
Sein langjähriger Zweite-Reihe-Partner Sam Whitelock war bereits bei der WM 2011 im Einsatz und hätte seinen dritten WM-Titel gewinnen können. Mit 153 Einsätzen für die All Blacks beendet er seine Karriere aber als Rekordnationalspieler, denn er hat den Rekord von Legende Richie McCaw überboten.
Bei den Engländern geht Ben Youngs ebenso als Rekordnationalspieler seines Landes in die Rugby-Rente. 127 Einsätze für das Mutterland sammelte der Mann aus der Grafschaft Norfolk, der weiterhin für Rekordmeister Leicester Tigers im Einsatz ist. England-Erzrivale Wales verliert mit Dan Biggar den Schlüsselspieler der letzten 10 Jahre. Der Verbinder beendet nach 112 Einsätzen und 633 Punkten seine Wales-Karriere und spielt nur noch für Klub Toulon in der Top 14.
Johnny Sexton hat das irische Team noch mehr geprägt als Biggar das walisische. Der Mann aus Dublin hat das irische Team auf Rang eins der Weltrangliste gebracht, Grand Slams gewonnen und mit Leinster mehrere Europacuptitel. Nur ist es auch ihm nicht gelungen Irlands Viertelfinalfluch zu besiegen. Gegen Neuseeland endete Irlands WM-Traum auf besonders dramatische Art und Weise.