In England und in Australien hat Jones verbrannte Erde hinterlassen. Jetzt trainiert er wieder Japan.
Im modernen Profisport sind Treuebekenntnisse oft nur mit Vorsicht zu genießen. Spieler und Trainer wechseln die Vereine und Nationalmannschaften regelmäßig und lassen dabei oftmals wenig Transparenz walten - so weit, so normal. Doch wie dreist Australiens bisheriger Coach Eddie Jones die Öffentlichkeit und seine eigenen Spieler an der Nase herumführte, war sogar der Süddeutschen Zeitung einen Kommentar wert.
„Freundchen, worüber redest du?“ Dermaßen barsch hatte Australiens damaliger Trainer Eddie Jones während der WM Journalistenfragen abgekanzelt, die sich auf einen kritischen Bericht des Sydney Morning Herald bezogen. Laut diesem Bericht hatte sich Jones schon vor WM-Start mit Vertretern des japanischen Verbands getroffen, um sich für den Job als Japan-Trainer zu bewerben.
Jones, der zu den schillerndsten aber auch umstrittensten Figuren im Welt-Rugby zählt, empörte sich geradezu angesichts der Fragen, die ihm gestellt wurden. Dass solche Gerüchte und Jones Art, damit umzugehen, für Unruhe sorgten, kann sich jeder ausmalen. Australien jedenfalls erlebte eine blamable WM und flog nach der Vorrunde aus.
Historisch schlechtes Abschneiden bei der WM
Noch nie hatten die Wallabies, immerhin zweifacher Weltmeister, dermaßen schlecht abgeschnitten - sicherlich auch wegen der Tumulte um den Trainer. Jones Lippenbekenntnisse während der WM, dass er sich voll auf Australien konzentriere und alles für die Wallabies in Waagschale werfen würde, waren schlussendlich nicht viel wert, wie sich gestern herausstellte.
Nun, keine drei Monate nach der Affäre um Jones, hat der japanische Verband einen neuen Trainer verkündet. Dieser ist - das dürfte mittlerweile niemanden mehr überraschend - Eddie Jones. Der Australier mit japanischer Mutter hatte bereits kurz nach dem Ausscheiden seinen Rücktritt als Wallabies-Coach verkündet, obwohl sein Vertrag noch bis 2027 datiert war, ohne dabei seine nächste Destination zu nennen.
Rückkehr nach Japan, wo Jones seinen wohl größten Triumph feierte
Der bald 64-jährige einstige Hakler kehrt also nach Japan zurück, wo er schon von 2012 bis 2015 coachte und die Brave Blossoms bis zum Wunder von Brighton führte, als die Japaner völlig überraschend Südafrika besiegten. In seiner australischen Heimat wird Jones mit Häme und Kritik überzeugen.
All-Blacks-Legende Sonny Bill Williams zählte bereits während der WM zu Jones schärfsten Kritikern. Jetzt legte der einstige Superstar im australischen TV nach: „Er hat die Spieler belogen, die Öffentlichkeit und den Verband - was für eine Schande. Die japanische Mentalität definiert sich über Respekt und Loyalität - er hat weder das eine noch das andere!“
Nachdem Jones zuletzt in England und Australien verbrannte Erde hinterlassen hatte, begibt er sich erneut auf die Mission mit den Brave Blossoms. Seine vermeintlich antiquierten autoritären Methoden - Jones selbst bezeichnete sich einst als Diktator - passen vielleicht besser zur japanischen Führungskultur.
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