Die Verbinder-Frage: Irland castet Sexton-Nachfolger, Farrell nimmt sich Auszeit
Geschrieben von TotalRugby Team
Donnerstag, 30. November 2023
Wer ersetzt den Altmeister Johnny Sexton bei Irland? Am Wochenende sind wir der Antwort ein Stück näher gekommen.
Die WM ist gerade einmal verdaut, da richtet sich der Blick in Europas Top-Nationen schon auf das nächste Top-Ereignis. In zehn Wochen starten die Six Nations und bei vielen Teams bringt das Turnier einen Umbruch mit sich. Bei Irland wird der Nachfolger für Kapitän und Verbinder Johnny Sexton gesucht und am vorigen Wochenende gab es ein direktes Duell der beiden Top-Anwärter. In England wird Owen Farrell überraschend nicht bei den Six Nations antreten.
Altmeister Johnny Sexton stand selbst noch vor Spielbeginn auf dem Rasen und wurde von den 50.000 Zuschauern in Dublins Rugby-Tempel an der Lansdowne Road würdig verabschiedet. Mehr als 15 Jahre lang war der Verbinder weder aus dem Trikot von Dublins Topklub Leinster, noch aus dem der irischen Nationalmannschaft wegzudenken. Bekanntermaßen hat der 38-jährige nach der WM die Rugby-Stiefel an den Nagel gehängt.
Nachdem sich Sexton auf die komfortableren Sitze des Aviva Stadiums bewegt hatte, ging es im großen irischen Derby zwischen Leinster und Munster darum, welches Team das beste der Insel ist. Ganz nebenbei war das Duell vor Rekordkulisse auch ein Casting, bei dem es um die Nachfolge des Irland-Shirts mit der Nummer zehn geht. Denn Kapitän Sexton war in den letzten Jahren derart dominant, dass es Irland nie gelang, einen echten Nachfolger für den Routinier aufzubauen.
Leinsters Ross Byrne und Munsters Jack Crowley im direkten Duell
Auf der Seite der Gastgeber aus Leinster ging Ross Byrne ins Rennen, der in Verein und Nationalteam lange im Schatten des Altmeisters stand. Byrne war lange die sichere Option, solide unter Druck und mit wenig Fehlern, bei weitem nicht mit der Präsenz und Dominanz auf dem Rasen, wie Platzhalter Sexton. Mit 28 Jahren und 22 Einsätzen für Irland, sowie mit fünf Jahren in der irischen Nationalmannschaft ist er allerdings der logische Nachfolger.
Auf Seiten Munsters dagegen spielte mit Jack Crowley ein noch einmal fünf Jahre jüngerer Anwärter, der in den Augen vieler Byrne bei der WM langsam aber sicher den Rang abgelaufen hat. Erst vor einem Jahr gab er gegen Fidschi als Ersatz von Joey Carbery gegen Fidschi sein Debüt und bei den Six Nations 2023 trainierte der 23-jährige erstmals durchgehend im Kader der irischen Mannschaft. Bei der WM ersetzte er dann drei Mal Sexton.
Casting unter Wettkampfbedingungen: Byrne und Crowley im direkten Duell
Crowley verliert das Spiel, aber betreibt Eigenwerbung in der Verbinderfrage
Am Samstag verlor er zwar mit Munster das Duell gegen Leinster mit 16-21, jedoch sahen fast alle Experten Crowley als den Sieger im direkten Duell der Verbinder. Er hatte trotz seines jungen Alters die Ruhe am Ball und fand das richtige Timing bei seinen Pässen, kommandierte die Munster-Hintermannschaft auf Sexton-Art und attackierte die Linie selbst ab und an. So inszenierte er auch den schönsten Versuch des Spiels, den Neuner Craig Casey in der Ecke abschloss.
Viele Experten waren sich einig: Das war eine Art Bewerbungsschreiben für das irische Trikot mit der zehn. Zu allem Überfluss verletzte sich der direkte Konkurrent Ross Byrne auch noch in der ersten Hälfte. Er durfte mit ansehen, wie Crowleys Aktien im Spielverlauf immer mehr stiegen und wie auch sein Ersatz Ciarán Frawley ein solides Spiel ablieferte.
Der Rotschopf Frawley überzeugte vor allem mit seiner Defensivleistung, gilt aber zunächst eher als Option auf der Schlussposition. Zum Auftaktwochenende der Six Nations 2024, wenn die Iren das Turnier beim Gastspiel in Marseille gegen Frankreich eröffnen, dürfte Irlands Zehner wohl Jack Crowley heißen.
Farrell nimmt sich Auszeit und fehlt England bei den Six Nations
Gestern folgte dann die überraschende Nachricht, dass Owen Farrell nicht bei den Six Nations spielen werde. Das hat weder gesundheitliche Gründe, noch liegt es an der Leistung des England-Kapitäns. Der 112-fache Nationalspieler des Rugby-Mutterlands will sich eine Auszeit nehmen, um „seine eigene mentale Gesundheit und die seiner Familie zu priorisieren“, so das Statement auf der Webseite seines Klubs Saracens.
Der England-Verbinder musste in den letzten Jahren viel Kritik einstecken, unter anderem für seine Tackle-Technik, aber auch für Englands Spielstil. Eine echte Pause wird sich Farrell aber nicht gönnen, denn er wird weiterhin für seinen Verein Saracens auflaufen. Englands-Trainer Borthwick ließ verlauten, dass er voll hinter der Entscheidung stehe. Derweil hat England mit George Ford einen logischen Ersatzmann, der die Erfahrung und spielerische Klasse mitbringt, damit England um den Six-Nations-Titel mitspielen kann.