Abschluss der Gruppenphase: Endspiele und Entscheidungen
Geschrieben von TotalRugby Team
Donnerstag, 5. Oktober 2023
Schaffen es Agustin Creevy und die Argentinier erneut ins Viertelfinale? Foto (c) World Rugby
Wer kommt ins Viertelfinale, wer schafft die direket Quali für 2027? Es ist das Wochenende der letzten Gruppenspiele bei der Rugby-WM. Während Frankreich und Südafrika noch rausfliegen könnten, ist dies bei Australien so gut wie sicher der Fall. Derweil gibt es zwischen Argentinien und Japan, sowie zwischen Frankreich und Italien ein direktes Duell um den Viertelfinaleinzug, während Georgien Fidschi den sicher geglaubten Viertelfinaleinzug noch vermiesen könnte. Schottland könnte derweil noch Irland oder Südafrika aus dem Wettbewerb werfen, müsste dafür Samstag-Abend in Paris aber klar gegen Irland gewinnen.
Am Donnerstag-Abend heißt es um 21 Uhr Neuseeland gegen Uruguay vor 60.000 Fans im natürlich ausverkauften Stadion von Lyon. Uruguay konnte bisher mit seiner offensiven Spielweise auf sich aufmerksam machen und gegen Namibia einen viel umjubelten Sieg einfahren. Gegen Neuseeland sind los Teros, die zuvor noch nie auf die All Blacks getroffen sind, aber nichtsdestotrotz krasser Außenseiter - zumal es für den dreifachen Weltmeister noch um etwas geht.
Nur mit einem Sieg haben die All Blacks das Viertelfinalticket sicher in der Tasche und so bietet Trainer Ian Foster neun bzw. zehn Tage vor den möglichen Viertelfinalspielen viele Topstars auf. Verbinder Mo’unga soll das Angriffsspiel der All Blacks beleben, während Sam Cane wieder fit ist und die All Blacks aufs Feld führen wird. Derweil bricht Zweite-Reihe-Veteran Sam Whitelock einen weiteren Rekord: Nachdem er vorige Woche schon zu Neuseelands Rekordspieler aller Zeiten wurde läuft er nun zu seinem 23. WM-Spiel auf und überholt auch da seinen Ex-Kapitän Richie McCaw. Für Uruguay-Kapitän Andres Vilaseca wird derweil ein Traum Realität - er sei, so der Innen, mit dem Traum aufgewachsen einmal gegen dieses Team zu spielen.
Am Freitag 21 Uhr folgt dann die nächste Entscheidung in Gruppe A: Italien hat die Chance mit einem Sieg über die bisher ungeschlagenen Franzosen Geschichte zu schreiben und den Gastgeber rauszukegeln. Nach dem Debakel gegen Neuseeland könnte man meinen, dass dieses Spiel eine klare Angelegenheit werden könnte. Doch Italiens Gedrängehalb Varney insistiert, dass Coach Kieran Crowley den Azzurri das Selbstbewusstsein zurückgegeben habe. Ganz unmöglich wäre eine Überraschung nicht, im Februar verlor Italien daheim gegen die Franzosen gerade einmal mit fünf Zählern. Für dieses Spiel rückt Star-Spieler Capuozzo wieder auf die Schlussposition, um ihm Raum für seine gefährlichen Kombinationen zu geben, während Allan und Garbisi eine doppelte Verbinderachse auf der Zehn und Zwölf bilden.
Das französische Team muss in jedem Fall auf Kapitän Antoine Dupont sowie auf Hader Marchand verzichten. Dupont, der Superstar des Teams, ist zwar wieder im Lauftraining, kann aber lediglich im Viertelfinale wieder auflaufen und selbst bestehen noch Zweifel (TR berichtete). Er wird durch den erfahrenen Maxime Lucu ersetzt, der eher als Stratege denn als Antreiber gilt. Immerhin werden die Franzosen auf die 60.000 Fans im Rücken vertrauen können, die im bisherigen Turnier bedingungslos hinter ihrem Team und dem Traum vom ersten WM-Titel standen. Den Franzosen würde im übrigen auch ein Remis oder zwei Bonuspunkte reichen, um den Einzug ins Viertelfinale klar zu machen.
Zum letzten Mal gibt es Samstag drei WM-Spiele an einem Tag. Den Auftakt machen um 15:00 UhrWales und Georgien - da die Lelos bisher sieglos geblieben sind, geht es in diesem Spiel nur noch darum, ob Wales Gruppe C gewinnt. Die Waliser brauchen nur noch einen einzigen Zähler, was sicherlich nicht ungelegen kommt, denn die Pleite der Waliser gegen Georgien daheim ist nicht einmal ein Jahr her. Dank der klaren Konstellation hat Wales-Coach Gatland die Chance einige wichtige Spieler wie Kapitän Jac Morgan und Dan Biggar zu schonen. Hakler Dewi Lake führt das Team als Kapitän aufs Feld, während der gegen Australien starke Anscombe als Verbinder aufläuft.
Im zweiten Spiel des Nachmittags um 17:45 treffen dann England und Samoa aufeinander. Das Team von Steve Borthwick hat in Gruppe D den Sieg schon in der Tasche, läuft aber dennoch mit Spitzenpersonal auf. Ford und Farrell bilden die Doppel-Verbinderachse mit Tuilagi auf der zweiten Innenposition. Earl, Curry und Lawes bilden eine physisch extrem starke dritte Reihe. Gegen die für ihre harte Spielweise bekannten Samoaner will sich England nicht dominieren lassen. Borthwick hält die Samoaner aber für den perfekten Auftakt in eine harte K.O.-Phase.
Samoa wiederum möchte sich nach einer bisher enttäuschenden WM noch ein Ausrufezeichen setzen. Dazu hat man immerhin die Chance als Gruppendritter die direkte Quali für die WM 2027 zu schaffen. Ex-All-Black Lima Sopoaga startet erstmals bei dieser WM als Verbinder, während im Sturm einige frische Kräfte von Beginn an starten.
Samstag-Abend um 21 Uhr folgt dann im Stade de France das keltische Duell Irland vs Schottland, auf das auch die Südafrikaner ein besonderes Augenmerk legen werden. Denn immerhin könnte Schottland mit einem Bonuspunktsieg - je nach Konstellation - wahlweise noch Südafrika oder die Iren aus dem Wettbewerb kegeln. Die Iren würde unter Umständen schon ein Bonuspunkt reichen, sie würden mit einem Sieg gleichzeitig aber auch sicher die Todesgruppe B gewinnen und damit das Viertelfinal-Rendezvous mit den All Blacks buchen. Coach Andy Farrell will sich nicht mit Eventualitäten beschäftigen, sondern den Sieg über den Nachbarn einfahren und so ohne wenn und aber ins Viertelfinale einziehen. Zwei frische Kräfte im Sturm kommen im Vergleich zum Sieg über Südafrika ins Team: Ian Henderson und Dan Sheehan bringen Power und Erfahrung in der zweiten Reihe und auf der Hakler-Position.
Dank dieses so wichtigen Sieges über Südafrika hat Irland den Vorteil auf seiner Seite
Die Schotten wiederum sind zum Siegen verdammt und das sind nicht unbedingt gute Nachrichten. Der letzte Sieg über Irland war im Jahr 2017 im heimischen Murrayfield. Doch Coach Gregor Townsend hält den Skeptikern entgegen, dass man in den letzten Jahren mit diesem Team schon den einen oder anderen Rekord gebrochen habe und erinnerte dabei an den ersten Sieg in Twickenham seit Jahrzehnten. „Wir haben schon mehrmals als absoluter Underdog abgeliefert“, so Townsend weiter, der davon überzeugt ist, dass sein Team das nötige Potenzial hat. Bei perfekten Bedingungen in Paris wird Schottland alles auf Attacke setzen müssen - denn nur mit einem Bonuspunktsieg kann man noch weiterkommen. Sollte Irland wiederum einen Offensiv-Bonus holen, dann müssten die Schotten 21 Zähler Vorsprung herausholen, da man nur so den Dreier-Vergleich mit Südafrika gewinnen würde - denn dann hätten alle drei Kontrahenten 15 Wertungspunkte und die Punktedifferenz käme ins Spiel.
Im ersten Spiel am Sonntag um 13 Uhr heißt es für Japan und Argentinien alles oder nichts. Beide Teams stehen in Gruppe D bei jeweils neun Zählern und der Sieger rückt ohne wenn und aber auf Platz zwei. Das wäre gleichbedeutend mit dem Viertelfinalticket und einem Duell mit Wales oder Fidschi um den Einzug unter die Top vier Teams der Welt. Mehr Motivation bedarf es eigentlich nicht. Japans Trainer Jamie Joseph vertraut demselben Team, das gegen Samoa mit 28-22 die Oberhand behielt. Achter Kazuki Himeno führt das Team als Kapitän aufs Feld und hofft in Nantes das zweite Viertelfinale in Folge klar zu machen.
Argentinien wiederum rotiert wie bisher bei jedem Spiel durch. Trainer Micheal Cheika bietet dabei aber die drei erfahrensten Pumas aller Zeiten auf: Agustin Creevy (104 Länderspiele), Nicolas Sanchez (100 Länderspiele), Pablo Matera (97 Länderspiele) verleihen dem Team immense Erfahrung, auch wenn Hakler Creevy und Zehner Sanchez von der Bank starten. Denn in diesem so wichtigen Spiel vertraut Cheika wieder auf den jüngeren Santiago Carreras als Verbinder, obwohl dieser beim Duell mit England nicht seine beste Leistung abliefern konnte.
Weiter geht es um 17:45 Uhr mit dem Duell Tonga gegen Rumänien. Die beiden einzigen sieglosen Teams in Todesgruppe B treffen aufeinander. Dabei geht es eigentlich um nichts mehr, außer sich vor 50.000 Zuschauern in Lille würdig von der großen WM-Bühne zu verabschieden. Rumäniens Trainer Eugen Apjok hat dabei noch einmal kräftig durchrotiert, neun Neuen eine Chance gegeben. Dabei werden die Eichen, die im bisherigen WM-Verlauf mehr oder minder der Prügelknabe waren, als Außenseiter in dieses letzte Spiel gehen. Denn in Sachen individueller Qualität haben die Seeadler mit Topspielern wie Piutau und Tameifuna hier klar die Nase vorne und angesichts der engagierten Leistung gegen die Springboks wäre hier alles andere als ein klarer Sieg Tongas eine Überraschung.
Die Vorschau für die restlichen Spiele am Sonntag wird später hinzugefügt, sobald die Kader feststehen.
Rugby-WM quo vadis?
Die Vorrunde ist noch nicht beendet und wir zählen beim RWC23 inzwischen 8 Spiele, bei denen ein Team mehr als 70 Punkte machte (Highscore 2x 96p). 2019 war es ein Spiel (Highscore 71p). 2015 keines (Highscore 65p). Jetzt will Weltrugby auf 24 Teams erweitern. Die kleinen Nationen mögen sich insgesamt verbessert haben, aber die grossen Nationen agieren unter zunehmend professionelleren Bedingungen, was den Abstand nun offensichtlich noch vergrösserte. Das Dilemma ist schwer aufzulösen, aber Rufe nach mehr Gelegenheiten für Spiele von der Tier 2 und Development-Nationen gegen Tier 1 erscheint mir fehlgeleitet. Letztes Jahr verlor die knapp in der Qualifikation zum RWC`23 gescheiterte USA zuhause dreistellig gegen die All Blacks. Wem nützt sowas, ausser der Try-Bilanz eines Will Jordan? Aus meiner Sicht machen mehr Turniere Sinn mit Weltranglistenpositionen 17-30 und professionelleren länderübergreifende Vereinswettbewerben, so wie das die Südamerikaner gemacht haben. Vielleicht braucht es in Europa auch einen drittklassigen Europapokal, wo die Nicht-6-Nations-Nationen mit ihren 2-3 besten Teams gegen die Teams der 2.Liga aus England u. Frankreich antreten. Eine katastrophale Fehlentscheidung ist aus meiner Sicht die frühzeitige Vergabe des RWC`31 an die USA. Warum das? Nur weil es die FIFA vormacht? Zum Vergabezeitpunkt waren die USA der einzige Kandidat, was nicht nachvollziehbar ist. Wegen Kollision der Spielpläne mit American Football wird diese WM dann vermutlich auch noch im Hochsommer gespielt. In Frankreich wird beim RWC`23 ein Zuschauerschnitt von 53`000 erreicht. Das ist adäquat dem bisherigen Rekord einer Fussball WM (2014 in Brasilien). Die Stimmung ist einfach phantastisch. Lasst die Weltmeisterschaften dort, wo sie hingehören: In Nationen, die wettbewerbsfähig sind!
Oktober 07, 2023
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Letzte Aktualisierung ( Freitag, 6. Oktober 2023 )