Owen Farrell führt England als Kapitän in diese WM. Foto (c) Perlich
Wales und England starten am Samstag mit einem Warm-Up-Spiel gegeneinander in die WM-Vorbereitung. Beide Teams haben turbulente Monate mit einem Trainerwechsel hinter sich. Doch während die Erwartungen beim Vizeweltmeister traditionell hoch sind, könnte sich ein stark verjüngtes walisisches Team zur Überraschungsmannschaft dieses Turniers entwickeln.
England - mit Farrell als Kapitän in die Mission zweiter WM-Titel
Der Vizeweltmeister - derzeit nur Rang sechs in der Weltrangliste - startet am Samstag in Cardiff mit dem ersten Testspiel in die ganz heiße Phase der WM-Vorbereitung. Noch 35 Tage sind es dann auf den Tag bis zum ersten Spiel des Mutterlands beim Rugby World Cup in Marseille gegen Argentinien.
Direkt die erste Partie der Engländer dürfte darüber entscheiden, ob der Weltmeister von 2003 aus Gruppe D als Sieger hervorgeht. Umso wichtiger wird es sein, dass das Team von Kapitän Owen Farrell auf den Punkt in Form ist, denn los Pumas kommen frisch aus der Rugby Championship und haben mehr als genug Wettkampfpraxis.
Farrell wurde zum Start der Vorbereitung von Trainer Borthwick als Spielführer festgelegt. 2019 musste er im Endspiel mitansehen, wie Boks-Spielmacher Pollard sein Team zum Titel führte. Das soll sich nicht wiederholen - „er ist in der Form seines Lebens“, so England-Außen Max Malins über seinen bisherigen Saracens-Teamkollegen und jetzigen Kapitän im Nationalteam.
Für viel Unverständnis hat die Tatsache gesorgt, dass Zach Mercer nicht im England-Kader gelandet ist. Der Dritte-Reihe-Stürmer, der sich am wohlsten auf der Achter-Position fühlt, wurde in Frankreichs Top 14 in der abgelaufenen Liga zum besten Spieler der Saison gewählt - noch vor Topspielern wie Antoine Dupont, Finn Russel, oder Romaine Ntamack.
2019 scheiterte England im Endspiel - dieses Mal sind die Vorrausetzungen schlechter
Dazu hat Mercer seine Rückkehr nach England dingfest gemacht, indem er für kommende Saison bei Premiership-Klub Gloucester angeheuert hat. Jetzt fragen sich viele Experten und Fans in England: Was soll Mercer noch machen, um von England-Trainer Borthwick berücksichtigt zu werden?
Das Problem liegt aber wohl viel mehr im Spielstil, den Borthwick mit dem Nationalteam des Mutterlands spielen will. Mercer ist ein unglaublich mobiler Achter, der im Vergleich zu Billy Vunipola deutlich leichter ist. Wohl auch deshalb ist der Sarries-Stürmer nun im England-Kader, Mercer aber nicht.
Ob Borthwick vermeintlich langweiliges Rugby spielen möchte? Ex-England-Verbinder Andy Goode glaubt dies zumindest und betont zugleich, dass er die Erfolgschancen für gering hält. Man werde weder Südafrika noch Neuseeland damit schlagen und selbst gegen Frankreich seien die Karten mit diesem Spielstil schlecht.
Trotz aller Unkenrufe erhält Marcus Smith am Samstag seine nächste Chance mit der Zehn auf dem Rücken. Allerdings scheint Coach Borthwick im ersten von zwei Spielen gegen Wales einiges an Personal testen zu wollen. Owen Farrell wird zunächst geschont und George Ford ist auf der Bank.
Wales - Chaos, Wachablösung, Jugendoffensive und keinerlei tiefstapeln
Manch einer mag es kaum glauben, aber Wales war bei zwei der letzten drei WM-Turnieren jeweils im Halbfinale und 2019 unterlag das Team von Warren Gatland nur mit mickrigen drei Zählern gegen den späteren Weltmeister Südafrika und auch 2011 verlor das Team nur mit einem einzigen Zähler im Halbfinale gegen Frankreich.
Nach zwei Seuchenjahren mit schwachen Ergebnissen auf dem Rasen und Chaos abseits des Platzes sind die Erwartungen an das Team von Gatland, der nach dreijähriger Abstinenz erneut Trainer des Teams ist, nahezu null. Mit Rekord-Nationalspieler Alun Wyn Jones, Rhys Webb und Justin Tipuric haben drei Legenden des walisischen Rugby zum Start der Vorbereitung die Rugbystiefel an den Nagel gehängt - bzw. wurden herauskomplimentiert, je nachdem wessen Lesart man akzeptiert.
In jedem Fall wird diese WM ein Neustart für Wales sein und Coach Gatland glaubt daran, dass sein Team „etwas Besonderes“ bei dieser WM erreichen könne. Wenn man die letzte WM als Maßstab nimmt, wäre dies der Finaleinzug - im übrigen der erste überhaupt. Aber nach Platz fünf bei den Six Nations und Pleiten gegen Georgien und Italien zuletzt scheint dies nicht wirklich realistisch zu sein.
Das Gesicht des Generationenwechsels: Scarlets Verbinder Sam Costellow gehört die Zukunft auf der Zehn
In jedem Fall erhalten gleich drei Spieler ihren ersten Einsatz für Wales: Max Llewellyn, Corey Domachowski und Keiron Assiratti. Dazu startet mit Sam Costellow die neue walisische Hoffnung auf der Zehn. Der Scarlets-Verbinder ist ein blitzschneller und blutjunger Spielmacher, der zumindest in diesem Spiel den Vorzug vor dem zwölf Jahre älteren Dan Biggar erhält.
Was die Waliser bei diesem World Cup von der Konkurrenz hervorheben soll, ist die Fitness. Dem Vernehmen nach haben die Waliser brutale Wochen in der Vorbereitung hinter sich. Darunter ein Höhentrainingslager in der Schweiz, bei dem die Spieler im Juli auf 2.200 Metern ackerten.
In der Gruppe gegen Australien, Fidschi, Georgien und Portugal ist Wales ironischer die große Unbekannte. Vom Gruppensieg, bis zum ersten Ausscheiden seit 2007 ist alles drin. So oder so - die Jugend ist in Wales nun am Zug.