Den Nachwuchs fördern, aber wie - da herrscht zwischen den verschiedenen Klubs in der Liga nicht immer Einigkeit. Foto (c) Kessler
Rugby-Deutschland muss die Nachwuchsförderung verbessern und die nachkommenden Talente sollen mehr Einsatzchancen erhalten. Darüber herrscht in der ovalen Community fast Einhelligkeit, nur besteht die Frage, wie man dies am besten erreichen kann. Der TSV Handschuhsheim hat zuletzt im Rugby-Bundesligaausschuss (TR berichtete über die Ergebnisse) einen Vorschlag gemacht, der auf viel Zustimmung getroffen ist. Wir haben uns diesen genauer angeschaut und ihm mit dem bisherigen Kriterium, sowie der französischen JIFF-Regelung verglichen.
Bisher in der Spielordnung festgelegt: Minimum 10 für Deutschland spielberechtigte Spieler im 22er-Kader
Die bisherige Formel in der Bundesliga war einfach, eindeutig und stellte bisher für keinen Klub ein Problem dar. In jedem 22er-Kader mussten an jedem Spieltag mindestens zehn Spieler sein, die im Sinne der World-Rugby-Kriterien für Deutschland spielberechtigt sind.
Die Hürde war also bisher nicht sonderlich hoch und zum Kriterium zählen also auch Spieler, die durch Verlegung Ihres Wohnsitzes (drei bzw. nach dem Stichtag 31.12. 2020 fünf Jahre mit Wohnsitz in Deutschland) ihre Spielberechtigung für Deutschland erlangten, sowie ausländische Spieler mit deutschen Vorfahren. Ob ein Spieler vom jeweiligen Verein ausgebildet wurde, ist dabei völlig irrelevant.
Das ist definitiv im Sinne der deutschen Nationalteams, hat diese Regelung doch in der Vergangenheit Spieler nach Deutschland gelockt, die ein Interesse hatten für Deutschland aufzulaufen.
Jedoch hilft diese Regelung den Nachwuchsspielern eines Vereins jedoch überhaupt nicht Spielzeit zu erlangen, wenn sich diese beispielsweise auch gegen angeworbene Spieler von anderen deutschen Vereinen durchsetzen müssen. Bisher zählten darüber hinaus auch Spieler zur Quote, die wie Jaco Otto ihr Rugby-Handwerk im Ausland erlernt haben, aber als Erwachsene nach Deutschland kamen.
Handschuhsheimer Modell: Punktesystem beschränkt Einsatz von angeworbenen Spielern
Im Rugby-Bundesligaausschuss am vergangenen Samstag fand ein Vorschlag des TSV Handschuhsheim breite Zustimmung, der diese Regelung reformieren würde und über den im November beim DRT entschieden werden dürfte.
Dieser gewährt jedem Bundesliga-Team pro Spieltag einen Punktewert, der nicht überschritten werden darf. Pro Start-XV beträgt der Wert 15 Zähler und pro Kader 25. Konkret wird jedem Spieler, je nach dessen Rugby-Ausbildung ein Punktewert beigemessen, der dann addiert wird, was wiederum wie folgt aussehen würde:
- Eigengewächse, die Ihr Jugendrugby beim jeweiligen Verein oder überwiegend dort gespielt haben, sowie Spieler, die im Erwachsenenbereich erstmals Rugby bei diesem Verein gespielt haben zählen 0 Punkte
- Deutsche Spieler, die ihr ovales Handwerk bei einem anderen Verein gelernt haben und zu ihrem jetzigen Klub gewechselt sind, zählen 1 Punkt
- Ausländische Spieler oder solche, die ihr Rugby im Ausland erlernt haben, selbst wenn diese für die deutsche Rugby-Nationalmannschaft spielberechtigt sind, zählen 2 Punkte
In der Praxis könnten Bundesliga-Teams nur noch dann ausländische Spieler auflaufen lassen, sofern sie gleichzeitig selbst ausgebildete Spieler aufbieten. Denn bereits ein Kader mit 15 in Deutschland ausgebildeten Spielern in der Startaufstellung würde eine Punktzahl von 15 erreichen, was die höchstzulässige Zahl ist.
Das würde den Wert von Eigengewächsen in jedem Fall massiv erhöhen und Bundesliga-Coaches dazu zwingen, diese auch einzusetzen, selbst wenn eine vermeintlich bessere Alternative parat steht. Selbst 1880-Mäzen Ulrich Byszio, dessen Verein sowohl in Spitzen-Personal, aber besonders auch im Nachwuchs-Bereich investiert, sprach sich im Plenum am Wochenende für diesen Vorschlag aus, da die vom Verein ausgedildeten so deutlich mehr Einsatzchancen erhielten.
Langfristig dürfte man, sofern diese Regelung tatsächlich beim DRT beschlossen und zur Rückrunde implementiert wird, mehr junge Spieler auf den Plätzen der Bundesliga sehen, was wiederum mittel- bis langfristig auch den Nationalteams zu Gute kommen sollte.
Gleichwohl ist schon jetzt abzusehen, dass zahlreiche Bundesligisten erhebliche Probleme hätten, dieses Kriterium zu erfüllen. Selbst die Initiatoren vom TSV Handschuhsheim räumen freimütig ein, dass es für die Löwen in der vorigen Saison nicht immer gereicht hätte. Eine Übergangsfrist könnte hierbei Abhilfe schaffen, könnte das Problem aber auf die lange Bank schieben.
Dazu könnte es einerseits bei der Dokumentation und Nachweispflicht Probleme geben und es könnten sich auch Streitfälle ergeben - beispielsweise wenn Spieler bereits im Jugendbereich den Verein wechseln, wegen eines Umzug, sofern nur ein Verein einen Nachwuchsspieler als Eigengewächs verbuchen darf.
Zu guter letzt sollte auch bedacht werden, ob eine solche Regelung das Niveau der Rugby-Bundsliga zumindest zeitweise senkt. Diese Kritik ist von zwei Bundesliga-Teams hinter vorgehaltener Hand zu hören - immerhin würde es diese Regelung schwerer machen, ausländische Profi-Spieler einzusetzen.
Das französische Modell in den Profiligen
In Frankreich hat sich die sogenannte JIFF-Regelung in den letzten Jahren als großer Erfolg entpuppt. Dieses Kriterium müssen alle Profivereine in Frankreich an jedem Spieltag erfüllen und dabei eine gewisse Anzahl von Spielern aufstellen, die als JIFF (joueurs issus des filières de formation - in etwa: in Frankreich ausgebildet) gelten.
Die Quote wurde von anfangs 40% schrittweise auf über 60% erhöht, was de facto 14 Spieler in jedem 23er-Kader bedeutet. Dabei gelten beispielsweise auch einige deutsche Legionäre, wie Eric Marks und Chris Hilsenbeck als JIFF-Spieler, da sie mehr als drei Jahre als Unter-21-Jährige in Frankreich aktiv waren - Oskar Rixen wird bald ebenso als JIFF-Spieler gelten und für die französischen Top-Klubs noch einmal wertvoller.
Für Frankreichs Nationalteam war diese Regelung ein Segen, wie man an den Ergebnissen der XV de France, sowie an denen der U20 sehen kann, die zuletzt den dritten WM-Titel in Folge holte. Gleichwohl ist der Konkurrenzkampf um Talente noch einmal stärker geworden.
Die Ergebnisse sind natürlich nur bedingt auf die deutsche Situation übertragbar. Aber wenn man sich lediglich zum Ziel setzen möchte, in Deutschland ausgebildeten Spielern bessere Chancen auf Einsatzzeiten zu ermöglichen, wäre ein deutsches JIFF-Äquivalent durchaus eine Erwägung wert.
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