TR-Interview mit Fabian Heimpel: Highlights, Freunde und Enttäuschungen
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 30. Juni 2023
Nach fast 15 Jahren Wolfpack beendet Fabian Heimpel seine Karriere. Foto (c) Perlich
Über anderthalb Jahrzehnte hinweg war Fabian eines, wenn nicht sogar das prägende Gesicht der Siebener-Nationalmannschaft. Doch die Zeit im Wolfpack endet für den 32-Jährigen nach einer langen Karriere mit vielen Höhepunkten. Im TR-Interview verrät der Heidelberger die Beweggründe für sein Karriereaus, spricht über die Highlights seiner Laufbahn und erklärt, wie es für ihn in Sachen Rugby weitergeht.
TotalRugby.de: Hallo Fabs, zunächst einmal vielen Dank dafür, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Vielleicht direkt vorneweg, wie war es für dich am Wochenende den Jungs bei den European Games in Krakau zuzuschauen? Sicherlich nicht ganz so einfach…
Fabian Heimpel: Es war sicher nicht einfach zuzuschauen. Ehrlich gesagt war es schon eine große Enttäuschung nicht dabei gewesen zu sein. Aber so ist der Leistungssport, am Ende ist es eine Entscheidung des Trainers und die akzeptiere ich natürlich, obwohl ich natürlich unbedingt spielen wollte. Stattdessen bin ich mit meiner Familie an den Bodensee gefahren, was mir sicherlich ganz gut getan hat.
TR:Du hattest zuletzt ja mit Verletzungen zu kämpfen, die dich ein wenig zurückgeworfen haben, nachdem du über deine Karriere hinweg weitestgehend verschont geblieben bist.
FH: 2023 war mit Sicherheit nicht mein Jahr. Ich bin schwer in Gang gekommen und hatte nicht immer den allerbesten Stand beim Trainer. Dazu kam halt, dass ich nicht mehr ganz das Trainingspensum gehen konnte, was beispielsweise ein Sportsoldat gehen kann, sei es wegen dem Beruf oder der Familie. Dann war das Thema Regeneration ein Problem und mein Körper hat nicht mehr funktioniert, wie ich mir das mit meinen eigenen Ansprüchen wünsche.
Zu all dem kam dann der Bandscheibenvorfall hinzu an zwei Stellen. Das ist sicherlich auch der Verschleiß über die Jahre, mit viel Krafttraining und bei dem ich sicherlich nicht der beweglichste war (lacht, Anmerkung der Redaktion). Das ist dann irgendwann auch die Summe aus 14 Jahren Leistungssport.
TR:Die Entscheidung deine Karriere zu beenden - ist diese nach und nach gereift, oder war das eher spontan?
FH: Gute Frage. Ich hatte ja die Chance nach der WM aufzuhören, wenn wir ehrlich sind. Das war sportlich ein absoluter Höhepunkt und ich wusste, dass es eigentlich nicht mehr viel besser werden kann. Ich habe aber auch gemerkt: Eigentlich bin ich noch gut in Form und habe weiterhin viel Spaß mit der Gruppe zu arbeiten. Das war dann irgendwo auch ausschlaggebend dahingehend weiterzumachen, das Siebener-Rugby noch so lange zu spielen, wie es geht. Nach der Karriere gibt es eine sehr sehr lange Zeit, in der man es nicht mehr machen kann, weswegen ich es schon noch ein wenig ausreizen wollte.
Aber es ist ja auch kein Geheimnis, dass Antonio Aguilar als Trainer ins Amt gegangen ist, um eine neue Generation, eine neue Mannschaft hervorzubringen mit Blick auf 2024 und vor allem 2028, die dann die deutschen Farben tragen soll. Da bin ich natürlich raus, ich bin kein Mann mehr für die Zukunft gewesen. Olympia 2024 hätte ich noch vielleicht geschafft und klar, im Hinterkopf, das war schon noch ein kleiner Traum von mir. Dazu ist es dann im Endeffekt nicht gekommen.
Schlussendlich ist die Entscheidung an sich recht kurzfristig gekommen. Am Mittwochmorgen wurde, und das ist eine eher untypische Situation, in der Gruppe verkündet, wer mit nach Krakau fährt. Da war mein Name nicht dabei und das hat mich schon getroffen. Danach war es sicherlich eine emotionale Reaktion, aber die war, dass es für mich dann an diesem Punkt auch nicht weitergeht. Trotzdem stehe ich voll dahinter. Es war enttäuschend und irgendwo ist es jetzt auch die richtige Zeit dafür.
TR:Also ist die Entscheidung über die Jahre hinweg gereift, aber die Nicht-Nominierung war dann der konkrete Auslöser?
FH: Genau.
TR:Mit Blick auf die Zeit nach der Karriere. Für manche Ex-Leistungssportler ist das Karriereende schwierig, sie fallen in ein Loch. Andere wiederum erleben das ganze als Befreiung. Auch wenn es noch dermaßen frisch ist - wie erlebst du diesen Moment?
FH: Auch weil es natürlich noch ganz frisch ist: bei mir überwiegt derzeit die Enttäuschung. Mehr und mehr ist es aber auch Erleichterung und die Motivation, dadurch dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Darauf freue ich mich auch. Und ganz ehrlich, da werden mir einige meiner älteren Teamkollegen zustimmen: Das Rugby mit Kind, Familie und Job unter einen Hut zu bringen ist mir zuletzt schwer gefallen.
„Derzeit überwiegt die Enttäuschung“
Gerade das mit dem Reisen - sagen wir, man hätte es auf die World Series geschafft und wäre bei zehn Turnieren rund um den Globus dabei gewesen, jedes Mal zwei Wochen weg von der Familie und dem Kind - diese Vorstellung ist sehr sehr weit weg gewesen und auch ein bisschen einschüchternd. Man will dann auch mehr Zeit mit der Familie haben und nicht mehr so viel weg sein.
Von daher ist es eine Entscheidung die richtig scheint, die in Stein gemeißelt ist und vor der ich mich auch ein wenig gedrückt habe. Ich hatte Chancen aufzuhören, auch wenn es mir durchweg Spaß gemacht hat. Was ich mir in jedem Fall immer gewünscht habe, ist diese Entscheidung aus freien Stücken zu treffen. Nicht, dass man auf dem Feld aufhört und aussieht wie ein alter Mann der nicht mehr hinterherkommt. Das habe ich glaube ich ganz gut hinbekommen, dass mir nicht andere sagen müssen „Fabs, es ist an der Zeit, man kann sich das nicht mehr anschauen“. Das waren Gedankengänge, die mir im Kopf romgeschwirrt sind.
TR:Über die gut anderthalb Jahrzehnte hinweg hast du ja auch viel erlebt, von den Hannover 7s bis zur WM. Was waren für dich einige der größten Highlights?
FH: Es gab für mich viele Highlights, natürlich die WM in Kapstadt letztes Jahr. Der EM-Titel 2019, den unsere Generation Spieler geholt hat und wenn ich ehrlich bin, es wird schwer den Titel in den nächsten Jahren noch einmal zu gewinnen. Hongkong ist auch etwas sehr sehr Besonderes und da bin ich froh es erlebt zu haben. Ich habe es auch immer jedem Siebener- und Rugby-Fan empfohlen: Erlebt einmal dieses Turnier, es ist der absolute Wahnsinn. Dann natürlich mein Start bei den Hannover 7s, damals unter Rainer Kumm als 18-Jähriger, völlig grün hinter den Ohren. Daheim zu spielen, vor einer großen Kulisse, das war natürlich etwas besonderes, genau wie bei den Oktoberfest 7s.
TR:Wie geht es bei dir mit dem Rugby weiter. Spielst du bei den Shox (Zweite Mannschaft der RGH) und die Teams in der Regionalliga müssen sich auf etwas gefasst machen?
FH: Ich werde erstmal die Siebener-Meisterschaft spielen und das wird für mich auch eine Art Abschluss sein. Ich werde aktiv Rugby zunächst nicht mehr spielen. Aus diesem professionellen Setup rauszugehen und jetzt in der Bundesliga zu spielen ist keine Option. Dafür müsste ich ebenso viel trainieren, auch um meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden und das kann ich auch nicht mehr leisten. Da geht es auch darum nicht der Versuchung zu unterliegen und im Endeffekt wieder doch mehr zu machen als geplant.
Aber ich will auf keinen Fall ausschließen, dass ich mal für die zweite Mannschaft auflaufen werde, einmal im Quartal, oder irgendwann für die alten Herren. Diese Regelmäßigkeit, diese Verpflichtungen mit vielen Wochenenden, das will ich erstmal mal nicht mehr haben.
TR:Aber als Trainer wirst du weiter aktiv sein?
FH: Genau, ich mache seit über zehn Jahren Jugendtraining bei der RGH und für mich ist es auch eine Art Verantwortung, dass ich mein Wissen weitergebe. Ich kann mir auch gut vorstellen meinem eigenen Sohn das Rugbyspiel beizubringen, auch wenn das natürlich noch weit weg ist. Er wird im November zwei Jahre alt, wird aber früh und viel mit dem Sport in Berührung kommen und da wird es von meiner Unterstützung nicht mangeln. Das hat mein Vater genauso gemacht und mir geholfen, wo er konnte.
Ich versuche das meinem eigenen Sohn mitzugeben, aber auch anderen Jugendspielern, denn der Nachwuchs ist in Deutschland das größte Problem. Da kommen, und ich habe da vor allem immer die RGH im Blick, nur noch wenige Spieler durch, die es auch ambitionierter betreiben wollen.
"Noch grün hinter den Ohren" - die Hannover 7s waren für Fabian Heimpel eines der ersten absoluten Highlights
TR:Du wirst also nicht der letzte Heimpel sein, den man auf dem Rugbyplatz sieht?
FH: Das ist nicht der Plan! Ich würde mich natürlich freuen, wenn die Tradition weitergeführt wird.
TR:Ein anderes Thema. Im Rugby lernt man ja auch immer viele Persönlichkeiten kennen und knüpft Verbindungen. Wie ist das bei dir?
FH: Die Verbindungen bleiben natürlich, ein Leben lang. Zum Beispiel Robert Haase, der ist jetzt seit zwei Jahren raus, aber wenn wir uns sehen, das bleibt immer herzlich. Oder auch Robert Hittel, Sebi Fromm wir freuen uns immer, wenn wir uns mal sehen und trinken gerne ein Bier zusammen.
Natürlich habe ich noch viele Wegbegleiter, die weiterhin spielen, wo der Kontakt dementsprechend sehr intensiv war und ist.
Aber auch der aktuelle spanische Trainer Paco Hernandez, mit ihm habe ich immer einen guten Kontakt gepflegt und mich mit ihm ausgetauscht. Seine Generation, die ja nicht ganz meine ist, deren Entwicklung fand ich immer sehr interessant. Das ist unglaublich spannend sich mit ihm zu unterhalten.
TR:Wohl kaum jemand kennt das Team besser als du und kann die gesamte Situation einschätzen. Du hast den Generationenwechsel bereits angesprochen. Wie siehst du die Perspektive für das Wolfpack, wohin kann sich die Mannschaft entwickeln?
FH: Das ist eine schwierige Frage und das hängt von einigen Dingen ab. Antonio soll diesen Umbruch vollziehen und das hat schleichend begonnen. Mit mir und Anjo sind schon die ersten aus dem Programm herausgefallen und werden ersetzt. Sollten jetzt noch weitere Routiniers aufhören wäre das schon eine sehr große Herausforderung.
Unsere Ergebnisse zuletzt haben irgendwo auch unser Leistungsvermögen widergespiegelt. Wenn man auf die World Series blickt und Olympia, das ist sehr sehr ambitioniert. In Europa sind wir nicht unter den Top drei - Irland, das Team GB und Frankreich sind uns weit enteilt. Spanien ist wieder weiter weg und dazu machen Portugal und Georgien auch gute Arbeit. Die anderen schlafen halt auch nicht und arbeiten hart. Wir haben zu wenig Nachwuchs, das ist unser Problem.
Die Mannschaft muss sich dazu noch finden und sie braucht einfach auch noch ein bisschen Zeit. Ich werde es mir als Fan sehr sehr interessiert anschauen.
TR:Was muss sich deiner Meinung nach tun mit Blick auf die Zukunft?
FH: Vor allem muss die Situation im Nachwuchsbereich besser werden. Bei den U18-Meisterschaften hat man einige riesengroße Spielgemeinschaften und dazu Frankfurt. Das ist zu wenig, da muss man mehr bieten. In diesem Alter muss mehr gespielt werden und das wird wichtig, wenn die nächste Generation höhere Ziele erreichen will. Denn viele Länder um uns herum machen im Nachwuchsbereich einen deutlich besseren Job.
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Einer von vielleicht fünf deutschen 7er Spielern die in der Worldseries hätten bestehen können. Hat viel Spaß gemacht Dir über die Jahre zuzuschauen und alles Gute für die Zeit nach dem Wolfpack!
Juni 30, 2023
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