Kommt der Heilsbringer zu spät: Robertson beendet Crusaders-Karriere mit Rekorden
Geschrieben von TotalRugby Team
Mittwoch, 28. Juni 2023
Gewohntes Bild: Robertson feiert einen weiteren Titel mit den Crusaders, es wird der vorerst letzte sein.
Scott Robertson übernimmt erst nach der kommenden Weltmeisterschaft das Ruder bei den All Blacks. Seine Vereinstrainerkarriere beendete der Head Coach der Crusaders mit zahlreichen Rekorden und dem siebten Super-Rugby-Titel in Serie für die Crusaders. Bei der WM wird noch der nicht immer erfolgreiche Ian Foster die All Blacks betreuen. Sollte Blondschopf Robertson danach auch als Trainer der All Blacks dermaßen erfolgreich sein wie im Verein, dann dürfte das Welt-Rugby eine neuerliche Phase der Dominanz der All Blacks erleben.
Nach 80 packenden Minuten Rugby mit unglaublich viel Spannung gab es im rein neuseeländischen Super-Rugby-Finale dann doch wieder altbekannte Bilder: Ein 48-jähriger Herr in Anzughose und Hemd wälzte sich nicht mehr ganz so elegant wie einst über den Rasen des FMG Stadiums von Hamilton, angefeuert von 23 in Rot gekleideten frischgebackenen Super-Rugby Champions, die ihren „Razor Ray“ feierten.
Die Rede ist von Scott Robertson, dem erfolgreichsten Trainer in der Geschichte von Super Rugby, der mit dem 25-20 Sieg seine Zeit als Trainer beim erfolgreichsten Klub des Wettbewerbs beendet - standesgemäß, wie bei allen bisherigen Titelgewinnen, mit einem Breakdance auf dem Rasen.
Robertson beendet seine Trainerkarriere als bester Coach aller Zeiten im Super Rugby
Seitdem der einstige Dritte-Reihe-Stürmer der Crusaders 2017 das Ruder beim Team aus Christchurch übernahm, gingen alle fünf ausgespielten Super-Rugby-Titel (2020 gab es nur eine regionale Variante, da die COVID-Reisebeschränkungen noch galten) an die Crusaders - Scott Robertson gilt als der Vater all dieser Erfolge, der dazu zahlreiche Talente wie Richie Mo’unga, Will Jordan oder Leicester Fainga’anuku zu All Blacks formte.
Selbst die soeben beendete Saison, in der die übermächtigen Crusaders zwischenzeitlich schwächelten und deshalb als Underdogs ins Endspiel gegen die Chiefs gingen, wurde am Ende zum Crusaders-Triumph. Neben den traditionellen Stärken des Über-Teams von der Südinsel Neuseelands, insbesondere den Standards und dem Sturmspiel, machte Robertson aus dem Team auch absolute Konterspezialisten.
Packendes Finale, altbekanntes Ergebnis: Die Crusaders bleiben das beste Team der Südhemisphäre
Die Bilanz seit 2017, als Robertson überraschend als Trainer eines Amateur-Teams zum Crusaders-Coach berufen wurde, ist überragend: 98 Siege, zwei Remis und nur 17 Niederlagen und damit eine 83% Siegquote, mehr als jeder andere Coach in der Geschichte des Wettbewerbs. Kein Wunder, dass Robertson seit Jahren als kommender Trainer der All Blacks gehandelt wurde.
Umso größer war bereits 2019 die Verwunderung darüber, dass Ian Foster nach der WM von der Rolle des Assistenten zum Chefcoach berufen wurde. Seitdem haben die Neuseeländer ihre Dominanz im World Rugby mehr oder minder eingebüßt. Zwar zählen sie noch immer zur absoluten Weltspitze, der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist aber längst verflogen.
The Final Dance: Robertson feierte einen weiteren Titel mit seinen Crusaders
Neuseelands Öffentlichkeit forderte die Berufung Robertsons
Als sich die ungewohnten Pleiten in den letzten beiden Jahren häuften, wurden die Rufe nach Robertson immer lauter. Nachdem der neuseeländische Verband die letzten Trainer allesamt aus dem bisherigen Trainerteam wählte, wurde im März bekannt, dass Robertson nach der WM 2023 Cheftrainer werden würde.
Einerseits wird Robertson damit nach dem Turnier ein frischer Start gewährt, andererseits ist der amtierende Trainer Ian Foster damit ein, wie man in den USA sagen würde, lame duck. Seine Tage als Coach sind gezählt und obwohl sich bei den All Blacks sicherlich niemand mit Blick auf Frankreich 2023 ausruhen wird, untergräbt diese Tatsache doch seine Autorität in gewisser Weise.
Für die Chancen des dreimaligen Weltmeisters auf einen vierten Titel sind das nicht unbedingt gute Voraussetzungen. Robertson kann sich all dies in den nächsten gut 100 Tagen in Ruhe von seinem Haus in Christchurch ansehen und Pläne für den nächsten WM-Zyklus machen. Sollte er mit dem Nationalteam nur ansatzweise so erfolgreich sein, wie mit seinen Crusaders, dürften die All Blacks zu altbekannter Dominanz zurückkehren.
Ein frommer Traum ewiger Schwelger
Er hat bei den Crusaders wirklich herausragendes geleistet. Auf dem Punkt zeigte das Team immerzu Killereigenschaften und war einfach nicht zu schlagen. Der Kader war für ein Vereinsteam allerdings auch nach der Ära Mccaw, Carter u. Co. jederzeit formidable und mit einer Dichte, an die bestenfalls noch Leinster heranschmecken konnte.
Dass die All Blacks, egal unter welchem Trainer, in den nächsten 10 Jahren zu altbekannter Dominanz zurückkehren, halte ich für völlig unrealistisch. Sollte Robertson einen Absturz aus den Top 4 der Welt verhindern können, dann wird er herausragendes leisten müssen. Wenn ich mir die Verblendung und Versäumnisse in der Verbandsspitze von NZL ansehe, dann verwundert nicht, dass im Nachwuchsbereich das einst schier unerschöpfliche Reservoir an sogenannten big guns inzwischen fast ausgetrocknet ist. Zudem sehe ich eine riesige Diskrepanz in der Mentalität der neuen Generationen mit der jenen in 110 Jahren von 1905-2015.
So sehr mein grosses schwarzes Herz auch blutet, dies schreiben zu müssen: Meine Prognose lautet, die AB's werden nach der WM (wo sie durchaus noch ein Wörtchen bei der Titelvergabe mitreden könnten) in nicht allzu ferner Zukunft Italien näher stehen, als Frankreich.
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> dass im Nachwuchsbereich das einst schier unerschöpfliche Reservoir an sogenannten big guns inzwischen fast ausgetrocknet ist.
Na ja, (nicht nur) die All Blacks gehen seit geraumer Zeit den Weg Spieler aus den Pazifik-Staaten abzugreifen und zu „re-naturalisieren“. Siehe Folau Fakatava. Oder Tuʻungafasi, Taukei'aho, Laulala, Shannon Frizell, Finau oder Fainga'anuku (auch das eine Ursache für Änderungen in der Mentalität).
Ich hege eh den Verdacht, dass dies die einzige „raison d’être“ von Moana Pasifika ist. Anders ist die Kader-Dauerrotation von Aaron Mauger nicht zu erklären.
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In diesem Zusammenhang auch interessant, was gerade für Ergebnisse bei der laufenden U20-WM so zustande kommen ... Gestern hat die Nordhemisphäre 6:0 Siege gegen die Südhemisphäre eingefahren.
U20-WM
Das fand ich auch bemerkenswert, dass es 6 europäische Siege gegen die nichteuropäischen Teams gab. Teils recht deutlich. Und Neuseeland höchstwahrscheinlich schon ausgeschieden.
@Pahl: Neuseeland ist nun mal ein Südpazifikstaat und ein Land mit einigermassen Perspektive in der Region. Die Sache sollte auch aus Sicht der Spieler von den der Moanainseln gesehen werden. Ist ein bisschen so wie die Deutschen Özil, Mussiala und wie die weiter heissen. Bin da nicht so sattelfest beim Fussball. Eine spannende Lektüre: Straight up von Ruby Tui (samoanisch/schottische Abstammung). Die Mentalität ist keine Sache der Herkunft, sondern der Persönlichkeit.
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Jetzt spielen tatsächlich Fidschi, Tonga, Samoa und Japan ein Turnier aus. Verrückte Rugby-Welt - hebt sportlich alle geographischen Gesetzmäßigkeiten auf …
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Herr Hase, der Pacific Nations Cup wird seit 2006 jährlich (Ausnahme Coronazeit) ausgetragen. Rekordsieger ist Fidschi 5x, vor Samoa 4x und Japan 3x. Dieses Jahr gewannen in der ersten Runde Fidschi (36:20 gg.Tonga) und Samoa (24:22 gg.Japan). Eine Reihe ehemaliger All Blacks und Wallabies waren auch dabei.
Betreffend eigentlichen Thema lag ich nicht falsch... U20-WM: NZL nur 7.Platz. Frankreich der Konkurrenz enteilt. Drei U20-WM Titel in Folge.
Und die All Blacks (Dank Co-Trainer Joe Schmidt?) nach aktuellen Eindruck tatsächlich ein WM-Titelkandidat. Aber nach der WM um die 10 Abgänge langjähriger Leistungsträger nach Europa und Japan. Das wird aufgrund der Nachwuchssorgen für den neuen Coach eine Herkulesaufgabe, NZL in der Weltspitze zu behaupten.
Mein Kommentar bezog sich auf einen vorherigen Kommentar, der sich wiederum auf einen meiner Kommentare bezog, in dem ich Japan sportlich der Südhemisphäre zugeordnet habe und ein Mitleser mich darauf hinwies, dass Japan geographisch doch der Nordhalbkugel zu zuordnen wäre. Mein jüngster Kommentar ist daher ironisch zu verstehen ;-)
Juli 26, 2023
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