TR-Update international: La Rochelle ringt Leinster erneut nieder, Frankreichs Liga dominiert
Geschrieben von TotalRugby Team
Dienstag, 23. Mai 2023
Wieder jubelte Gelb-Weiß im Europacup. Robert Mohrs Ex-Klub La Rochelle ist Europas bestes Vereinsteam. Foto (c) EPCR
Stade Rochelais gewinnt zum zweiten Mal in Folge den Heineken Champions Cup. Der in diesem Jahr um die südafrikanischen Top-Teams erweiterte europäische Spitzenwettbewerb erhielt ein würdiges Endspiel. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, unter anderem für die Anhänger von Leinster, die daheim auf den fünften Stern hofften und am Ende bitter enttäuscht wurden. Dafür jubelte der Anhang von Robert Mohrs Ex-Klubs ausgiebig.
Wohl kaum einer hätte noch einen Pfifferling auf die Chancen der Gäste gegeben, als Leinster-Hakler Dan Sheehan zum zweiten Mal nach nur elf Minuten im La-Rochelle-Malfeld einlief, Leinster mit bereits mit drei Versuchen und 17:0 führte und die Gäste nach einer Gelben in Unterzahl waren. Die französischen Titelverteidiger liefen jetzt nicht nur einem massiven Rückstand hinterher, sondern spielten auch noch gegen den Hexenkessel Aviva Stadium.
All dies beeinträchtigte das Nervenkostüm der Gäste aus dem Südwesten Frankreichs nicht, im Gegenteil. Die von Irland-Legende Ronan O’Gara gecoachten Rochelais machten das Spiel noch vor der Pause dank zweier verwandelter Versuche der beiden Innen eng - Frankreich Abrissbirne Danty und sein kongenialer samoanischer Partner Seuteni besorgten die Punkte.
Drama über 80 Minuten sowie einen würdigen Sieger gab es in Dublin zu sehen
In der Pausenansprache erklärte O’Gara seinen Männern, dass Leinster eine Neigung dazu habe, wichtige Spiele aus der Hand zu geben. O’Gara, selbst beim großen Leinster-Konkurrenten Munster zur Legende geworden, verlieh seinem Team den nötigen Mut. Bis neun Minuten vor dem Schlusspfiff kamen beide Teams nur via Kick zu Punkten.
So ging es mit einem hauchdünnen Vorsprung von sechs Punkten für Leinster in die Schlussphase. In dieser sorgte der eingewechselte Prop Georges-Henri Colombe mit der Brechstange für die Entscheidung. Leinster, das ausschließlich mit Irland-Nationalspielern startete, hatte es aus der Hand gegeben.
Die Dubliner machten sich noch einmal auf den Weg Richtung Gästemalfeld, kassierten aber nur wenige Meter vor dem erlösenden Versuch einen Platzverweis für Ex-Crusaders-Prop Michael Ala’alatoa, der für ein Cleanout gegen den Kopf eines Gegenspielers glatt Rot sah. La Rochelle hatte das Spiel erneut wie schon im Vorjahr im Heineken-Cup-Endspiel gedreht und dementsprechend euphorisch waren die Szenen am Hafen der mittelgroßen Stadt an der Atlantikküste bei der ausgiebigen Feier des Titels.
Frankreich-Dominanz im europäischen Rugby größer denn je
Da am Freitag-Abend bereits Toulon, derzeit nur Achter in der Top 14, gegen Glasgow den Challenge Cup gewonnen hatte, gehen zum dritten Mal in Serie beide Europacup-Trophäen an französische Teams. Soweit erlebt das französische Rugby derzeit einen Boom, der sich durch die WM im September noch einmal verstärken dürfte.
Schon jetzt verzeichnet die erste Liga Top 14 und das Unterhaus Pro D2 Rekord-Zuschauerzahlen, sowie hat den Luxus den bestdotierten TV-Vertrag im Welt-Rugby mit Canal + zu haben. Allein die 14 Top-14-Klubs erhalten pro Jahr fast 114 Millionen €, weswegen es zunehmend auch England-Stars auf die andere Seite des Kanals zieht.
Das zweite Cup-Finale am Freitag-Abend bot großartiges Rugby, aber wenig Spannung
Zac Mercer und Jack Willis spielen bereits in Frankreich als zwei der besten Dritte-Reihe-Stürmer Englands. Kommende Saison wechselt unter anderem England- und Quins-Innen Joe Marchant, Exeter-Außen Jack Nowell und Exeters-Achter Sam Simmonds nach Frankreich.
Sollte Englands Verband an der starren Nominierungsregel festhalten, werden all diese Kräfte beim WM-Turnier fehlen. Für das Mutterland sind das keine guten Nachrichten.
Genauso wird man sich im irischen Verband fragen, wie es um die WM-Chancen steht. Bis auf einige wenige Munster-, Ulster- und Connacht-Spieler stellt Leinster das irische Nationalteam. Im eigenen Wohnzimmer so vorgeführt zu werden, dürfte den Verantwortlichen beim Grand-Slam-Sieger nicht passen.
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La Rochelle zeigte Charakter und Klasse. Beeindruckend. Zum letzten Absatz: Ich habe mir das gleiche gedacht. Leinster stellt nahezu die Nationalmannschaft. Allerdings scheiterte der Club in den letzten beiden Jahren als haushoher Favorit sowohl in der Meisterschaft und im Europacup. Dabei liessen Club und Führunsspieler ein gewisses Mass an Überheblichkeit nicht vermissen. Mein Bauchgefühl sagt mir, am RWC wird im 1/4-Finale wieder Endstation sein, sofern man nicht schon in der Vorrunde SAF und Schottland vorbeiziehen lassen muss. Die Springbocks werden parat sein. Da bin ich mir ganz sicher. Und wenn in der KO-Runde Les Bleus oder All Blacks schnell Punkten, dann kann es wie schon vor 4 Jahren erneut eine böse Klatsche für die Iren setzen.
Es ist nicht nur Frankreich…
Man kann es positiv ausdrücken und auf den TV-Vertrag der Franzosen verweisen.
Ich befürchte aber, dass es auch viel mit den negativen Tendenzen in den anderen Rugby-Hochburgen zu tun hat. Schaut man sich die Spielerwechsel an, so scheint es derzeit nur zwei lukrative Ligen zu geben: die Top14 und die japanische Liga.
Selbst die URC, inklusive den südafrikanischen Teams oder Super Rugby Pacific vermögen es kaum die einheimischen Spieler zu halten – und wenn, dann vor allem Dank der Verknüpfung zwischen Liga und Berechtigung in der Nationalmannschaft zu spielen – so hüpfen einige Spieler zwischen den WMs für ein Jahr nach Japan um dort das Gehalt abzugreifen und danach nach Neuseeland oder Australien zurückzukehren.
Mir dünkt, dass Rugby finanzielle Probleme hat, von denen nur ein Bruchteil zu sehen ist. In Australien ist Rugby Union hinter AFL, NRL und A-League auf Platz 4 gerutscht, spielt in überdimensionierten und leeren Stadien und hat ein Nachwuchsproblem. In Neuseeland ist die Stadionauslastung bei Super Rugby und NPC auch eher meh. In der URC werden die Zuschauerzahlen schnell sehr mau, wenn es keine Derbys sind.
Zu Anton Segner: je nach Verletztensituation ist er derzeit Nummer 5 oder 6 als Flanker/No. 8. Sein Problem: rein vom Alter bietet sich keiner der Kollegen vor ihm für einen baldigen Abgang an: Sotutu 24, Choat 25, Papali’i 25, Ioane 27, Robinson 28. Der kommende Abgang von Coach Leon MacDonald mischt ggf. die Karten im Kader noch mal neu.
Mai 26, 2023
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