Die zweifelhafte Rolle der TV-Regie bei TMO-Entscheidungen
Geschrieben von TotalRugby Team
Dienstag, 11. April 2023
Im Rugby vertrauen die Unparteiischen seit über 15 Jahren auf den Video-Schiri.
Die Anwendung des TMO, also des Video-Schiris, ist im Rugby seit langem üblich und akzeptiert. Jedoch sorgen einige kontroverse Fälle nun für Diskussionen. Dabei geht es nicht um den TMO an sich, sondern um die TV-Regisseure, die ihn mit Bildern füttern. Im WM-Jahr droht mit dem Vorzeige-Turnier in Frankreich eine Kontroverse mehr.
Der Video-Schiedsrichter, im englischen Television Match Official oder kurz TMO genannt, dient eigentlich dazu, Rugby-Spiele bei den Profis fairer zu gestalten – immerhin geht es hier um Geld und Karrieren von Spielern, Coaches und Offiziellen. Eigentlich funktioniert das Prozedere im Rugby sehr gut und hat, anders als im Fußball, über 15 Jahre nach seiner Einführung einen guten Ruf bei Fans, Spielern und Verantwortlichen.
Das TMO-Protokoll, das den Umgang mit dem TV-Schiri vorschreibt, wurde immer wieder verfeinert. Bei strittigen, engen, oder spielentscheidenden Entscheidungen kann sich der TMO selbst beim Schiedsrichter über dessen Kopfhörer zu Wort melden, oder der Unparteiische auf dem Feld kann die Unterstützung des vierten Offiziellen im Kontrollraum anfordern. So weit, so gut. In letzter Zeit haben aber mehrere Fälle für kontroverse Diskussionen gesorgt.
Toulouse profitiert von Regie-Entscheidungen
Am Wochenende wurde im Champions-Cup-Viertelfinale ein vermeintlicher Vorpass von der Toulouser Stadion-Regie so oft gezeigt, bis genug Fans sich lauthals darüber beschwerten und der Unparteiische explizit danach fragte. In der 61. Minute hatte Sharks-Neuner Grant Williams zum 22-26 Anschluss-Versuch abgelegt und der Unparteiische hatte den Versuch bereits gegeben. Kirwin Bosch setzte zur einfachen Erhöhung vor den Stangen an, mit der es 24-26 gestanden hätte, doch die Regie zeigte drei Mal in Folge den vermeintlichen Vorpass wenige Phasen zuvor.
Der englische Unparteiische Karl Dickson unterbrach die Erhöhung im allerletzten Moment, denn im Anschluss wäre eine Revidierung der Entscheidung nicht mehr möglich gewesen. Der Versuch der Sharks wurde schlussendlich korrekterweise nicht gegeben. Jedoch war die Rolle der französischen TV-Regisseure, die für die Einspielung der TV-Bilder verantwortlich waren, im Anschluss Stoff für heftige Diskussionen.
Nicht zum ersten Mal wurde die Rolle der als besonders parteiisch geltenden Franzosen in den Kontrollräumen kritisiert. Mit Blick auf die WM in weniger als fünf Monaten dürfte auch bei den Entscheidern von World Rugby über dieses Phänomen nachgedacht werden – denn ein Skandal beim größten bisherigen Rugby World Cup kann sich WR in keinem Fall leisten. Jedoch betrifft es bei weitem nicht nur die Franzosen.
Irlands TV-Regisseure benachteiligten Frankreich bei den Six Nations
Beim Six-Nations-Heimspiel der Iren gegen Frankreich, das im Titelrennen bei den Six Nations entscheidend sein sollte, wurde ein Versuch von James Lowe im ersten Durchgang vom TMO kontrolliert. Die TV-Regie, verantwortlich für die Bilder, konnte partout die entscheidende Kamera-Perspektive nicht finden, in der man eindeutig sah, dass Lowes Fuß vor dem Ablegen des Balles im Aus war.
Der Versuch hätte nicht zählen dürfen - auch World Rugby korrigierte dies im Anschluss an das Irland-Frankreich Duell auf seinem Kanal
Erst rund zehn Minuten später wurde diese Szene in der Halbzeit-Analyse gezeigt, als der Versuch bereits gegeben war. Angesichts eines bis zur Pause sehr engen Spiels war dieser „Fauxpas“ der irischen Regie vielleicht sogar spielentscheidend. Zumindest entwerten solche Fälle die Rolle des TMO.
Darüber hinaus wird nun lautstark darüber nachgedacht, die TV-Bilder nicht auf den großen Stadion-Bildschirmen zu zeigen, um eine Beeinflussung der Unparteiischen zu vermeiden. Das würde aber auf Kosten der Transparenz für die Fans gehen, was gerade im Fußball Grund für heftige Kritik ist. So oder so: Eine Entwertung des TMO wäre für den Rugbysport ein Problem.