Tief tacklen ist eine Kunst, die bald wohl jeder Rugbyspieler beherrschen muss. Foto (c) Janus
Das Tackling ist das zentrale Element des Rugbysports. In England wagt die RFU die wohl größte Reform in der Geschichte unseres Sports (TR berichtete). Künftig darf im Amateurbereich nur noch unterhalb der Taille getacklet werden darf - das betrifft rund 99% aller Vereinsspieler im Mutterland. Die Änderung ist äußerst kontrovers und könnte Schule machen - wir haben Reaktionen in der deutschen Rugby-Community gesammelt.
Colin Grzanna (Ex-Nationalspieler Siebener und Fünfzehner, studierter Mediziner und Cheftrainer Athletik & Medizin bei Rugby Deutschland)
Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll, bin aber auf die Ergebnisse gespannt. Die RFU hat die Tackle-Höhe als einen Risikofaktor für den Tackler/ die Tacklerin identizifiert. Die Reduzieung der Tacklehöhe soll auch zu einer Risikoreduktion führen.
Der letzte Versuch in der 2. Liga in England wurde meines Wissens frühzeitig abgebrochen, weil es mehr Kopfverletzungen gab. Ich weiß daher ehrlich gesagt nicht, ob es diesmal unter dem Strich etwas bringen wird.
Mit seinem Rugby-Background, sowie seiner Erfahrung als Mediziner beschäftigt sich Colin Grzanna seit Jahren intensiv mit dem Thema Kopfverletzungen
Aus der RFU-Entscheidungsbegründung
"Evidence from studies has consistently demonstrated that higher contact on the ball-carrier and closer proximity of the ball-carrier and tacklers' heads are associated with larger head impacts (as measured by smart mouthguards) and an increased risk of concussion.“
Carlos Soteras Merz (Kapitän Siebener-Nationalmannschaft & Bundesligaspieler bei der RG Heidelberg)
Ich habe die Diskussion verfolgt. Prinzipiell finde ich, dass es einen Versuch Wert ist. Natürlich ist es eine riesige Veränderung und man kann es sich aktuell noch schwer vorstellen. Ich habe auch gelesen, dass der Entscheidung Studien zugrunde liegen.
Allerdings habe ich auch persönlich die Erfahrung gemacht, dass Gehirnerschütterungen bei tiefen Tackles passieren können, wenn bspw. der Kopf auf der falschen Seite ist. Es wird das Spiel definitiv verändern, aber wenn es der Sicherheit dienen kann, sollten wir es probieren, selbst wenn sich viele damit schwer tun dürften.
Man muss auch bedenken, dass der Faktor Risiko ein Problem ist, wenn es darum geht neue Spieler zu rekrutieren, gerade im Jugendbereich wegen der Sicherheitsbedenken.
Umberto Re (Ex-Profi in Italien als Innen und heute Trainer beim München RFC in der Bundesliga Süd/West)
Ich bin voll und ganz dabei, wenn um Sicherheit geht, mit dieser Regelung wird es aber eher schwierig.
Unter der Taille zu tacklen ist nicht in jeder Situation so einfach: Beim Pick & Go, wenn der Ballträger ganz tief in den Kontakt geht und so weiter.
Für die Unparteiischen wird das echt ein Albtraum. Für die Spieler, je nach deren Niveau, bedeutet es an der Technik zu arbeiten - hier finde ich es aber gut, weil viele auch in der ersten Bundesliga genau das brauchen.
Umberto Re spielte einst in der ersten italienischen Liga als Innendreiviertel und ist nun Trainer des München RFC
Würden die Regeln auch in Deutschland ab September eingeführt, gäbe es mindestens zehn rote Karte pro Spiel.
Wir können nur abwarten was in England passieren wird. Es wird sicher interessant, das genau zu beobachten. Bin ebenso gespannt, was in Sachen Ruck sauber machen jetzt passieren wird. In Deutschland und viele anderen Länder sind wir nicht bereits für so eine Änderung - hauptsächlich wegen der Technik, wie bereits erwähnt.
Trutz Böcker (Zweite-Reihe-Stürmer bei RT Münster in der 2. Bundesliga West)
Für größere Spieler dürfte es deutlich schwieriger werden mit dieser Regelung, aber ich sehe auch Probleme im Anfängerbereich - wenn man direkt bei den ersten Tacklings super tief gehen muss, ohne die 100-prozentige-Sicherheit zu haben. Es besteht die Gefahr, dass man als Anfänger die Situation falsch einschätzt und dann das Knie des Ballträgers abbekommt und sich dabei verletzt.
RT-Münster-Spieler Trutz Böcker ist mit 1,97m groß gewachsen und sieht niedrigere Tacklehöhe als Herausforderung
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