Ist er noch England-Trainer? Die Meldung von Eddie Jones Entlassung machte heute morgen die Runde.
Bei zwei der größten Rugby-Nationen überhaupt ging es zuletzt turbulent zu. Wales und England befinden sich in der sportlichen Krise und am heutigen Tag schien das Schicksal der Trainer Eddie Jones und Wayne Pivac besiegelt zu sein. Am Ende des Tages hat einer seinen Job, während der andere durch seinen Vorgänger ersetzt wurde. Update: Mittlerweile wurde England-Trainer Jones entlassen, siehe Update am Ende des Artikels.
Vor gut drei Jahren stand Warren Gatland das letzte mal als Trainer an der Seitenlinie eines Wales-Spiels. Es war das Duell mit seinem Geburtsland Neuseeland um Platz drei bei der WM in Tokio - es ging relativ deutlich an die All Blacks und doch verabschiedete sich Gatland nach drei Grand Sams und zwei Halbfinalspielen beim World Cup nicht nur erhobenen Hauptes aus dem Amt. Die Waliser trauerten Gatland förmlich hinterher.
Die Erwartungshaltung damals war, dass Gatland irgendwann Trainer eben jener All Blacks werden würde, denen er an diesem Tag unterlegen war. Nach zwölf Jahren als Wales-Trainer und zwei erfolgreichen Touren als Trainer der British und Irish Lions erschien es nur logisch, dass der Mann aus der Waikato-Region das Amt beim dreimaligen Weltmeister übernehmen würde. Zunächst übernahm der einstige All-Blacks-Hakler aber einen Job als Super-Rugby-Trainer in Neuseeland.
Doch bei den Chiefs wurde er nicht wirklich glücklich und nach einer Katastrophen-Saison nach oben herauskomplimentiert und als Manager von den direkten Traineraufgaben entbunden. Noch weniger zufrieden war man in Wales mit dem Nachfolger Gatlands, der ebenso aus Neuseeland stammte. Wayne Pivac wurde vom Scarlets-Coach zum Trainer des walisischen Nationalteams berufen.
Zurück an alter Wirkungsstätte: Warren Gatland ist wieder Wales-Trainer
Eigentlich eine logische Wahl: Pivac hatte das Team aus Llanelli mit attraktivem Rugby bis in das Pro-14-Endspiel gebracht und kannte das walisische Rugby nur zu gut. 34 Spiele später, von denen lediglich 13 gewonnen werden konnte und trotz eines Sieges bei den Six Nations 2021 ist Pivac seinen Job nun wieder los.
Besonders die Pleiten gegen Italien und Georgien dieses Jahr, jeweils in der heimischen Rugby-Festung von Cardiff, sowie „Formschwankungen des Teams“, wie es in der offiziellen Verlautbarung des walisischen Verbands hieß, waren die Sargnägel der Amtszeit Pivacs.
Dass nun ausgerechnet sein Vorgänger den Job übernimmt, überrascht durchaus viele. Denn Gatland wurde ebenso als Kandidat für den England-Job gehandelt, der ebenso vakant zu werden scheint. In Wales kennt Gatland die Strukturen nur zu gut und wird keine Einarbeitungszeit brauchen - die nur zehn Monate vor WM-Start sowieso schwierig geworden wäre.
Die Hoffnungen bei den Wales-Fans sind riesig, nachdem man zuletzt gegen zwei der Gruppengegner bei der WM nächstes Jahr verloren hatte. Gatlands Wikipedia-Eintrag wurde heute, vermutlich von einem Fan der Waliser, geändert. Als Geburtsname steht nun Warren „Retter des walisischen Rugby“ Gatland. Die Erwartungshaltung gegenüber Gatland könnte kaum größer sein.
Eddie Jones vor dem Aus als England-Trainer
Heute Morgen traf sich im RFU-Hauptquartier die Führungsriege des mächtigsten und reichsten Rugby-Verbands der Welt mit dem Trainer. Eddie Jones musste den mächtigen Bossen von England Rugby Rede und Antwort stehen bei der „Performance Review“. Denn trotz einer Siegquote von 74%, besser als alle England-Trainer zuvor, ist Jones zuletzt immer mehr in die Kritik geraten. Mit seiner barschen Art hat er sich zudem in den Medien kaum Freunde gemacht.
Kurz nach dem Leistungsgespräch machte in den sozialen Medien und auch auf einigen News-Webseiten die Nachricht von der Entlassung Jones die Runde. Während man aber nur drei Autostunden entfernt in Cardiff Nägel mit Köpfen machte und Warren Gatland zurück auf den Wales-Trainerstuhl positionierte, herrscht in London zwölf Stunden später keine Klarheit. Jones Zeit als England-Trainer scheint vorbei zu sein - es ist schwer vorstellbar, dass der als Machtmensch bekannte Australier sich nach dieser Demütigung noch einmal der Öffentlichkeit stellen wird.
Scheinbar hat man bei der RFU nicht vorgebaut und einen möglichen Ersatz kontaktiert, oder muss sich noch mit Jones über eine Abfindung einig werden - immerhin gilt der Coach des Vizeweltmeisters als bestbezahlter Rugby-Coach weltweit. Gatland, dessen Name in der letzten Woche mehrmals fiel, steht nun als Nachfolger nicht mehr zur Verfügung.
Leicester derzeitiger Trainer Steve Borthwick, der selbst vor zwei Jahren noch Teil des England-Trainerteams von Jones war, gilt aus aussichtsreichster Kandidat. England weniger als ein Jahr vor der WM zu übernehmen dürfte aber nicht unbedingt als besonders dankbare Aufgabe gelten. Sollte sich der ehemalige Zweite-Reihe-Stürmer dafür entscheiden, den Platz auf dem Schleudersitz einzunehmen, dürften Englands anspruchsvolle Fans kommendes Jahr bei der WM einiges erwarten.
+++ UPDATE 6.12. 18:00 Uhr +++
Am späten Nachmittag bestätigte Englands Verband RFU endgültig: Eddie Jones wurde als Trainer der englischen Nationalmannschaft entlassen. Interimsmäßig übernimmt Richard Cockerill - der 51-jährige Ex-England-Hakler war seit gut einem Jahr Sturmtrainer des Teams. Seine erfolgreichste Zeit erlebte der in Rugby geborene Cockerill bei den Leicester Tigers, die er als Trainer zwischen 2009 und 2017 zu Meisterschaften und Europacupsiegen führte.
Einen Cheftrainerposten im internationalen Rugby hatte er bisher noch nicht inne und zunächst soll Cockerill auch nur übergangsweise als England-Trainer fungieren. In den englischen Medien wird weiterhin der aktuelle Leicester-Trainer Steve Borthwick als aussichtsreichster Anwärter gehandelt. Bereits in 60 Tagen steht das erste Länderspiel unter Cockerill an - dann empfängt das Mutterland Schottland zum Calcutta Cup.
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