Künftig auch mit Rückennummern - ein kleines Detail, das große Diskussionen ausgelöst hat. Foto (c) RFU
Ist Rugby zu sehr fokussiert auf seine Traditionen und Bräuche? Würden dem Rugbysport ein wenig mehr Innovation und Elemente des Fußball oder Football gut tun? Zwei Meldungen aus dieser Woche sorgen für Diskussionen.
Wenn die Engländer kommende Woche beim ersten November-Länderspiel auf den heiligen Rasen des Londoner Twickenham Stadium auflaufen, dürfte dem einen oder anderen ovalen Traditionalisten nicht gefallen, was er zu sehen bekommen wird. Dabei geht es um ein eigentlich zu vernachlässigendes Detail, das jedoch Debatten auslösen dürfte.
Denn Englands Nationalspieler werden im November mit Rückennummern und Spielernamen auf dem Rücken auflaufen, als aktuell einziges Nationalteam der Welt. Schon einmal wurde um die Jahrtausendwende mit Namen auf den Trikots experimentiert, jedoch wurde dies damals nach Protesten schnell wieder verworfen.
Zumal im Rugby, anders als in Konkurrenz-Sportarten wie Fußball und American Football, die Start-XV von 1 bis 15 durchnummeriert werden muss, was feste Nummern für Spieler unmöglich macht - aber vielleicht steht auch das bald zur Debatte.
Spieler sollen mehr zu Stars und Idolen werden
RFU-Boss Sweeney klang in der offiziellen Verlautbarung des Verbandes fast schon euphorisch: „Wir freuen uns die Namen unserer Spieler auf den Trikots in allen vier Spielen diesen Herbst zeigen zu können!“ Man wolle die Weltklasse-Spieler des Vizeweltmeisters mehr ins Rampenlicht rücken und die Fans näher an ihre Stars bringen.
Dass dies bereits seit jeher möglich gewesen wäre, unterschlägt Sweeney dabei. Denn dass auf Rugby-Trikots nur die Nummern, aber nicht die Namen der Spieler stehen ist eher Brauch und Tradition und keinesfalls eine Regel. Oftmals wurde dieser Brauch damit erklärt, dass Rugby der ultimative Teamsport und keiner für Individualisten.
Ganz im Gegensatz zum Fußball, wo CR7 sowie RL9 zu Marken wurden und manch ein Spieler mit der Rückennummern wie der 66 (Liverpool-Star Trent Alexander-Arnold) aufläuft. Aber genau dies hatte sich England-Nationalspieler Lewis Ludlam kürzlich gewünscht. Bei BT Sport bedauerte er, dass jeder Tottenham-Fan in den Fanshop gehen könne und ein Trikot mit Harry Kanes neun erwerben könne, dies im Rugby aber nicht möglich sei.
Der Wunsch des Northampton-Flankers wurde nun Realität und obwohl diese kleine Maßnahme sicherlich keine großen Auswirkungen auf Trikot-Verkäufe, oder gar den kommerziellen Erfolg des Sports haben dürfte, bleibt doch die Frage: Hängt Rugby manchmal zu sehr an seinen Traditionen? Dass die Professionalisierung des Sports, 1995 noch heiß debattiert, in Retrospektive viel zu spät kam, ist heute beispielsweise Konsens.
Netflix-Doku à la Drive to Survive angekündigt
Eine Entwicklung hinter einer weiteren Meldung dieser Tage könnte tatsächlich mittelfristig zum kommerziellen Erfolg des Rugbysports beitragen. Unter der Woche wurde bestätigt, dass während den Six Nations 2023 eine Netflix-Doku nach dem Vorbild Drive to Survive gedreht werden soll und England sowie Wales den Filmemachern endlich auch Zugang zu ihren Kabinen und Trainingseinheiten geben werden - die anderen Nationen hatten bereits vorher ihre Zustimmung signalisiert und nun steht dem Projekt nichts mehr im Wege.
Das unglaublich erfolgreiche Vorbild Drive to Survive startete 2019 als Doku-Drama über die Formel 1 und umfasst mittlerweile vier Staffeln. Die Königsklasse im Motorsport hatte zuvor rund ein Jahrzehnt des schleichenden Niedergangs hinter sich. Die Pay-TV-Strategie von Ex-Boss Bernie Ecclestone sowie das Management von CVC Capital hatten zwar für Profite, aber einbrechende Quoten und sinkendes globales Interesse gesorgt.
Drama, Charaktere und Einblicke hinter die Kulissen: Das ist das Erfolgsrezept von Drive to Survive
2008 sahen im Schnitt 600 Millionen Menschen die F1-Grand-Prixs. Zehn Jahre später waren es nur noch halb so viele, obwohl die Weltbevölkerung in diesem Zeitraum um fast eine Milliarde gewachsen war. Ausgerechnet die Dokureihe auf Netflix, sowie eine erfolgreiche Digital-Strategie vom Besitzer Discovery Media konnte den Trend innerhalb von drei Jahren umkehren: Wachstumsraten von 50% Jahr für Jahr machten die F1 zum absoluten Boom-Sport.
Die Rugby-Doku auf Netflix soll noch vor der WM 2023 zu sehen sein, was vom Timing her kaum besser sein könnte. Das Six-Nations-Turnier 2023 allein sollte genügend Material und Drama für eine Dokureihe bringen und den Sport in viele Haushalten bringen, die sonst wenig bis gar nichts mit Rugby zu tun haben. Gerade die Art und Weise, wie Drive to Survive die Charaktere des Sports näher den Zuschauer bringt, trug zum Erfolg bei. Vielleicht ist dann künftig auch das England-Trikot mit der Nummer neun von Ben Youngs ein Verkaufsschlager.