Am vergangenen Samstag hätte das Jahr in der Rugby-Bundesliga mit dem Nachholspiel RG Heidelberg - RC Luxemburg enden sollen. Dennoch wollen wir noch einmal Bilanz ziehen nach einer Hinrunde, in der es viel Positives zu vermelden gab, aber auch einen schockierenden Skandal gab, der sich so hoffentlich nicht noch einmal wiederholen kann.
Die Jugendoffensive in der Bundesliga
Eine der erfreulichsten Nachrichten im Rugby-Herbst 2021 war, dass zahlreiche Bundesligisten blutjungen Spielern eine Chance gegeben haben und sich diese mit großartigen Leistungen bedankt haben. Quer durch die Liga zählten Teenager, oder solche, die noch immer für die U20 spielberechtig waren, zu den absoluten Leistungsträgern.
Gerade im Sturm ist dies alles andere als selbstverständlich, angesichts der körperlichen Voraussetzungen im Bundesliga-Alltag. Noch mehr Vereine sind aktuell gewillt dem Nachwuchs eine Chance zu geben, egal ob aus rein praktischen Erwägungen, oder aus Prinzip und das ist für das deutsche Rugby eine gute Nachricht.
Man denke nur an RGH-Verbinder Benedikt Spieß, seinen RGH-Hintermannschaftskollegen Nick Hittel, Pforzheim-Hakler Manuel Carrier, Hannover-78-Flanker Tobias Bauer, Löwen-Flanker Bennet Veil, Germania-List-Spielmacher Jon Caister, oder RK-03-Achter Felix Burisch. All diese Talente haben zuletzt auf dem Rasen in Deutschlands höchster Spielklasse Verantwortung übernommen und sich in sehr jungen Jahren in der Bundesliga etabliert. Wenn noch mehr Vereine in die Entwicklung ihres Nachwuchses investieren, statt mit Transfers aus dem Ausland kurzfristig sportliche Sprünge zu machen, wird das deutsche Rugby insgesamt davon profitieren.
Spannung im Süden – im Rennen um die Spitzen, sowie im Abstiegskampf
Gerade im Süden herrscht so viel Spannung, wie schon seit langer langer Zeit nicht mehr. Die drei Top-Teams im Süden – der TSV Handschuhsheim, der SC Frankfurt 1880 und SC Neuenheim – liefern sich einen faszinierenden Dreikampf, bei dem schon jedes Team Federn lassen musste. Frankfurt unterlag Handschuhsheim, die Löwen wiederum ihrem Erzrivalen Neuenheim, die wiederum gegen Frankfurt den Kürzeren zogen.
Wäre da nicht der SCN-Ausrutscher gegen den HRK gewesen, wären alle drei Teams nur zwei Zähler voneinander getrennt. Aber auch so hat der Sportclub noch immer die Chance auf einen der beiden begehrten Playoff-Ränge. Im Süd-Tabellenkeller geht es derweil noch spannender zu. Die fünftplatzierten Heusenstammer liegen lediglich vier Zähler vor dem Schlusslicht Pforzheim. Wer direkt absteigt und wer in die Relegation muss, ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig offen.
Im Norden ist es leider nicht dermaßen spannend. Auch wenn die Dominanz von Hannover 78 gegen Ende der Hinrunde ein wenig abzunehmen schien – die letzten Ergebnisse der 78er waren deutlich knapper – bleibt das Team vom schnellen Graben doch weiterhin das Maß aller Dinge. Der RK 03 Berlin, mit acht Zählern Rückstand und einem Spiel weniger auf dem Konto, bleibt der engste Verfolger.
Auch im Tabellenkeller geht es weitaus weniger aufregend zu: Mit dem Zwangsabstieg der Grizzlies bleibt einzig die Frage zu klären, wer in die Relegation muss und da scheint der VfR Döhren mit zehn Zählern Rückstand auf den HRC der erste Anwärter zu sein. Wenn die Hannoveraner es in der Winterpause nicht noch schaffen, das Ruder radikal rumzureißen, müssen sie im Sommer um den Klassenerhalt kämpfen.
Die Implosion der Berlin Grizzlies
Einen solchen Fall hatte es in der Rugby-Bundesliga noch nicht gegeben. Der Zusammenbruch der Berlin Grizzlies im laufenden Bundesliga-Betrieb hatte mehr mit einem Kriminalfall gemein, als mit einer Sport-Story. Die Grizzlies scheiterten am Ende an einem banalen Problem: Ihnen gingen die Spieler aus.
Ein Problem, das man theoretisch auch mit einer Verletztenmisere erklären konnte. Doch spätestens, als sich Grizzlies-Trainer Mike Jackson bei TR meldete und erklärte, was in den letzten Jahren hinter den Kulissen bei den Berlinern vor sich ging, war klar, dass es sich um weit mehr als nur Spielermangel handelte.
Dutzende Spieler wurden über die Jahre nach Berlin gelockt mit rosigen Versprechungen des Vereinsgründers Mick Schmidt, teils wenige Tage vor einem Spiel. Nur in den seltensten Fällen konnte oder wollte Schmidt diese auch halten. Mehr noch, zahlreiche Spieler wurden mehr oder minder betrogen und bekamen selbst rechtliche Schwierigkeiten. Mehr dazu gibt es in unserem ausführlichen Bericht dazu hier.
Für die Bundesliga ist dieser Fall schockierend, peinlich und eine Warnung zugleich. Grizzlies-Trainer Jackson zeigte sich im Nachgang selbst überrascht, wie man habe immer wieder Spieler Last Minute einfliegen und regulär mit Spielpass habe auflaufen lassen können. Die Mindestanzahl an für Deutschland spielberechtigten Spielern sei mehrfach unterschritten worden. Trainer-, sowie Schiedsrichter-Lizenzen und Jugendarbeit seien ebenso nie im geforderten Maß vorhanden gewesen – wie so etwas jahrelang toleriert wurde, gilt es aufzuklären.
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