Das DRV-Wolfpack hat bei den vier World-Series-Turnieren im Herbst die Chance zum Aushängeschild des deutschen Rugby zu werden. Foto (c) Perlich
Rekord-Einschaltquoten für die Siebener-Frauen in Tokio, viele Schlagzeilen über das Olympiasieger-Team aus Fidschi und das DRV-Wolfpack bei gleich vier World-Series-Turnieren bis Jahresende (TR berichtete). Die schnelle Variante, die hierzulande vor allem bei den Frauen weit verbreitet ist, wird für unseren Sport mehr und mehr zur Chance. Es gilt sie zu nutzen.
Ran.de berichtete, die Sächsische Zeitung, die Rheinische Post und auch die Potsdamer Neuesten Nachrichten - worum ging es? Frauen-Rugby! Ein Thema, das mit Blick auf die Klickzahlen auch von unseren Lesern leider oftmals gemieden wird. Doch nicht nur im Print, sondern auch im TV waren die kurzen Übertragungen der schnellen Rugby-Frauen aus Tokio ein Quoten-Magnet und schlugen am Donnerstag letzter Woche gar das gesamte restliche Olympia-Programm in der ARD.
Dem deutschen Sport-Fan ist Rugby also durchaus zuzumuten, zumal in der für Neulinge leichter verdaulichen Siebener-Variante. Je mehr Menschen hierzulande einmal das ovale Geschehen live zu sehen bekommen, desto mehr dürfte das unserem Sport Türen öffnen. Vorurteile, von denen es zuhauf gegenüber Rugby gibt - sei es, dass er nur von unfairen aufgepumpten Kleiderschränken gespielt werde, oder lediglich im Commonwealth verbreitet sei - können so sukzessive abgebaut werden.
Das (leider nicht immer passende) Narrativ vom besonders fairen Rugby-Sport löst damit langsam aber sicher das des unfairen Raufsports ab. Da kann man geradezu froh sein, dass im deutschen TV der Siebener-Wettbewerb aus Tokio und nicht etwa die Lions-Tour aus Kapstadt gezeigt wurde. Denn besonders die 80 Minuten am letzten Samstag im zweiten von drei Länderspielen waren alles, nur keine Werbung für unseren Sport (TR berichtete).
Lions-Verbinder Dan Biggar brachte es in 80 Minuten Rugby gegen die Springboks auf sage und schreibe drei Pässe. Lions-Außen Duan van der Merwe lief genau einen einzigen Meter mit dem Ball in der Hand während des gesamten Spiels - Innen Chris Harris machte bei drei Ballberührungen indes keinen einzigen Meter. Was an spielerischer Klasse fehlte, wurde derweil mit übermäßiger Brutalität und Unsportlichkeit ausgeglichen (TR berichtete).
Wolfpack vier Mal bei der World Series - die nächste große Gelegenheit?
Mit der Nachricht, dass unser DRV-Wolfpack auch bei den World-Series-Turnieren in Dubai (2-4 Dezember) und Kapstadt (10-12 Dezember) als Gast-Mannschaft antreten darf, könnte es bald sogar ein Novum geben: Eine deutsche Siebener-Nationalmannschaft im Free TV. Denn die Rechte an der Series hält momentan ProSieben Sat 1 und vor der Corona-Pandemie liefen die Spiele immerhin im Stream von ran.de.
Auch bei den Programm-Machern des Münchner Senders wird man vernommen haben, dass in der Spitze knapp drei Millionen Menschen einschalteten, als in Tokio Siebener gespielt wurde - diese Zahlen wurde über den Sportinformationsdienst und eine News-Seite der Branche verbreitet. Mit Beteiligung eines deutschen Teams vor jeweils über 50.000 Zuschauern in zwei der stimmungsvollsten Arenen der Rugby-Welt könnte es die World Series gar ins Hauptprogramm bei ProSieben Maxx schaffen.
Vor 50.000 Zuschauern im Sevens-Stadion von Dubai darf sich unser DRV-Wolfpack Anfang Dezember präsentieren
Für das deutsche Rugby wäre dies eine weitere Chance und das sollte man landauf und und landab auch so begreifen. Denn aktuell beäugen viele die Siebener-Variante noch immer als Rivalen fürs 15er oder gar als Problem. Wenn man die Kommentarspalten unter den Social-Media-Posts mit Rugby-Bezug von der Sportschau oder Eurosport durchforstete, fand man wiederholt Kommentare von Rugby-Fans, die dem Siebener attestierten „gar kein richtiges Rugby“ zu sein.
Ein Kommentator aus der Rugby-Hauptstadt Heidelberg mit Verbindungen zu gleich mehreren Bundesliga-Vereinen erklärte den Rugby-Novizen bei der Sportschau gar, dass Siebener so viel mit „richtigem Rugby“ zu tun habe, wie Tischtennis mit Tennis. Abstruser hätte man den Vergleich kaum ziehen können, angesichts der Tatsache, dass fast die gesamte All-Blacks-Hintermannschaft Siebener-Erfahrung hat, aber weder Novak Djokovic beim Tischtennis, noch Timo Boll beim Tennis gesichtet wurden.
Mit dieser Herangehensweise, die in vielen Vereinen in Deutschland verwurzelt zu sein scheint, wird man von der TV-Präsenz der olympischen Variante kaum profitieren können. Der olympische Status hat bei den öffentlichen Institutionen der Sportförderung für Chancen gesorgt und mit den Oktoberfest 7s (die nächstes Jahr zurückkehren werden) ein Rugby-Event der Extraklasse auf deutschem Boden beschert.
Rugby-Deutschland muss die Chance begreifen, die das olympische Siebener bietet. Die Community ist viel zu klein, um sich gegenseitig zu zerfleischen. Dazu könnte auch eine seit Jahren angedachte nationale Siebener-Serie sein, die ihre Krönung im Meisterschafts-Turnier findet. Denn anders als bei Tischtennis und Tennis sind alle Fähigkeiten, die ein Spieler im Siebener lernt, auch im Fünfzehner voll einsetzbar.
|