Am Wochenende steht der DRT in Heusenstamm an - Konflikte sind vorprogrammiert.
Leidgeprüfte Rugby-Fans hierzulande wissen schon: Wenn die Zeit der offenen Briefe gekommen ist, tritt das Sportliche wieder Mal in den Hintergrund. Es geht vermehrt um Personalien und persönliche Befindlichkeiten, weniger um den Rugbysport hierzulande und wie man ihn nach vorne bringt. Montag war wieder Mal so ein Tag und natürlich war das Timing des zu Wochenbeginn lancierten Schreibens so kurz vor dem DRT am Wochenende alles andere als Zufall.
Germania List, der TSV Handschuhsheim, die RG Heidelberg, Hannover 78, sowie der VfR Döhren und Victoria Linden zeigten sich in ihrem gemeinsamen Schreiben empört über die „kruden Äußerungen“ von DRV-Präsident Harald Hees in der Tischvorlage zum DRT. Genau eben jene Vereine, die sich bereits vor ziemlich genau einem Jahr beim letztjährigen DRT gegen die Lösung Sonderumlage, damals als Kompromiss vom RFC Augsburg ins Spiel gebracht und mit satter Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen, gesperrt hatten und seitdem kumuliert über 600 Mitglieder verloren haben.
Im offenen Schreiben wird unter anderem abgestritten, dass Germania List hinter der Feststellungsklage stünde, die versucht die Beschlüsse aus dem Vorjahr bezüglich der Sonderumlage für nichtig erklären zu lassen. Dabei belegen Dokumente, die TR vorliegen, dass sich Germania in dieser Sache von jenem Hannoveraner Anwalt vertreten lässt, der die Klage lanciert hat und dem Vernehmen nach auch für Rafael Pyrasch als Rechtsbeistand tätig ist.
Präsident Hees und Vize Schnellbach werden frontal angegriffen
In schon populistischem Ton werden Präsident Hees und Vize Michael Schnellbach darüber hinaus aufgefordert, dass sie „endlich ihrer Arbeit nachkommen“ sollten. An diesem Punkt ist man dann bereits weit über jegliche Gedanken der Fairness und die vielzitierten Werte des Rugby hinausgeschossen.
Jedoch erlangte das Schreiben öffentlichen Beifall von unerwarteter Stelle: Ausgerechnet Autorin Brenda Weinel, die als freie Journalistin bereits hinter der Berichterstattung des Spiegel / SWR stand, welche für dermaßen viel Unruhe sorgte - Sie urteilte öffentlich auf Facebook es sei „toll zu sehen“, wie die Vereine hier füreinander einstünden.
Sie hatte zuvor bereits eine persönliche Empfehlung für eine Meme-Seite auf dem sozialen Netzwerk Instagram ausgesprochen, die seit Wochen unter der Gürtellinie gegen Manuel Wilhelm, Wolfpack-Kapitän Carlos Soteras Merz, Rekordnationalspieler Alexander Widiker und auch TotalRugby schießt. Die Meme-Seite revanchierte sich mit einem Bild, auf dem Manuel Wilhelm von ihrem Rugby-Channel eins mit dem Baseball-Schläger übergezogen bekommt - mit der Botschaft „geh ins Gefängnis“. Das Bildchen sammelte immerhin ganze 15 Likes.
Ex-Adler-Kapitän Widiker wird ebenso zur Zielscheibe
Ex-Adler-Kapitän Alexander Widiker, der in seiner langen Karriere 58 Mal im Sturm für Deutschland auflief und sprichwörtlich die Knochen hinhielt, wird von eben jener Seite als geldgieriger Erpresser dargestellt, der sich persönlich bereichern wolle. Die Art und Weise, wie ein verdienter Nationalspieler vom Kaliber eines Alexander Widiker sich zuletzt nicht nur von dieser Seite durch den Dreck ziehen lassen musste, ist ein Armutszeugnis für das deutsche Rugby. Und zwar von „Kritikern“ die sich hinter der Anonymität des Internets und vermeintlichem Humor verstecken.
Nicht viele werden sich durch die 24 Seiten des Berichts der Ethik-Kommission arbeiten, wenn man doch die vermeintliche Wahrheit mit einem „lustigen“ Schaubildchen im Netz geliefert bekommt. Dabei hat die Ethik-Kommission um Henric Lewkowitz, sowie Rechtsanwalt Dr. Ulf Björner und Stefan Decker, Wirtschaftsprüfer und Experte für Wirtschaftskriminalität, den Zahlungsverkehr im fraglichen Fall genau unter die Lupe genommen.
Nicht nur konnte Widiker attestiert werden, sich nicht bereichert zu haben, im Gegenteil. Der Rekordnationalspieler der schwarzen Adler hat nachweislich aus eigenen Mitteln fast 5.000 € dazugelegt, um den auswärtigen Spielern und Trainern (darunter auch Rafael Pyrasch) eine komfortable Unterbringung in Heidelberg über eine Athletenwohnung zu ermöglichen.
Der Schaden ist angerichtet, auch wenn die Aufklärung andauert
Auch die weiteren vorgebrachten Vorwürfe stellten sich in den Augen des Ex-BRV-Vorsitzenden und Pressesprechers des RBB bisher als weitestgehend haltlos heraus - auch wenn Lewkowitz, sowie seine Berater durchaus Verbesserungen in einigen Bereichen anmahnen.
Jedoch erreicht all dies bei weitem nicht die Reichweite, wie die zunächst sehr öffentlich vorgebrachten Vorwürfe. Diese wurden mit anonymen Umschlägen in zahlreichen Briefkasten und über Bot-Accounts in den sozialen Medien weitergetragen. Die Rufschädigung der betroffenen Personen ist nun bereits Realität geworden.
Die Gräben im deutschen Rugby verlaufen aktuell tiefer denn je und am Ende hat niemand auch nur irgendwas gewonnen, egal was in den nächsten 48 Stunden auf dem DRT in Heusenstamm geschehen wird: Der große Verlierer in diesem Konflikt ist und bleibt das deutsche Rugby.
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