Bald wohl wieder im Adler-Trikot zu sehen: Raynor Parkinson. Foto (c) Perlich
2019 wechselte Raynor Parkinson überraschend vom deutschen Meister Frankfurt 1880 um im tiefen Südwesten Frankreichs eine neue Herausforderung zu suchen. Beim Rugby Club Narbonne spielt der Adler-Verbinder unter anderem an der Seite eines Ex-All-Blacks und will in den kommenden Wochen den Aufstieg in die Pro D2 klarmachen. Adler-Fans dürfen sich derweil Hoffnungen auf eine Rückkehr des 32-jährigen Scharfschützen vom Tee machen.
Als Raynor Parkinson Mitte September 2019 einen Anruf von einem Agenten aus Frankreich erhielt, wusste er zunächst nicht so richtig, was er von der Offerte seines Gesprächspartners halten solle. Der Rugby Club Narbonnais sei auf der Suche nach einem neuen Verbinder erläuterte ihm der Unbekannte am anderen Ende der Leitung.
Etwa 10 Monate zuvor habe er, der deutsch-südafrikanische Spielmacher, beim WM-Qualiturnier von Marseille einen positiven Eindruck bei den Scouts des Klubs hinterlassen. Nun wolle man ihn für den Pro-D2-Absteiger Narbonne verpflichten, der als ehemaliger Erstligist zurück zu alter Größe wolle.
Parkinson, wie er gestern im ausführlichen Gespräch mit TR erklärt, wusste zum Zeitpunkt des Anrufs rein gar nichts über den Traditionsklub mit 114-jähriger Geschichte in Frankreichs äußerstem Südwesten - jedoch wusste er, wer sich im französischen Rugby gut auskennt und ihm Auskunft geben würde.
Völlig neue Rugby-Kultur für Raynor Parkinson in Narbonne
So rief Parkinson Ex-Adler-Teammanager Robert Mohr an, der jahrelang selbst in Frankreich spielte und nun bei La Rochelle in der Akademie arbeitet. „Robert hat mir von der langen Tradition des Klubs erzählt, von den Fans, von der wunderschönen Region - das hat mir auf jeden Fall bei der Entscheidung geholfen“, so Parkinson zurückblickend.
Und so entschied sich Parkinson zum Start der Bundesliga-Saison in allerletzter Minute die Chance eines Profi-Vertrags wahrzunehmen, wenn auch zunächst nur für drei Monate als „Medical Joker“. Rückblickend zeigt sich Parkinson dankbar darüber, dass ihm seitens 1880 Frankfurt keine Steine in den Weg gelegt wurden.
Neue Rugby-Kultur und Herausforderung in Narbonne
Parkinson selbst überzeugte dermaßen, dass sein Arbeitspapier um zwei weitere Spielzeiten verlängert wurde. In Narbonne lernte Parkinson beim ehemaligen Top-14-Klub eine gänzlich andere Rugby-Kultur kennen. Besonders die fanatischen Fans beeindruckten den gebürtigen Johannesburger, auch wenn Parkinson pandemiebedingt nur einige Monate in den Genuss von Spielen vor Zuschauern gekommen ist.
Selbst in der jetzigen Lage werde man nach Auswärtsspielen und vor Heimspielen vom Anhang auf den Weg in den Teambus angefeuert, Teils mit Pyrotechnik im markanten Orange des RCN. Im momentanen Aufstiegskampf in der Ligue Nationale, der dritten landesweiten professionellen Spielklasse, kann Narbonne aktuell auch jede Unterstützung gebrauchen.
Aktuell Ausgesperrt und dennoch dabei: Die fanatischen Fans des RC Narbonne
Aufstiegskampf in der neugeschaffenen Ligue Nationale
Auf welchem Niveau auch in Frankreichs dritter Liga gespielt wird, die im Jahr 2020 oberhalb der Fédérale 1 und unterhalb der Pro D2 neu geschaffen wurde und laut Parkinson besonders physisch hart ist, zeigt der Blick auf den Narbonne-Kader: Einige Super-Rugby-erfahrene Akteure findet man da und mit David Smith sogar einen ehemaligen All Black, Barbarian und Heineken-Cup-Sieger mit Toulon.
Dass dies noch keine Garantie für den Aufstieg ist, zeigt ein Blick auf die Tabelle. Aktuell auf Rang vier rangierend, stünde Narbonne wenn alles so bliebe im Viertelfinale der Playoffs. Jedoch trennen die Orangenen nur fünf Zähler und damit ein Sieg von Nizza, dem Klub von Mika Tyumenev und Kurt Haupt. Zuletzt konnten Parkinson und Co. Nizza noch schlagen, müssen aber nun auf einen Stolperer des Teams von der Côte d’Azur hoffen.
Denn mit einem zweiten Platz würde sich das Team bereits sicher für das Heim-Halbfinale qualifizieren und da beide Nationale-Finalisten aufsteigen, bedürfte es nur noch eines einzigen Sieges. Doch wie so oft in diesen Tagen gibt es da noch den Stolperstein COVID. Einige Fälle im Team waren gleichbedeutend mit einem Trainingsstop und ob das Heimspiel stattfinden kann, steht noch nicht fest.
Aufstieg wäre die Krönung für den Adler-Verbinder
Für Parkinson persönlich wäre es die Krönung eines zweijährigen ovalen Abenteuers im rugbyverrückten Südwesten Frankreichs. Wie es in der kommenden Saison weitergeht, weiß Parkinson noch nicht zu 100 Prozent. „Ich bin im Gespräch mit Narbonne und einigen Klubs, unter anderem aber nicht nur in Frankreich“, so Parkinson.
„Es wird wohl mein letzter Profi-Vertrag, den ich als Spieler unterschreibe“, so die Prognose des 32-jährigen. Aktuell hat er in Narbonne genug Zeit, um sich Gedanken über seine Zukunft zu machen, die ihn irgendwann ins Trainergeschäft führen soll, vielleicht sogar in seinem Geburtsland Südafrika.
Denn noch immer gilt für die Region um Narbonne, wie in weiten Teilen Frankreichs eine Ausgangssperre nach 18 Uhr - außerdem haben weiterhin alle Geschäfte bis auf Supermärkte und Apotheken zu.
Worauf Parkinson in jedem Fall hofft, sind weitere Auftritte für die schwarzen Adler: „Ich bin noch immer im Kontakt mit einem Großteil der Mannschaft und natürlich bin ich immer daran interessiert für die Adler zu spielen.“ Es habe bereits Gespräche mit Coach Mark Kuhlmann gegeben und auch die möglichen Auswärtstouren nach Litauen und die Ukraine schrecken Parkinson nicht ab.
Für die Fans der schwarzen Adler sind dies gute Nachrichten. Der erfahrene Parkinson würde nicht nur als bombensicherer Kicker und Antreiber helfen, sondern auch als Mentor für eine junge Adler-Mannschaft, die Mark Kuhlmann gerade aufbaut.
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