Der Offload-König tritt ab: Sonny Bill Williams hängt die Rugby-Stiefel an den Nagel
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 12. März 2021
Sonny Bill Williams, hier bei den Hong Kong 7s, wird als einer der größten Rugger aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Foto (c) Perlich
Er war schon in den letzten Jahren seiner Karriere eine lebende Legende und der mit Abstand bekannteste Sportler in Ozeanien. Mit Sonny Bill Williams hat ein ganz Großer nun seine Rugby-Stiefel an den Nagel gehängt. Der 35-jährige war im Fünfzehner-Rugby, im Siebener-Rugby und im League erfolgreich, konnte im Boxen mit den Besten mithalten und war auch abseits des Feldes eine große Persönlichkeit. Die Pandemie hatte sein letztes ovales Abenteuer vorzeitig beendet.
Zwei Mal Rugby-Weltmeister mit den All Blacks, zweifacher Super-Rugby-Sieger mit den Chiefs, neuseeländischer Schwergewichtsmeister im Boxen, zweimaliger NRL-Sieger, Turniersieger auf der Sevens World Series und Olympionike - die Liste seiner Erfolge liest sich fast wie ein Buch und doch wird Sonny Bill Williams wohl vor allem für sein knallhartes Spiel und seine Wunder-Offloads in Erinnerung bleiben.
Sein Traum sei es immer gewesen eines Tages seiner Mutter ein Haus zu kaufen und diesen konnte er sich relativ schnell erfüllen, denn bereits als 17-jähriger wurde SBW von den Canterbury Bulldogs unter Vertrag genommen als jüngster Spieler jemals. Die Doggies sind eines der polarisierendsten Teams in der australischen NRL und Williams gnadenlose Spielweise und seine Shoulder Charges, damals im 13er-Rugby noch erlaubt, waren gefürchtet.
Bereits im Rugby League galt SBW der beste Spieler der Liga
Bereits als 18-jähriger feierte SBW mit Canterbury seinen ersten NRL-Titel und der frühe Reichtum und Rum bekamen dem einstmals schüchternen Sohn samoanischer Einwanderer nicht wirklich. Alkohol-Exzesse abseits des Feldes, im Rugby-League-verrückten Sydney nicht selten für NRL-Profis, aber bei SBW mehr noch in den Boulevard-Medien ausgeschlachtet, prägten die frühen Jahre seiner Karriere.
Unrühmlicher Höhepunkt war im Jahr 2007 eine intime Begegnung mit einer australischen Olympionikin in einer Pub-Toilette während eines Trinkgelages mit Teamkollegen an einem Sonntag. Diese wurde fotografiert und landete verpixelt auf der Titelseite Australiens größter Zeitung. SBW hatte nach eigener Aussage den Tiefpunkt erreicht.
Doch das darauffolgende Jahr wurde für ihn gleichzeitig zur Wende. Über seinen Freund, den australischen Boxer Anthony Mundine, fand er den Weg zum Islam, der ihn aus seiner persönlichen Krise führte. Williams schwor dem Alkohol ab und wollte die für ihn toxische Umgebung in der NRL-Szene von Sydney verlassen, in der Alkohol-Skandale der Stars an der Tagesordnung sind.
Spielerisch war Williams Zeit seiner Karriere ein Superstar
Williams verließ Sydney über Nacht ohne seinen Klub zu informieren und heuerte bei den Galaktischen von Toulon im Union an. In Australien nahmen ihm viele diesen Schritt übel, doch Williams entwickelte sich zu einem noch besseren Athleten, wurde noch besessener im Training und schaffte es auf Anhieb auch im für ihn damals noch unbekannten 15er-Rugby zum Star.
Nach zwei Jahren in Toulon und einem Europacupfinaleinzug ging er in sein Heimatland Neuseeland zurück, wo er es als Crusaders-Profi erstmals in das Aufgebot der All Blacks schaffte. Schon damals war SBW der größte Name im Sport von Neuseeland und Australien. Der WM-Titel mit dem Nationalteam, seine zwischenzeitliche Rückkehr in die NRL und der dortige Titelgewinn mit den Roosters, sowie der zweite WM-Titel festigten seinen Ruf als größter Rugby-Spieler weltweit nur noch umso mehr.
Dass sich Williams auch charakterlich weiterentwickelt hatte, bewies er wieder und wieder. Mehrmals besuchte er persönlich Flüchtlingslager im Libanon und Jordanien, die voll mit Vertriebenen aus dem benachbarten Syrien waren. Williams sammelte Spenden im Namen der UNICEF. Nach dem gewonnen WM-Finale 2015 übergab Williams einem 14-jährigen Jungen, der euphorisch auf den Platz gestürmt war und von der Security rüde abgeführt wurde, seine WM-Medaille.
Charakterlich gereift zeigte sich SBW gegen Ende seiner Karriere, wie hier nach dem WM-Finale
Nach dem WM-Titel von London lief es sportlich nicht mehr dermaßen rund. 2016 schaffte er es in den Siebener-Kader Neuseelands für Olympia, riss sich aber tragischerweise im allerersten Spiel die Achillessehne. Bei der Tour der British and Irish Lions 2017 nach Neuseeland musste er im zweiten Spiel mit Rot vom Feld. Bei der WM 2019 kam Williams nur noch von der Bank, nachdem ihm Anton Lienert-Brown das Zwölfer-Trikot abgenommen hatte.
Noch einmal sollte er 2020 das große Abenteuer suchen. Das Toronto Wolfpack, eine kanadische Mannschaft (ohne einen Kanadier), die in der englischen Super League im 13er-Rugby mitspielte, finanziert von einem Australischen Milliardär, hatte Williams als bestbezahlten Rugby-Profi der Welt verpflichtet. Die Pandemie setzte dem ein schnelles Ende und Williams unterschrieb noch Mal für den Rest der Saison bei seinen Roosters in Sydney.
Mit Sonny Bill Williams geht einer der größten Rugby-Spieler jemals. Niemand hat derart viel Interesse auf sich gezogen, wie SBW in den 17 Jahren seiner Karriere. Anfangs noch kontrovers und bei vielen Fans unbeliebt, hat sich der mittlerweile dreifache Familienvater auch abseits des Platzes zu einem ganz Großen entwickelt. Sein Mythos wird definitiv weiterleben - auch wenn in 10 oder 15 Jahren jemand ein spektakuläres Offload aus dem Tackle setzt, wird der Vergleich mit SBW unweigerlich kommen.