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Nach Doppel-Rot und Horror-Verletzung: Wie kann man das Ruck sicherer machen?
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Freitag, 19. Februar 2021

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Glatt Rot gab es für dieses Clearout von Schottlands Fagerson.

Die Diskussionen um die Sicherheit im Rugby haben durch kontroverse Schiri-Entscheidungen, zwei rote Karten bei den Six Nations und eine absolute Horror-Verletzung neues Futter bekommen. Wir beleuchten das Thema genauer und haben uns auch mit zwei Top-Schiris aus der Bundesliga darüber unterhalten, wie sie die Entscheidungen sehen und wie das Ruck sicherer gemacht werden könnte.

Rugby wird schneller und härter, die Spieler im Profi-Bereich Jahr für Jahr fitter und als Resultat werden die Kollisionen brutaler. Dennoch finden sich immer wieder Kommentatoren, die der Meinung sind, Rugby verweichliche zunehmend - darunter Ex-Profis, aber auch zahlreiche Fans in den sozialen Medien. Die Rugby-Öffentlichkeit bei diesem Thema scheint gespalten.

Aber auch wenn World Rugby seit Jahren Schritte unternimmt, um den Sport sicherer zu machen - am Ende bleiben diese Anstrengungen immer ein Balance-Akt zwischen Sicherheit einerseits und andererseits dem Wunsch, den physisch harten Charakter des Rugbysports zu erhalten.

Wohin soll sich Rugby entwickeln?

Wohl nur die wenigsten wünschen sich Rucking nach ganz alter Schule zurück, als man als Stürmerin oder Stürmer im Laufe der 80 Minuten mit 25-Millimeter-Stollen eine Landkarte auf den Rücken gezeichnet bekam. Gleiches gilt für Tip Tackles, bei denen der Getakelte auf dem Kopf landet, oder Tackles, bei denen der Gegner noch in der Luft ist. Schon kontroverser wird es bei der Null-Toleranz-Linie in Sachen Kontakt mit dem Kopf und der Art wie die Rucks zuletzt gepfiffen wurden.

Zwei rote Karten in den ersten beiden Runden der Six Nations, die so noch vor wenigen Jahren sicher nicht gegeben worden wären, haben diese Debatte zuletzt erneut angeheizt. Zum Turnier-Auftakt war der Ire Peter O’Mahony glatt vom Platz geflogen, als er Wales-Prop Tomas Francis beim Versuch das Ruck sauber zu machen, voll im Gesicht erwischte. Erst wollte Wayne Barnes weiterspielen lassen, doch der Video-Schiri überzeugte ihn vom Gegenteil.

Auch wenn Francis auf der falschen Seite des Rucks in ungewohnter Position gelegen hatte - die Konsequenz war Platzverweis für O’Mahony, der nur wenig Widerspruch aus der Öffentlichkeit nach sich zog. Immerhin war der Irland-Flanker mit voller Geschwindigkeit und unkontrolliert ins Ruck geflogen, was mindestens grob fahrlässig war.

Rot für Fagerson: Die Entscheidung gegen den Schottland-Prop war kontroverser als die gegen O'Mahony

Eine Woche später folgte der nächste Fall: Dieses Mal traf es Schottland-Prop Fagerson, der ebenso für ein gefährliches Clearout Rot sah. Im konkreten Fall reagierte Fagerson auf Wales-Prop Wyn Jones, der versuchte das Leder aus dem Offenen zu stibitzen. Der Schotte erwischte ihn im Gesicht, auch da Stuart Hogg Wyn Jones aus der Balance brachte, während sein Mitspieler auf das Ruck zusprintete.

Fagerson fand im Anschluss durchaus seine Fürsprecher, Teamkollege Hamish Watson nannte die Entscheidung auf der Pressekonferenz nach dem Spiel „grottenschlecht“. Gleichwohl fanden sich mindestens ebenso viele Experten, die die Rot-Entscheidung nachvollziehen konnten und unterstützten.

Bisher meist ungeahndet, aber dennoch gefährlich: Die Croc Roll

Sowohl Wyn Jones, als auch Thomas Francis, die beiden Opfer der mit Rot geahndeten Fouls, konnten ihre Spiele jeweils beenden. Keinerlei Sanktion gab es dagegen für Italiens Sebastian Negri, der im Spiel gegen England mit einem Clearout für eine schwere Verletzung.

Mit der sogenannten Croc Roll, einer Technik um gegnerische Spieler im Ruck von den Beinen zu holen, verletzte er Englands Jack Willis schwer. Bei der Croc Roll umgreift der das Ruck verteidigende Spieler den potenziellen Balldieb und rollt ihn zur Seite.

Dabei fiel Negri mit seinem gesamten Körpergewicht auf Willis Knie, der wohl einen Totalschaden erlitt und mehrere OPs braucht und sehr lange ausfallen wird. Negri entschuldigte sich direkt im Anschluss bei Willis. Doch auch dieser Fall ist kontrovers: Warum wird diese Technik, die in letzter Zeit zu vielen Verletzungen geführt hat, nicht sanktioniert.

Mit dem gesamten Körpergewicht fiel Negri auf Willis, dessen Knie gab nach

 

Wie kann man das Ruck sicherer machen?

Generell stellt sich die Frage wie man das Ruck sicherer machen kann. Dafür haben wir uns mit zwei der Top-Schiris im SDRV unterhalten - Martin Pertenais, in Berlin lebender Franzose, der in der Bundesliga pfeift und unter anderem schon bei den Oktoberfest 7s Schiedsrichter war. Sowie mit Jonathan Teppler, Südafrikaner, der in Nürnberg lebt und ebenso regelmäßig Bundesliga pfeift.

Zur Croc Roll:

Pertenais: „Für mich liegt das Thema zu 100 Prozent in den Händen von World Rugby. Die Croc Roll wird toleriert selbst wenn sie nicht zu 100 Prozent legal ist meiner Meinung nach. Wenn World Rugby klar sagen würde jede Croc Roll wird bestraft, dann würden Teams aufhören das zu trainieren und zu machen.“

Teppler: „Die Croc Roll ist ein interessanter Fall. Rein nach den Regeln ist sie legal, aber dennoch gefährlich in meinen Augen. Nur mit guter Technik kann sie sicher ausgeführt werden (genauso wie ein Prop gute Technik fürs Gedränge braucht).“

Zu den roten Karten und der Sicherheit von Rucks

Teppler: „Es gibt im Rugby keinen Platz für Aktionen, die jemandem langfristig schaden können. Die beiden roten Karten mussten so gegeben werden und bis wir den Spielern bessere Technik beibringen, werden wir mehr solche Platzverweise sehen. Solche Szenen helfen dem Rugby nicht weiter zu wachsen und müssen verhindert werden.

Generell sollten wir zurück zu dem was das Ruck eigentlich Mal war. Deswegen gefällt mir der deutsche Begriff offenes Gedränge auch so sehr. Das Ruck sollte wie ein Gedränge funktionieren, wo man den Gegner wegschiebt und so den Ball sichert. Wenn Spieler aus 15 Metern mit Anlauf ins Ruck donnern, müssen diese Spielweisen überdacht werden. Die Regel ist aber bereits klar, Spieler müssen auf ihren Beinen bleiben - wenn man mit Anlauf heranschießt, ist die Wahrscheinlichkeit nicht auf den Beinen zu bleiben sehr hoch.“

Pertenais: „Die Regeln sind klar und deutlich und brauchen meiner Meinung nach keine Änderung. Es ist in der Verantwortung der Trainer und Spieler sie richtig umzusetzen. Solange Spieler mit Geschwindigkeit und dem ganzen Gewicht in Rucks reinballern, ohne irgend eine Kontrolle, oder sich erstmal zu binden, werden wir böse Verletzungen sehen und noch schlimmer langfristige Konzequenz für die Spieler.

Das ist für mich die Hauptsache. Natürlich könnten (sollten?) Schiris das konsequenter pfeifen. Wären die beiden Aktionen gepfiffen worden, falls es keinen Kontakt mit dem Kopf gegeben hätte? Wahrscheinlich leider nicht, obwohl es genauso Foulspiel wäre (keine Rote aber mindestens ein Straftritt). Dann müssten wir aber erstmal jedes Ruck abpfeifen, was keiner will.“

„Die Regeln sind für mich klar, werden nur teilweise nicht gänzlich angewendet. Wenn man im Regelbuch die Definition eines Rucks sieht und die Abbildung dazu - wann hat man das letzte Mal ein Ruck gesehen, das so aussah? Ich habe es noch nie! Der Weg nach vorne ist eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Refs und den Trainern, um die richtige/bessere Herangehensweise zu lehren.

Das kann es klappen mit einer strengeren Art zu pfeifen. Ja, es würde mehr Straftritte für ein paar Monate geben, aber langfristig sollte es klappen. Wie bei Tip-Tackles: Sie wurden toleriert bis vor ein paar Jahren und jetzt ist das mindestens gelbe Karte. Es hat gedauert, aber mittlerweile finden es alle normal und hinterfragen die Karte nicht mehr.“

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