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Die englische Premiership wird zur geschlossenen Gesellschaft
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 16. Februar 2021

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Die Premiership gilt bisher als wohl spannendste Rugby-Liga der Welt.

Englands ovale Eliteklasse gilt als die vielleicht attraktivste Rugby-Liga der Welt. Die Premiership-Klubs haben nicht nur die größten England-Talente in ihren Reihen, sondern auch zahlreiche internationale Superstars. Dabei ist in der aktuell zwölf Teams umfassenden Liga nicht nur der Kampf um die Spitze hochspannend. Anders als beispielsweise in der Pro 14 bleibt es auch am anderen Ende der Tabelle spannend, wenn es um den Abstieg geht. Doch genau dies wird künftig nicht mehr der Fall sein, da die Vereine sich einheitlich für eine Aussetzung des Abstiegs ausgesprochen haben. Das dürfte sich negativ auf die Attraktivität der Liga auswirken und mittelfristig auch dem englischen Nationalteam schaden.

Für PR-Experten gilt es als der perfekte Zeitpunkt, um unangenehme Nachrichten zu „beerdigen“ - Freitag Abends, am besten noch bevor ein anderes Großereignis ansteht, auf das sich die Öffentlichkeit konzentriert. Die US-Regierung des ehemaligen Präsidenten Donald Trump hatte daraus quasi eine Kunst gemacht, indem sie pünktlich spät am Freitag Abend kurz vor oder genau zu Redaktionsschluss mit für sie unangenehmen Nachrichten aus der Deckung kam.

Kritische Bundesstaatsanwälte, die plötzlich nach Ermittlungen gegen Trump-Vertraute „freiwillig“ zurückgetreten waren, Begnadigungen von Trump-Vertrauten und ehemaligen Geschäftspartnern, oder auch die Einreisesperre für muslimische Länder, in den USA „muslim ban“ genannt - all dies geschah ausnahmslos jeweils an einem Freitag-Abend.

Vorigen Freitag konnte man diese PR-Taktik im Rugby-Kontext sehen. Die versammelte Rugby-Journalistenschar war, wie die Fans des ovalen Leders auch, in Erwartung eines großen Six-Nations-Wochenendes (alles zu diesem hier). Die nächsten 48 Stunden würde sich im ovalen Universum alles um die drei Spiele beim wichtigsten Turnier außerhalb einer WM drehen.

Vierjähriges Abstiegsmoratorium mit Beginn in der laufenden Saison

Da kam am frühen Abend die Meldung über die Ticker, dass der englische Ligaverband ein vierjähriges „Moratorium“ in Sachen Abstieg aus dem englischen Oberhaus beschlossen habe. De facto wird die englische Premiership damit zur geschlossenen Gesellschaft - einen einzigen Aufsteiger werde man aber noch akzeptieren, hieß es. Dass dies die Saracens sein werden, die nach einem Zwangsabstieg letztes Jahr vor einer Saison Zweitliga-Rugby stehen, dürfte mittlerweile ebenso klar sein.

Jubel bei Englands Klub-Verantwortlichen am Freitag: Der Klassenerhalt ist sicher, obwohl nur die Hälfte der Saison gespielt wurde

Während einer laufenden Saison, in der fast die Hälfte der geplanten Spiele schon absolviert sind, die Spielregeln grundlegend zu frisieren, wirkt amateurhaft - zumal in einer Liga, die zuletzt stark gewachsen war und zusammengerechnet jährlich Umsätze im dreistelligen Pfund-Millionenbereich macht. Wie so vieles in diesen Tagen, sei der Schritt durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie notwendig geworden.

Natürlich wurden die Klubs der Premiership durch den Ausschluss der Zuschauer einer wichtiger Einnahmequelle beraubt. Doch dies gilt genauso sehr für so ziemliche jede andere Sportliga der Welt - den Abstieg abzuschaffen, dürfte aber eine weltweit einmalige Reaktion sein. Zumal die Premiership seit ihrem Beginn vor 34 Jahren an der Spitze der englischen Liga-Pyramide stand und nicht wie die Pro 14 direkt als geschlossene Gesellschaft von geschaffenen Teams geschaffen wurde.

Der wichtigste Beweggrund dürfte vielmehr darin liegen, dass sich einige Vereine in Erwartung von künftigen Reichtümern zuletzt finanziell verhoben haben.

Der CVC-Investment-Deal wird zum Bumerang

Ende 2018 hatten die Premiership-Klubs einen Teil ihrer kommerziellen Rechte an einen Investment-Fonds veräußert, der Teil des luxemburgischen Finanzimperiums CVC ist. Für eine Zahlung von etwas mehr als 200 Millionen Pfund sicherte sich die Finanzfirma 30% der künftigen kommerziellen Einnahmen der Liga - das reicht von jeglichen Sponsoringeinnahmen, über einen entsprechenden Anteil an der Fünf-Millionen-Strafe, die Saracens für ihre Vergehen bei der Gehaltsobergrenze entrichten mussten, bis hin zu den TV-Geldern.

Diese machen natürlich den größten Batzen aus und die Hoffnung der Klubs vor dem Deal lautete: Die TV-Gelder werden weiter wie gewohnt sprudeln und das starke Wachstum wird den künftigen Anteil von CVC abdecken. Wenn die Einnahmen um mehr als 30% steigen, macht es keinen Unterschied, ob CVC fast ein Drittel davon abzwackt und man hat auf einmal sehr viel liquide Mittel zur Verfügung, um in neue Spieler zu investieren.

Als die Welt noch in Ordnung war: Volle Ränge, frisches CVC-Geld und die Aussicht auf mehr TV-Einnahmen - die Premiership Anno 2019

Das taten dann tatsächlich auch viele Vereine und rüsteten ihre Teams personell auf. Selbst Abstiegskandidaten, wie die Liga-Rückkehrer London Irish, verpflichteten im Sommer 2019 Stars mit großen Namen - unter anderem All-Blacks-Außen Waisaki Naholo und Irland-Flanker Sean O’Brien. Das Wettrüsten sorgte sportlich für ein Feuerwerk, sollte aber nur ein knappes Jahr später finanziell zum Bumerang werden.

Aus den erhofften massiven Einnahmesteigerungen im Pay-TV-Bereich wurde nämlich nichts. Zunächst lehnte der Ligaverband ein Angebot von BT Sport (vergleichbar mit Magenta Sport von der deutschen Telekom) zur Verlängerung zu bestehenden Konditionen ab, musste aber im Zuge der Corona-Krise doch auf eben jenes Angebot eingehen, da sich keine lukrativeren Alternativen boten. Für die Klubs bedeutete dies de facto ein Minus von satten 30%, der ihnen von BT regelmäßig überwiesen wird - genau der Betrag, den CVC von den gesamten TV-Einnahmen abzweigen darf.

Das brachte viele Klubs in finanzielle Schwierigkeiten, mehr noch als die Ausfälle im Zuschauerbereich. Seit Wochen kursierten deshalb Gerüchte, laut denen man bei der Premiership den Abstieg „aussetzen“ wolle. Schon vergangene Woche machten die Leicester Tigers Schlagzeilen, als der Rekordmeister die vorzeitige Vertragsauflösung mit mehreren Profis verkündeten.

Leidet die Attraktivität der Liga?

Bereits dies wurde von Liga-Beobachtern als Fingerzeig verstanden, dass die momentan auf Rang neun von zwölf Teams stehenden Tigers wohl keine Sorge mehr vor dem Abstieg haben müssten. Bereits in der Vorsaison, als durch den Zwangsabstieg der Saracens aufgrund ihres Gehaltsskandals (TR berichtete) niemand auf dem regulären Weg runter in die Championship musste, nutzten dies einige Klubs, um mit blutjungen Spielern einige Partien quasi abzuschenken.

Genau dies ist jetzt die Befürchtung, auch vom TV-Rechteinhaber BT Sport, für den uninteressante Spiele, bei denen es um nichts mehr geht, einen geringeren Wert haben. Die Attraktivität der Liga insgesamt dürfte jedenfalls darunter leiden. Auch wenn der eine oder andere junge englische Spieler so eine unerwartete Chance auf Premiership-Niveau erhalten dürfte, wird der Effekt für den Nachwuchs des Vizeweltmeisters unter dem Strich doch negativ sein.

Denn die zweitklassige Championship wird so noch weiter entwertet. Der Verband RFU hatte bereits letztes Jahr im Zuge seiner drastischen Sparmaßnahmen die Förderung pro Championship-Klub von einer knappen halben Million Pfund nahezu halbiert. Ohne Perspektive auf einen Premiership-Aufstieg und damit lukrative TV-Gelder, dürften sich weniger Investoren für die verlustträchtige zweite Liga finden, in der Gehälter gezahlt werden müssen, sich die Einnahmen aber in engen Grenzen halten.

Für viele junge Talente, die nicht direkt den Sprung aus dem Premiership-Akademien in die Profi-Kader schafften, war die Championship bisher ein zweites Sprungbrett. England-Nationalspieler wie Luke Cowan Dickie (via Cornish Pirates), Harry Williams (Nottingham & Jersey), oder Alex Lozowski (Leeds Carnegie), aber auch Wales-Prop Thomas Francis und Schottland-Achter Gary Graham gingen diesen Weg.

Während Frankreich in dieser Saison mit der Ligue Nationale gerade die dritte Profi-Liga aus dem Boden gestampft hat und damit 44 komplett professionelle Klubs hat, beschränkt sich England freiwillig auf 13. Mittel- bis langfristig dürfte sich dieser Kahlschlag an der Basis auch in der Spitze auswirken und den Talentpool für Englands Nationalmannschaft verkleinern.

Für die Klubs, die diese Entscheidung schlussendlich getroffen haben, war sie nur logisch. Um ein englisches Sprichwort leicht abgewandelt zu bedienen: Würde die Gans für Weinachten stimmen, wenn sie die Wahl hätte? Für die Klubs könnte die Abschaffung ein Pyrrhussieg sein, denn langfristig drohen weitaus größere Verluste, als aktuell.

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