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TR-Vorschau Six Nations: Frankreich tritt in Dublin an, England will Wiedergutmachung
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 11. Februar 2021

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Titelverteidiger England muss gegen Italien Wiedergutmachung betreiben. Foto (c) Kessler

Six Nations der zweite Spieltag, an dem sich herauskristallisieren dürfte, wer in diesem Jahr im Titelrennen mitmischt. Irland braucht im Spitzenspiel am Sonntag fast schon einen Sieg, um noch ein Wort im Titelrennen mitzureden. Im keltischen Duell Schottland-Wales wird der Sieger plötzlich zu den Titelfavoriten zählen. England dagegen muss im Auftaktspiel am Samstag Wiedergutmachung betreiben und trifft mit Italien auf das richtige Team.

Die Ausgangslage vor dem zweiten Spieltag

Rang Team Spiele Siege Punkte Differenz
1. Frankreich 1 1 5 40
2. Wales 1 1 4 5
3. Schottland
1 0 4 5
4. Irland 1 0 1 -5
5. England 1 0 1 -5
6. Italien 1 0 0 -40

England - Italien
Samstag 13. Februar 15:15 Uhr, Twickenham Stadium London (Live bei DAZN)

Das englische Mantra vor dem Duell mit den Azzurri heißt Wiedergutmachung. Selten musste eine England-XV dermaßen viel Kritik nach einer knappen Six-Nations-Pleite einstecken, wie nach dem Schottland-Spiel am letzten Samstag. Zwar stand nach 80 Minuten im leeren Rugby HQ „nur“ ein 6-11 auf der Anzeigetafel, aber das spiegelt das Spiel nur bedingt wider. „Schottland hätte hier mit 30 Punkten gewinnen können“, hatte Ex-Weltmeister-Coach und TV-Experte Sir Clive Woodward den knapp neun Millionen Zuschauer im britischen TV nach dem Spiel erklärt.

England war extrem undiszipliniert, wurde an den Kontaktpunkten von den Schotten überwältigt und zeigte sich über die gesamte Dauer des Spiels völlig konzept- und ideenlos. Coach Eddie Jones, der normalerweise nicht mit Kritik an anderen spart, gab sich selbst die Schuld und erklärte, dass er sein Team nicht richtig eingestellt habe. Nun gilt es also für das England-Team eine Reaktion zu zeigen - wann gäbe es eine bessere Chance, als gegen die Italiener, welche noch nie gegen England gewinnen konnten.

Vom Personal her kann Jones keine großen Änderungen vornehmen. Er muss auf Spieler zurückgreifen, die bereits im 28er-Turnier-Kader sind. Diese sind in einer „COVID-Blase“ von der Außenwelt abgekapselt und werden regelmäßig getestet. Erst in der kommenden Pause nach dem Italien-Spiel können größere Änderungen vorgenommen werden, da ein freies Wochenende ansteht. Also muss Jones darauf hoffen, dass seine Jungs unter Druck besser reagieren als gegen Schottland.    

So bleiben die Saracens-Profis, die allesamt wohl auch aufgrund mangelnder Spielpraxis gegen Schottland unterirdisch waren, im Kader. Jones Aufstellung lässt einen erneut sehr konservativen Spielplan vermuten, denn mit sechs Stürmern auf der Bank und Courtney Lawes auf der Sechs, einem Zweiten-Reihe-Stürmer, will Jones Italien überwältigen und nicht ausspielen. Dabei helfen dürfte die Rückkehr von Kyle Sinckler (Sperre nach verbalem Aussetzer) und Mako Vunipola (war verletzt), die zusammen mit Luke Cowan Dickie eine kraftvolle erste Sturmreihe bilden.

Beide Kontrahenten trafen letzten November in Rom aufeinander - mit dem besseren Ende für England

Die Doppel-Spielmacherachse Ford Farrell feiert derweil ein Comeback. Diesem Wechsel fällt nun aber ausgerechnet Innen Ollie Lawrence zum Opfer, der gegen Schottland sein Six-Nations-Debüt auf der Zwölf gegeben hatte. Der Worcester-Profi bekam schlicht keinerlei Bälle und fliegt nun gänzlich aus dem Kader. Die restliche Hintermannschaft bleibt unverändert, auch die gegen Schottland schwachen Daly, May und Youngs bleiben in der Start-XV.

Paolo Odogwu, der Sensations-Außen der Wasps, erhält auch gegen Italien keine Chance sich zu beweisen. Eigentlich hätte Odogwu auch für das Land seines Vaters auflaufen können - doch anstatt für die Azzurri gegen England zu spielen, ließ sich Odogwu davon überzeugen für England zu spielen. Nun wird er am Samstag auf der Tribüne zusehen.

Einen leichten Beigeschmack hat dies schon, kommt doch das Gefühl auf, dass Odogwu nur in den Trainingskader berufen wurde um nicht gegen England zu spielen. Wenn er nämlich gegen das mit Abstand schwächste Team im Turnier vergeblich auf einen Einsatz wartet, wann soll dieser dann kommen?

Italien kommt Samstag mit wenig Erwartungen und keinerlei Druck ins eisige Twickenham, wo Temperaturen um den Gefrierpunkt erwartet werden. Dass die jungen Azzurri zumindest phasenweise mit England mithalten können, haben sie im Herbst gezeigt, als das letztjährige Turnier mit reichlich Verspätung beendet wurde. Damals lagen die Italiener zur Halbzeit nur 5-10 hinten, obwohl England um den Turniersieg spielte.

Kyle Sinckler kehrt nach seiner Sperre zurück ins England-Team und bildet mit Mako Vunipola eine formidable erste Sturmreihe

Freilich folgte dann unter dem Strich nach 80 Minuten doch die 5-34 Pleite. Doch Italien konnte zumindest eine Halbzeit lang mit dem Vizeweltmeister mithalten. Wer sagt, dass dies gegen ein sicherlich verunsichertes Team nicht gelangen kann? Worauf sich die Gäste einstellen werden müssen, ist ein Bombardement mit Kicks. Sich von diesem Druck zu befreien, den Farrell und Ford auf Italien ausüben werden, ist ein Schlüssel um in dieser Partie überhaupt mitzuhalten.

Bei Italien kommt mit Carlo Canna und Andrea Lovotti wieder ein wenig mehr Erfahrung in den Spieltagskader, nachdem das Aufgebot gegen Frankreich eines der jüngsten in der Geschichte der Six Nations war. Varney und Garbisi bilden die Achse aus neun und zehn, Canna ist als erster Innen eher der Typ zweiter Spielmacher. Ignacio Brei, der gebürtige Argentinier, der erst für sein Geburtsland im Siebener auflief und dann über das sogenannte Olympia-Schlupfloch für Italien auflief, rückt auf 13.

Brex war gegen Frankreich mehrmals in der Defensive umkurvt worden und dürfte gegen Englands Slade einen schweren Stand haben, sofern England wirklich Mal den Ball durch die Hände wandern lässt. Im Sturm wird Flanker Jake Polledri weiterhin schmerzlich vermisst - der gebürtige Südafrikaner Johan Meyer wird ihn weiter vertreten.

TotalRugby-Prognose: Was ist diesem italienischen Team bei seinem Gastspiel in Twickenham zuzutrauen - vertraut man den Buchmachern, relativ wenig. Wenn man einen einzigen Euro auf einen Italien-Sieg setzt, bekommt man je nachdem 20 bis 25 als potenziellen Gewinn. Italien ist, auch weil sie noch nie gegen England gewonnen haben, der krasse Außenseiter. Die 50 kassierten Punkte gegen Frankreich werden wenig fürs italienische Selbstbewusstsein getan haben. Aber auch England geht mit angekratztem Selbstwertgefühl in diese Partie und steht unter Druck. Unter dem Strich dürfte besonders Englands Sturm mit der ersten Reihe zu stark für die Italiener sein. Doch das Ergebnis wird bei weitem nicht so deutlich, wie vor einer Woche - England siegt mit +19 Zählern.

Schottland - Wales
Samstag 13. Februar 17:45 Uhr, Murrayfield Edinburgh (Live bei DAZN)

Das Duell der beiden siegreichen Teams vom ersten Wochenende hat einen klaren Favoriten und es ist nicht der Grand-Slam-Sieger von 2019. Ein selbstbewusstes Schottland-Team empfängt im Eisschrank Murrayfield bei leichtem Frost eine walisische Mannschaft, die nicht nur mit viel Glück gegen Irland gewann, sondern auch von starken Verletzungssorgen geplagt ist.

Wohl selten hat Schottland eine taktisch derart reife Leistung gezeigt, wie in der Vorwoche gegen England. Das Team von Gregor Townsend hatte genau die richtige Balance aus taktisch klugen Kicks und Spielfreude gefunden, um erstmals nach fast vier Jahrzehnten in Twickenham zu triumphieren. Finn Russel beförderte das Leder des öfteren schnell auf seine Innen und Außen, während er und Schluss Stuart Hogg ebenso immer wieder brillante Kicks fabrizierten, die England in seiner eigenen 22 festnagelten. Einzig mit der Chancenverwertung wird man bei den Schotten unzufrieden sein.

Es gäbe also aus schottischer Sicht keinen Grund, am Gameplan oder dem Personal zu werkeln, könnte man meinen. Tatsächlich sind die drei Wechsel, die Coach Townsend für das Spiel im Murrayfield vornimmt, verletzungsbedingter Natur. Ausgerechnet der überragende Debütant Cameron Redpath, sowie Flanker Jamie Richie und Außen Sean Maitland müssen ersetzt werden. Blade Thomson auf der Sechs, James Lang auf Zwölf, sowie Darcy Graham auf Außen ersetzen das Trio.

Beide Teams trafen im Herbst in Wales aufeinander, mit dem besseren Ende für Schottland

Die wichtigen Kreativ-Stützen Stuart Hogg und Finn Russell bleiben erhalten. Speziell letzterer hatte trotz seines Aussetzers zur gelben Karte ein sehr gutes Spiel. Stuart Hogg war als Man of the Match über jeden Zweifel erhaben. Die Ausfälle ausgerechnet im Mittelfeld schmerzen dennoch - mit Cameron Redpath schien man endlich einen Dauer-Inhaber für das Zwölfer-Shirt gefunden zu haben.

Wales allerdings hat noch weitaus größere Personalsorgen: Aus der Start-XV der Vorwoche fallen Flanker Dan Lydiate, Neuner Tomos Williams, Innen Johnny Williams und die Außen Hallam Amos und George North allesamt aus. Immerhin kann Wales mit Liam Williams und Aaron Wainwright zwei Leistungsträger zurück im Team begrüßen. Wie sich dieses erneut durcheinandergewirbelte Wales-Team schlagen wird, kann niemand so recht prognostizieren.

Gegen die Iren hatte Wales gut begonnen, nach der Roten für Irlands O’Mahony dann aber fast eine Halbzeit lang unverständlicherweise ängstlich gespielt. Erst gegen Ende des Spiels konnte Wales die in Unterzahl spielenden Iren fortwährend unter Druck setzen, durch Versuche von George North und Louis Rees Zammit die Partie drehen, nur um dann in der absoluten Schlussphase fast das sicher geglaubte Spiel wieder aus der Hand zu geben.

TotalRugby-Prognose: Das Duell der beiden keltischen Nationen am Samstag-Abend verspricht ein richtungsweisendes zu werden. Schottland könnte mit einem Sieg erstmals seit 1999 wieder um den Titel bei den Six Nations mitspielen. Ein dermaßen starkes Schottland-Team hat es lange nicht mehr gegeben und mit zwei weiteren Heimspielen und nur einem Auswärtsspiel könnte das schottische Restprogramm nicht besser sein. Wales war die Schotten zuletzt nicht immer ein einfacher Gegner, aber das letzte Duell im Herbst in Wales ging an die Schotten. Aber auch Wales könnte mit einem Sieg die eigene Misere im Jahr 2020 endgültig abhaken. Es fehlen zahlreiche wichtige Akteure - aber immerhin ist mit Dan Biggar der Strippenzieher der Hintermannschaft und mit Rekordnationalspieler Alun Wyn Jones ist der gegen Irland aufsteigende zeigende Anführer im Sturm dabei. Es wird ein verdammt enges Spiel, aber wir sehen die Gastgeber hauchdünn vorne - Schottland gewinnt mit +3 Zählern.

Irland - Frankreich
Sonntag 14. Februar 16:00 Uhr, Landsdowne Road Dublin (Live bei DAZN)

Es ist das mistantizipierte Spiel an diesem zweiten Six-Nations-Wochenende des Jahres 2020. Die beiden Titelanwärter Irland und Frankreich im direkten Duell gegeneinander. Muss Irland seine Hoffnungen auf den ersten Titelgewinn seit dem Grand Slam von 2018 begraben, oder erfährt Frankreich den ersten richtigen Rückschlag auf dem Weg zum ersten Titel seit 2010?

Den ersten Schlagabtausch, wenn man ihn denn so nennen will, gab es bereits unter der Woche. Der erfahrene französische Sport-Neurologe Dr Jean-Francois Chermann, der Irland-Verbinder Johnny Sexton während dessen Zeit bei Racing eine Zwangspause aufgrund von Gehirnerschütterungen verordnet hatte, gab genau zu dem Thema ein Radio-Interview. Sexton habe schon 30 Gehirnerschütterungen über seine Karriere hinweg erlebt - damit insinuierte Chermann, dass es unverantwortlich sei Sexton spielen zu lassen.

Auch wenn im Irland-Camp Entrüstung über die Aussagen des Neurologen herrschte und sich Sexton selbst entsetzt zeigte: Der Irland-Verbinder steht nicht im Kader, nachdem er gegen Wales wegen einer Gehirnerschütterung ausgewechselt wurde. Damit kommt Billy Burns zu seinem ersten Start-XV-Einsatz bei den Six Nations, nachdem er letzte Woche zur tragischen Figur wurde. Er war es, der in der fünften Minute der Nachspielzeit einen Straftritt nicht ins Seitenaus kicken konnte und Wales damit den Sieg bescherte.

Er wird sich die Spielmacheraufgaben mit Jamison Gibson-Park teilen, nachdem auch Irlands regulärer Neuner Conor Murray mit einer Muskelverletzung kurzfristig ausfällt. Der gebürtige Neuseeländer gilt als der dynamischere Spieler, wenn auch nicht so taktisch versiert wie Murray. Dessen Verletzung bedeutet gleichzeitig, dass der 21-jährige Craig Casey wohl von der Bank zu seinem Debüt kommt.

Der mit 1,65 m Körpergröße wohl kleinste Profi-Rugger weltweit, spielt bei Munster erst seine allererste richtige Profi-Saison und ist, wenig überraschend, äußerst wendig und pfeilschnell. Mit Antoine Dupont bzw. Baptiste Serin wird es der Neuling aber mit sehr erfahrenen Gegenspielern zu tun bekommen, die jeweils mit allen Wassern gewaschen und ihm körperlich überlegen sind.

Mit 1,65 m der wohl kleinste Profi-Rugger und ab Sonntag irischer Nationalspieler: Craig Casey

Sonst gibt es im Irland-Kader wenig große Überraschungen. Henshaw und Ringrose bilden eine formidable Innen-Kombination. Earles und Lowe bleiben die Außen, Hugo Keenan ist weiter auf Schluss und auf der Bank wartet Larmour auf seinen Einsatz. Rhys Ruddock ersetzt den für drei Spiele gesperrten Peter O’Mahony auf der Flanker-Position. James Ryan wird auf der zweiten Reihe schmerzlich vermisst, doch mit Ian Henderson haben die Iren guten Ersatz parat.

Bei den Iren stellt sich die Frage, inwiefern das Team nach der Energieleistung von Cardiff, mit fast 70 Minuten in Unterzahl, fit ist. Mit einem Tag weniger Pause als die Franzosen könnte dies zu einem Faktor werden. Bei stürmisch-nassen 12 Grad könnte es durchaus ein kicklastiges Spiel werden, aber auch das erfordert gerade vom Irland-Sturm viel Laufbereitschaft.

Bei den Franzosen sind die Verletzungssorgen weniger ausgeprägt. Zwar fehlen Spielmacher Ntamack und Innen Vakatawa weiter, doch beide wurden in der Vorwoche schon kompetent durch Jalibert und Vincent vertreten. Beide übernehmen diese Rolle auch in Dublin. Auf Außen wird der gegen Italien überragende Thomas überraschend auf die Bank rotiert. Mit Damien Penaud kommt dafür aber ein kaum weniger gefährlicher Winger in die Start-XV.

Auch im Sturm rotiert Coach Galthié ein wenig. Dylan Cretin, gegen Italien mit dem ersten Versuch der Partie, wird von Julius Nostadts Castres-Teamkollege Anthony Jelonch ersetzt und landet auf der Bank. Angeführt wird der Sturm erneut von Kapitän Charles Ollivon. In der zweiten Sturmreihe bringen Le Roux und Willemse es auf solide 255 kg und auf der Bank wartet der mit 135 kg ebenso solide gebaute Romain Taofifénua auf seinen Einsatz.

TotalRugby-Prognose: Angeschlagene und müde Iren gegen Franzosen, die nach dem Kantersieg in Rom auf einer Welle der positiven Emotionen reiten. Tatsächlich könnte man meinen, dass Frankreich hier klar favorisiert ist. Doch die gesamte Konstellation erinnert ein wenig an das französische Gastspiel in Edinburgh vor einem Jahr. Damals unterlagen hochfavorisierte Franzosen nach einer frühen Roten gegen Prop Haouas, der auch am Sonntag für les Bleus auflaufen wird. Sollte Irland die Enttäuschung von Cardiff überwinden und den kürzeren Turnaround und die Ausfälle gut verkraften, dürfte es eine ganz enge Schlacht werden. Irland wird sich auf sein physisch starkes Sturmspiel mit seiner brachialen ersten Reihe verlassen müssen und die Franzosen an ihrem schnellen Kombinationsspiel hindern müssen. Wir bei TR sehen Frankreich dennoch knapp mit +5 vorne.

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