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Aus Südafrika in die Petersburger Eiswüste: Vuyo Zangqa heuert in Russland an
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 19. Januar 2021

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Vuyo Zangqa (rechts im Bild) betreute bis zum Juli 2019 das DRV-Wolfpack. Foto (c) Perlich

Sankt Petersburg hat eine professionelle Siebener-Rugby-Mannschaft, mit Budget im Millionen-Bereich und gleich mehreren australischen Nationalspielern im Kader. Was uns bei TR überrascht hat, muss auch für Vuyo Zangqa zunächst komisch geklungen haben - wenige Monate später ist er nun Coach der Narskaya Zastawa in der Millionen-Metropole an der Newa. Wir haben uns ausführlich mit dem Ex-Wolfpack-Trainer unterhalten, dessen neuer Chef der Produzent des russischen Corona-Impfstoffes ist und ganz nebenbei steinreich.

„Er ist aus dem heißen Afrika hierher nach Petersburg gekommen, um Narskaya Zastawa zu trainieren“, so der Nachrichtensprecher des russischen TV-Senders NTW. Mit Blick auf die Verpflichtung von Vuyo Zangqa spricht er, vor dem berühmten Panzerkreuzer Aurora im Hafen der Stadt stehend, von einer „veritablen Sensation“. Zur Einordnung erklärt er gleich noch, dass Südafrika im Rugby das sei, was Kanada im Eishockey, Brasilien im Fußball und Norwegen im Biathlon ist.

Man mag es kaum glauben, aber tatsächlich hat es Vuyo Zangqa, den Ex-Trainer der deutschen Siebener-Nationalmannschaft, aus seiner südafrikanischen Heimat nach Sankt Petersburg verschlagen. Aus dem Frühsommer am Kap der guten Hoffnung ging es im November in die Kälte der nördlichsten Millionen-Metropole der Welt, in der das Thermometer seitdem bereits mehrfach unter die Minus-20-Grad-Marke sank.

Für das russiche Fernsehen eine Sensation: Vuyo Zangqa heuert in Sankt Petersburg an

Zangqas Corona-Achterbahn endete in Sichtweite des Winterpalais

Doch wie kam es dazu, dass der ehemalige Weltklasse-Siebener-Spieler der Blitzboks das Abenteuer Russland wagte? Zangqa hatte im Juli 2019, nach der verpassten Olympia-Quali in Colomiers, selbst seinen Rückzug angekündigt und schließlich nach dem EM-Gewinn seinen Hut genommen, obwohl man ihn beim DRV gerne weiter beschäftigt hätte. Der Mann aus der Eastern-Cape-Region Südafrikas wollte näher bei seiner Familie sein und nahm den Job als Trainer beim Profiteam Southern Kings in der Provinzhauptstadt Port Elizabeth an.

Was Zangqa damals nicht hätte ahnen können, war, welche Turbulenzen ihm bevorstehen würden. Sportlich lief es zunächst durchwachsen - es setzte einige deutliche Schlappen, vier Mal verlor seine Mannschaft in der Pro 14 denkbar knapp, jeweils mit Defensiv-Bonus, lediglich gegen die Ospreys gelang ein einziger Auswärtserfolg. Am ersten März spielte das Team sein letztes „normales“ Spiel, das gegen Connacht mit 19:29 verloren ging. Was folgte war der plötzliche Corona-bedingte Saisonabbruch.

Als die Spielzeit 2019/2020 fünf Monate später endlich fortgesetzt wurde, waren die beiden südafrikanischen Teams Cheetahs und eben Zangqas Kings nun außen vor. Südafrika erholte sich im August noch von einem Lockdown, der deutlich strikter als hierzulande gehandhabt wurde und in dem es keine Ausnahmen für Profi-Sportler gab. Zudem waren die Grenzen noch immer zu. Den bereits zuvor finanziell angeschlagenen Kings gab dies den Rest, die gesamte Provinz musste Insolvenz anmelden.

Zangqa stand plötzlich ohne Arbeitgeber da und sah sich einem „zusehends austrocknenden Markt“ gegenüber, wie er es im ausführlichen Gespräch mit TR selbst formuliert. Ohne Zuschauereinnahmen, ohne Spiele, sowie mit zwei Teams, die nicht mehr in ihrer Liga antreten können sowie nach einem Lockdown mit Sportverbot, ist Südafrikas Profi-Rugby-Szene wirtschaftlich am Boden.

Ein überraschender Anruf aus Petersburg

Da kam der Anruf aus Russland völlig überraschend aber nicht unbedingt ungelegen. Eigentlich hätte Zangqa nicht damit gerechnet, eine Klub-Mannschaft in einem Rugby-Entwicklungsland zu trainieren. So war seine erste Frage an die Verantwortlichen zunächst auch „warum wollt ihr für euren Verein einen professionellen Trainer?“ Daraufhin sei ihm erklärt worden, dass man zum besten Klub in der russischen Siebener-Szene werden wolle und bereits einen komplett professionellen Kader habe.

Eine Beraterrolle, mit der sich Zangqa seine Zeit zwischen Port Elizabeth und Sankt Petersburg aufteilen wollte, lehnte man aber in Russlands zweitgrößter Stadt ab. Ganz oder gar nicht war die Devise der Russen und so setzte sich Zangqa im November letzten Jahres in den Flieger in die Ungewissheit. Was ihn in der Zarenstadt erwartete, war ein Level der Professionalität, das er sich so nicht hätte erträumen können.

Professionelle Arbeitsbedingungen und eine sportliche Perspektive Danke eines reichen Gönners

„Ich habe die Jungs 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche zur Verfügung, die Trainingsbedingungen sind hervorragend und wir haben einmonatige Trainingscamps in Südafrika und ein weiteres in Dubai geplant - das macht die Arbeit wirklich einfach“, so Zangqa gegenüber TR. Warum ein russischer Klub, der erst 1978 gegründet wurde und dessen Fünfzehner-Team noch nur in Russlands zweiter Liga spielt, sich ein derart teueres Siebener-Programm leisten kann, erfuhr Zangqa recht schnell.

Der Mann hinter dem Erfolg heißt Dmitry Morosow, der Gründer und größte Anteilseigner der Firma Biocad. Diese hatte es in den letzten Monaten zu Berühmtheit weit über Russlands Grenzen geschafft, als eines von zwei Unternehmen, die den russischen Corona-Impfstoff Sputnik V entwickelt haben und produzieren. So zählten die Mitarbeiter und Klub-Verantwortlichen auch zu den ersten, die ihn verabreicht bekamen.

Mittlerweile auch bei Petersburg unter Vertrag: Australien-Nationalspieler Myers

Morosow, Ex-Banker und Geschäftspartner des Fußball-Mäzens Roman Abramowitsch, machte den Klub innerhalb kürzester Zeit zu einer Nobel-Adresse im russischen Rugby. Morosow selbst war einst Ringer und hat erst vor wenigen Jahren überhaupt erstmals ein Rugby-Spiel gesehen. Er hatte die alljährliche Petersburger Klub-EM besucht, bei der sich Vereinsmannschaften aus ganz Europa im Siebener messen.

Morosow, dessen Vermögen auf mehrere hundert Millionen Dollar geschätzt wurde, zeigte sich sofort begeistert und wurde zum Finanzier des lokalen Klubs. So sehr, dass die Mitarbeiter und Spieler von Narskaya Zastawa in der Petersburger Zentrale seines Unternehmens mittlerweile eigene Räumlichkeiten haben. Morosow selbst tauscht sich öfter mit Zangqa aus und zeigte sich auch im russischen Fernsehen demonstrativ mit dem südafrikanischen Coach.

Narskaya Zastawa als die RGH Russlands

„Unser Team soll quasi die RGH Russlands werden“, wie Zangqa weiter berichtet - er wolle den gesamten Russland-Kader in Petersburg zusammenziehen. Schon jetzt habe man einen großen Teil des russischen Siebener-Kaders unter Vertrag, dazu eine Reihe von ausländischen Profis, die das Niveau heben sollen. Mit Sam Myers, Tom Connor und Zach Steer sind drei australische Siebener-Nationalspieler im Kader, die World-Series- und Olympia-Erfahrung mitbringen.

In der zwölf Teams umfassenden russischen Siebener-Meisterschaft, die über fünf Turniere ausgespielt wird, ist das Team aktuell Dritter. Mit zwei ausstehenden Events könnte bereits ein Turniersieg reichen, um die beiden Moskauer Klubs Lokomotive und VVA Region Moskau zu überholen. Zangqa wird erst beim nächsten Turnier auf der Halbinsel Krim erstmals an der Seitenlinie stehen. Bis dahin steht aber noch eine längere Vorbereitung an.

Insgesamt sieht Zangqa riesiges Potenzial im russischen Markt. Bereits heute seien in fast jedem Klub südafrikanische Profis und damit oftmals alte Weggefährten. Zum Teil könne man als Profi in Russland vergleichbare Gehälter, wie in Australien oder England verdienen. Dazu bewirbt sich der russische Verband derzeit um die WM 2027, was den Boom nur noch mehr befeuern könnte.

Der Mann hinter dem Erfolg: Biocad-Gründer und Russlands Pharma-Manager des Jahres Dmitry Morosow

Das Wetter, die Kultur und nicht zuletzt die Sprache werden allerdings große Hürden bleiben. Zangqa wird vom Verein ein Assistent gestellt, der ihn rund um die Uhr begleitet, um zu übersetzen und in alltäglichen Fragen zur Seite zu stehen. Dürfte der Kulturschock für den Mann aus Südafrika bereits in Heidelberg groß gewesen sein, könnte man meinen, dass Russland ihm wie ein anderer Planet vorkäme.

Jedoch betont Zangqa er habe bisher kaum Probleme gehabt und vor allem sehr viel Freundlichkeit von den Einheimischen erfahren - „mir wird immer geholfen". Das Wetter sei natürlich gewöhnungsbedürftig, aber man arbeite mit einem komplett überdachten Kunstrasen und auch sonst muss man sich ja nicht dermaßen viel im Freien aufhalten.

Erst im Frühjahr werde man häufiger im Petrovsky-Stadion trainieren und schließlich auch spielen. Das ehemalige Stadion des Fußballklubs Zenit Sankt Petersburg, nur einen Steinwurf von den Sehenswürdigkeiten der Zarenstadt entfernt, ist die Heimat der Zastawa. Wenn die Petersburger Tage aufgrund der fast durchgehenden Helligkeit im hohen Norden, werde er das Abenteuer Russland dann sicher auch privat mehr genießen können, so Zangqa.

Es könnte ja vielleicht ein längerer Aufenthalt in Russland werden. Wenn er einmal das Nationalteam in Petersburg quasi zusammengezogen habe, wäre es doch nur logisch, dass er gleich als Nationaltrainer fungiere. „Sicherlich“, so Zangqa auf die TR-Frage - denn aktuell wird das Team nur interimsmäßig betreut, nachdem Coach Waisele Serevi seinen Posten zuletzt verloren hatte.

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