Einst als Rugger wenig erfolgreich, heute als Dartsspieler ein Star: Gerwyn Price.
Ein Rugbyspieler macht in Deutschland von sich Reden. Gerwyn Price gewann gestern am späten Abend die Darts-WM. Millionen Deutsche schauten dem ehemaligen Hakler dabei vor den Schirmen zu. Der Darts-Sport boomt seit Jahren hierzulande, ohne überhaupt eine große Tradition in Deutschland zu haben. Für die künftige Entwicklung des Rugbysports könnte Darts ein Vorbild und Warnung zugleich sein.
Wer ist der in Deutschland bekannteste Rugby-Spieler? Wolfpack-Wirbelwind Basti Himmer vielleicht? Oder Julius Nostadt, Adler-Prop und Deutschlands einziger Profi in der französischen Top 14? Oder gar Anton Segner, das deutsche Supertalent in Neuseeland, über das selbst das ZDF bereits eine Minireportage brachte? Die Antwort ist für Rugger hierzulande wohl ein wenig bedrückend, denn es ist keiner der vorher genannten und auch kein Star der All Blacks oder Springboks.
Es ist ein Mann, der mit seiner Rugby-Karriere in der semiprofessionellen walisischen Premier Division und als einstiger Medical Joker für die Glasgow Warriors wenige Schlagzeilen machte und es trotzdem auf mehr Suchergebnisse auf google.de brachte, als Dan Carter und Beauden Barrett zusammen. Gestern am späten Abend schauten Millionen zu, als er sich die WM-Krone gesichert hat - und zwar im Darts.
Auch für die Sportschau ein Thema: Die Randsportart Darts
Die Rede ist von Gerwyn Price. Dieser hatte 2014 nach seiner wenig erfolgreichen Karriere als Hakler den Sprung zum Darts gewagt, dort mehr noch als beim Einwurf in die Gasse eine ruhige Hand bewiesen und mit seinem gestrigen Sieg gleich 500.000 Pfund auf einen Schlag kassiert. Ein Rugbyspieler gewinnt die Darts-WM, diese Nachricht machte gestern die Runde.
Keiner der dutzenden Artikel, die seit seinem Triumph über Price in den großen deutschen Medien geschrieben wurde, lässt dessen vorherige sportliche Karriere im ovalen Ballsport aus. Vielleicht auch, weil der noch immer durchtrainierte Price mit seinem bulligen Auftreten gegen meist fülligere Gegner vor der Dartsscheibe hervorsticht. Wenn man einen Durchschnittsdeutschen fragen würde, ob er einen Rugbyspieler kennt, wäre die Antwort Price wahrscheinlicher, als Nostadt oder Richie McCaw.
Natürlich hat Price, abgesehen von seiner ovalen Vergangenheit, seither nicht mehr wirklich etwas mit Rugby zu tun. Er selbst schrieb gestern auf Instagram, dass das Kapitel Rugby mit dem WM-Gewinn endgültig vorbei ist, auch wenn er sich manchmal nach dem ovalen Leder sehnt. Aber der noch immer anhaltende Darts-Boom in Deutschland, mit Millionen vor den Schirmen und (vor der Pandemie) Tausenden Deutschen, die alljährlich in den Alexandra Palace zu London pilgern, könnte für den Rugbysport ein Lehrstück und Warnung zugleich sein.
Darts als Lehrstück und Warnung zugleich
Lehrstück insofern, da der Darts-Boom in Deutschland seit Jahren anhält, obwohl der Sport hierzulande keine wirkliche Tradition hat - er zeigt gewissermaßen, was möglich ist. Erst seit 1982 wird in Deutschland überhaupt eine Meisterschaft ausgespielt und trotzdem ist Darts aus dem deutschen Fernsehen nicht mehr wegzudenken. Die Monotonie des eigentlichen Spielgeschehens, die allerdings auch für ein schnelles Verständnis sorgt, wird dabei mit sehr viel Show aufgepeppt.
Auch wenn das Rezept Sport plus Entertainment lediglich im Siebener-Rugby umzusetzen sein dürfte, ist der Aufschwung des Dartssports doch insofern ein Zeichen, als dass es keiner langen Tradition braucht, um in Deutschland Fuß zu fassen. Nicht einmal deutsche Stars sind dafür von Nöten, wird der Darts-Sport im Spitzenbereich doch vor allem von Briten und Holländern dominiert. Neben dem vermeintlich alles überstrahlenden Fußballsport, ist also noch Platz für weitere Sportarten, so exotisch sie für viele auf den ersten Blick auch sein dürften.
Gleichwohl ist das Beispiel Darts auch ein warnendes. Auch wenn zuletzt mehr und mehr Vereine aus dem Boden gesprossen sind, kann das Wachstum im Vereinsdarts nicht Mal im Ansatz mit den Rekordzahlen vor den TV-Schirmen mithalten. Noch sind im Deutschen Dart-Verband mit 13.343 weniger Mitglieder organisiert, als im DRV und angesichts des nur mäßigen Wachstum in den letzten Jahren, dürfte es dauern, bis sich dies ändert.
Ein Boom vor dem TV schlägt sich nicht also unbedingt auf die Mitgliederzahlen der Vereine aus. Er ersetzt keine Arbeit an der Basis - vielmehr ist er eine Chance, die von den Verantwortlichen vor Ort genutzt werden muss. Falls sich die Rugbypräsenz in den deutschen Medien tatsächlich in den nächsten Jahren steigern lassen sollte, ist dies für Vereine Schützenhilfe - nicht mehr und nicht weniger.
|