Team GB in den Startlöchern und trotzdem keine Hoffnung für DRV-Wolfpack
Geschrieben von TotalRugby Team
Mittwoch, 23. Dezember 2020
Rückblick 2016: Englands Dan Norton entwischt Phil Szczesny in Diensten des Team GB. Foto (c) Perlich
Drei Jahre in Folge scheiterte das DRV-Wolfpack dramatisch am Nadelöhr Hongkong, dann fiel das Turnier der Corona-Pandemie zum Opfer und Japan wurde zum Sieger erklärt (TR berichtete). Zwei dramatische Finalniederlagen, ein ebenso unglückliches Scheitern in der Vorschlussrunde gegen Irland und die Pleite am grünen Tisch - das Quali-Trauma verhindert seit Jahren, dass sich unsere Siebener-Jungs auf der World Series sich gegen die weltbesten Teams messen kann. Die Schaffung eines Team GB galt bei den Verantwortlichen lange Zeit als Chance, es über einen Umweg unter die 15 Kernteams zu schaffen - diese Hoffnung hat sich nun aber zumindest dem Anschein nach zerschlagen.
Die World Series 2021 wird aller Voraussicht nach wenig mit dem zu tun haben, was die Serie der zehn größten Turniere um den Globus normalerweise ausmachen. Leere Ränge scheinen, zumindest bei einigen Turnieren, unvermeidbar. Die legendären Hong Kong 7s im spektakulären Stadion im Stadtteil Happy Vally, mit seinen steilen Rängen und seiner einmaligen Atmosphäre, soll nun im November 2021 den Abschluss einer verkürzten Serie bilden - dann, nach hunderten Millionen COVID-Impfungen weltweit, hoffentlich mit Zuschauern. Immerhin hat Asien die Pandemie bisher im Allgemeinen deutlich besser gemeistert, als die restliche Welt.
Bereits fünf Monate vorher wird, wie bereits vor Rio 2016, wird im Fürstentum Monaco das Olympia-Repechage-Turnier ausgetragen. Am 19. und 20. Juni werden Frankreich und Irland als europäische Anwärter und große Favoriten auf das letzte Tokio-Ticket ins Rennen gehen. Das DRV-Team hatte die Quali im Sommer 2019 durch eine Viertelfinalpleite gegen die Iren in Colomiers verpasst. England hatte sich damals für das Team GB mit einem Finalsieg über die Franzosen das direkte Tokio-Ticket geholt, Spanien war wie unser Wolfpack leer ausgegangen.
Serie von Hiobsbotschaften endet mit Rettung durch Großbritanniens Lotterie
Doch seitdem hagelte es eine Hiobsbotschaft nach der anderen für das britische Siebener. Englands Verband RFU, eigentlich der finanzstärkste weltweit, schlitterte durch die Coronakrise und aufgrund einer Kostenexplosion beim Ausbau des Twickenham-Stadions in eine substantielle Finanzkrise. Ein Opfer des darauf eingeleiteten drastischen Sparkurses in der Londoner Zentrale war Englands Siebener-Team, das im August ohne Wettkämpfe im Kalender temporär aufgelöst wurde (TR berichtete). Gleiches wurde in Wales vermeldet, die schottischen Spieler sind noch immer in Kurzarbeit, oder wie Englands Spieler bei Fünfzehner-Klubs geparkt.
Gestern dann vermeldeten die Verbände von England, Wales und Schottland, dass man mit finanzieller Unterstützung der Britischen Lotterie zum Start ins neue Jahr bis zu den Spielen in Tokio als Team GB trainieren werde, um auch in Tokio Edelmetall zu holen. Bei Olympia treten die drei britischen Nationen ja bekanntermaßen anders, als im Fußball und Rugby, als Großbritannien an. Das wiederum sollte für das DRV-Wolfpack eigentlich eine gute Nachrichten sein - denn schon länger war darüber spekuliert worden, ob das Team GB nicht auch in nicht-olympischen Jahren auf der World Series beibehalten werden sollte.
Im Olympiafinale von Rio 2016 war Team GB gegen Fidschi chancenlos, doch das Projekt wurde trotzdem als Erfolg gewertet
Ein solcher Schritt würde dem britischen Team eine bessere Vorbereitung bieten, den durch die COVID-Pandemie klammen Verbänden Ausgaben in Millionenhöhe sparen und nicht zuletzt aufstrebenden Siebener-Nationen wie Chile, Hongkong und natürlich auch Deutschland eine Chance auf der World Series geben. Doch allem Anschein nach wird es nicht dazu kommen - denn während in England und Wales wohl Interesse an einem permanenten Team GB auf der World Series existiert, ist dem in Schottland wohl nicht so.
Schottland besteht auf getrennte Siebener-Teams / Wales wird Nutznießer
Bereits als vor einem halben Jahr Gerüchte über ein dauerhaftes Team GB aufkamen und sowohl RFU (England) als auch WRU (Wales) ihre Unterstützung signalisierten, bestand Schottland auf einem eigenen Siebener-Team. Mit nur zwei Profi-Fünfzehner-Teams hat sich das Fünfzehner-Nationalteam immer wieder bei seinem Siebener-Pendant für talentierten Nachwuchs bedient, wie zuletzt bei Wirbelwind-Außen Darcy Graham. Auch dieses Mal beinhaltete lediglich die schottische Verlautbarung über das Team GB, dass man nach Olympia wieder ein eigenes Team stellen werde.
Sollte dies so kommen, bliebe Wales, dem mit großem Abstand schlechtesten Team der abgebrochenen World Series, der Abstieg erspart. Die Waliser könnten trotz zwei Letzten und drei vorletzten Plätzen 2021/2022 wieder in der World Series antreten, als sei nichts gewesen. Dabei wäre es von Seiten World Rugbys nur konsequent, einen Absteiger zu benennen. Sechs von zehn Turnieren waren 2019/2020 bereits absolviert und Neuseeland war zum Sieger und Japan zum Aufsteiger erklärt worden. So könnte es im schlimmsten Fall bis zum April 2022 dauern, bis unser DRV-Wolfpack endlich den Aufstieg unter die 16 besten Teams der Welt erneut in Angriff nehmen darf.