Ein künftiges Brexit-Opfer? Springbok-Weltmeister wäre im Falle eines No Deal für seinen Klub Sale ein Problem.
Das internationale Rugby steht vor weiteren großen Herausforderungen - COVID und der nahende Brexit machen besonders den britischen Klubs zu schaffen und könnten Auswirkungen auf den Spielbetrieb haben. Besonders eine neue Variante des Virus, die sich wohl deutlich schneller ausbreitet und eine Schließung der europäischen Grenzen für Briten nach sich gezogen hat, dürfte für Probleme sorgen. Zwei französische Teams schafften es noch rechtzeitig vor der Grenzschließung zurück - hinter der dritten und vierten Runde des Europacups im Januar steht bereits ein Fragezeichen.
Europacup-Rugby am vergangenen Wochenende - Englands Traditionsklub Gloucester schlägt die nordirischen Gäste aus Ulster daheim mit 38:34 in einem packendem Duell, das erst in der 85. Minute entschieden wurde. Gut tausend Kilometer südlich schlägt das irische Munster die Gastgeber in Clermont nach einem ebenso dramatischen Spiel. Zwei Spiele mit jeweils acht Versuchen und großartigen Comebacks - auch wenn beide ohne Zuschauer stattfinden mussten, konnten doch immerhin Millionen Rubgy-Fans an den Bildschirmen mitfiebern. Ein wenig ovale Begeisterung während der Pandemie.
Europacup vom Samstag-Abend: Gloucester und Ulster liefern sich ein packendes Duell, bereits heute wäre es nicht mehr möglich gewesen
Doch selbst dies scheint nun in Gefahr. Eine neue Variante des Coronavirus, die bisher in England und Südafrika aufgetreten ist, scheint sich deutlich schneller zu verbreiten, als die bisher bekannte - dies hat die bereits dramatische Lage während der globalen Pandemie noch einmal verschärft.
Innerhalb der letzten 24 Stunden hat fast ganz Europa seine Grenzen für Briten und Südafrikaner geschlossen, ohne bzw. mit ganz wenigen Ausnahmen. Die Europacupspiele vom Wochenende wären also bereits 48 Stunden später nicht mehr möglich gewesen. Selbst der Fährverkehr für Personen und Güter zwischen Dover and Calais, sowie der Eurotunnel wurden geschlossen. Eine panische Rückreisewelle mit vielen gestrandeten Passagieren an britischen Flughäfen war die Folge.
Die B.1.1.7-Linie - wie der neue Strang des Coronavirus genannt wird - hat sich im Südwesten Englands zuletzt stark verbreitet und den eigentlichen Stamm zu drei Vierteln verdrängt. Laut Deutschlands bekanntestem Virologen Christian Drosten muss dies nicht zwangsläufig auf einem „Selektionsvorteil“ der neuen Variante beruhen, sondern könnte auch Zufall sein, wie er auf Twitter erklärt. Doch britische Behörden, darunter Großbritanniens Gesundheitsminister Matt Hancock, erklären, dass sich das Virus in und um London wie ein Lauffeuer ausbreite.
Neue Einschränkungen - selbst Reisen zwischen England und Schottland verboten
Deshalb wurden weite Teile des Südwestens von England unter einen harten Lockdown gestellt, nachdem bereits das gesamte Land den November über im Lockdown befindlich war. Dieser könnte nach englischen Medien-Spekulationen Monate andauern. Lockerungen für das Weihnachtsfest wurden für die betroffenen Regionen aufgehoben. Schottland hat seine Grenze zu England ebenso über Nacht geschlossen. Profi-Sport innerhalb von England darf vorerst noch fortgesetzt werden - ob beispielsweise ein Duell zwischen einem schottischen und englischen Team aktuell noch möglich wäre, ist aber nicht klar.
Die Beschränkungen des internationalen Reiseverkehrs könnten noch zu größeren Problemen führen. Bereits an diesem Wochenende wäre es fast zu Komplikationen gekommen. Zwei französische Teams - Racing 92 und Séction Paloise - schafften es am gestrigen Sonntag nach ihren Gastspielen in Großbritannien gerade noch so rechtzeitig in Privatjets zurück in ihre Heimat, bevor der Verkehr aus dem Vereinigten Königreich nach Frankreich komplett abgekappt wurde.
Spätestens ab dem 8. Januar könnte dies, sofern die bisher auf wenige Tage beschlossenen Einschränkungen bis dahin verlängert werden, zu einem riesigen Problem führen - dann nämlich stehen die nächsten Spielrunden in der Pro 14 an, in der britische Teams in Italien und Irland gastieren. Mit den aktuellen Einschränkungen wäre dies nicht möglich. In Irland hat der Gesundheitsminister bereits angedeutet, dass das Verbot von Flügen aus Großbritannien nach Irland wohl weitaus länger andauern würde, als die zunächst veranschlagten 48 Stunden.
Brexit stellt britische Klubs vor weitere Probleme
Weitere Hindernisse könnte der Brexit für das europäische Rugby haben. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ist zwar schon vollzogen, aber erst mit dem Ende der Übergangsphase mit dem Jahreswechsel kommen die spürbaren Konsequenzen zum Tragen. Neben der generellen wirtschaftlichen Eintrübung, die Ökonomen zusätzlich zu den Auswirkungen der Pandemie in Großbritannien erwarten, hat der Brexit auch ganz konkrete Auswirkungen auf das Rugby-Geschehen.
Beispielsweise gibt es für den Flugverkehr, der aktuell zwischen Großbritannien und der EU noch völlig nahtlos vollzogen wird, noch immer keine Nachfolgeregelung. Je nachdem wie die Verhandlungen über einen Brexit-Deal ausgehen, könnte es zumindest im Januar zu erheblichen Verzögerungen und weniger Verbindungen zwischen der Insel und dem restlichen Kontinent kommen.
Sales Springbok-Weltmeister Faf de Klerk - im Falle eines No-Deal-Brexits dürften nur noch zwei von Sales elf Südafrikaner zeitgleich spielen
Ein weiteres Problem kommt auf die Premiership-Klubs zu, die Spieler aus gewissen Drittländern beschäftigen. Profis aus Südafrika, sowie von den Pazifik-Inseln Fidschi, Samoa und Tonga genießen durch ein Assoziationsabkommen ihrer Heimatländer mit der EU besondere Beschäftigungsrechte. Durch diese sind sie laut EU-Recht und dem sogenannten Kolpak-Urteil aus dem Jahr 2003 nicht von Ausländerquoten betroffen, die beispielsweise in der Premiership bestehen. So haben allein die Sale Sharks aktuell elf Südafrikaner unter Vertrag - im Falle eines No-Deal-Brexits fällt diese Sonderregelung mit dem 1. Januar weg.
Sale beispielsweise dürfte dann nur noch zwei seiner elf Südafrikaner gleichzeitig auf dem Feld haben. Auch in den Europacup-Wettbewerben gibt es bisher eine solche Regelung. Jedoch signalisierten die Verantwortlichen des Turnier-Organisators EPCR bereits im Frühjahr, dass man im Falle eines No-Deal-Brexits die Regel eventuell fallen ließe, oder zumindest bis zum Ende der Saison aussetzen werde, um keinen Klub im laufenden Wettbewerb zu benachteiligen. So oder so kommen auf die Profiklubs im Rugby-Mutterland noch weitere Probleme zu - auch im Jahr 2021.