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TR-Review: England siegt im Sudden Death, die Flying Fijians sind zurück
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Sonntag, 6. Dezember 2020

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Ein am Ende glanzloser Sieg für England im Autumn Nations Cup.

Mal ganz ehrlich unter uns: Das was die letzten Wochen im internationalen Rugby spielerisch geboten wurden, war nicht immer Champagner-Rugby, sondern gerade in Europa oftmals dröge und defensiv-orientiert. Doch das letzte internationale Rugby-Wochenende des Jahres 2020 hat uns noch einmal gezeigt, was wir in den nächsten Wochen vermissen werden. Sehr viel Spielfreude, viele Versuche und ein Finale, das mit deutlich mehr Spannung aufwartete, als es irgendeiner vorher erwartet hätte.

Tri Nations Series (Rugby Championship)

Australien 16-16 Argentinien

So sehr ein Unentschieden am Ende niemanden so richtig glücklich macht. Der Abnutzungskampf im monsunartigen Regen von Sydney wird für die Argentinier ein kleiner Triumph gewesen sein, obwohl sie über weite Teile des Spiels führten. Los Pumas hatten bekanntermaßen eine äußerst turbulente Woche hinter sich, mussten auf ihren Kapitän und zwei weitere Leistungsträger nach einem Rassismus-Skandal verzichten.

Drei Karten hagelte es im frühsommerlichen Sydney für Tackles oder Cleanouts gegen den gegnerischen Kopf. Gelb für Australien-Kapitän Hooper und Argentiniens Zweite-Reihe-Stürmer Kremer in Durchgang eins, Rot für Wallabies-Ersatz-Achter Salakaia-Loto gut 20 Minuten vor dem Ende. Gerade Down Under, wo Platzverweise und Zeitstrafen besonders kritisch gesehen werden, wird dies für weitere Diskussionen sorgen.

Wohl niemand hatte einen Pfifferling auf die Chancen der Pumas gegeben, die ihr viertes Spiel in vier Wochen absolvierten. Doch der Skandal um ihren Kapitän schien die Gauchos noch mehr zusammengeschweißt zu haben. Zwischenzeitlich war Argentinien zehn Zähler vorne, erneut in erster Linie wegen brillanter Defensiv-Arbeit. Argentiniens krachende Hits ließen Australiers starke Ballträger ein ums andere Mal abprallen.

Aber auch offensiv konnten die Argentinier zumindest ein Mal absolut brillieren. Der Gäste-Versuch kam nach einer großartigen Kombination von Kraft und Finesse. Argentinien setzte in der eigenen 22 nach langem australischen Kick zum Paket an. Dieses gewann schnell an Fahrt und statt den üblichen Befreiungskick zu setzen, arbeiteten Argentiniens Stürmer weiter hart, bis sie nach gut 40 Metern schon ein gutes Stück auf der australischen Seite der Mittellinien angekommen waren.

Dort folgte dann die Finesse auf die beeindruckende Kraftleistung. Dort nahm der Argentiniens Neuner das Leder genau zum richtigen Moment raus, als sich auf der kurzen Seite eine Überzahl ergeben hatte. Er bediente Bautista Delguy, der mit einer Handabwehr gegen Wallabies-Innen Paisami, die so in jedem Lehrbuch stehen müsste, den letzten Verteidiger ausschaltete. Argentinien führte mit 13:6 und ging kurz nach der Pause mit 16:6 in Front.

Nun zeigten aber auch die Australier Charakter, nachdem ihr Spiel zuvor allzu häufig von Fehlern geprägt war. Trotz der roten Karte gegen den eingewechselten Dritte-Reihe-Stürmer Salakaia-Loto machten die Wallabies in der Schlussphase Druck. Kapitän Michael Hooper, der im kommenden Jahr ein Jahr Auszeit vom australischen Rugby nehmen wird, um in Japan vom dortigen Rugby-Boom zu profitieren, machte den Anschluss. Die Australier hatten Argentinien mit einer kurz geworfenen Gasse überrumpelt und hatten sich per Paket ins Malfeld geschoben.

In der Schlussminute hatte Wallabies-Kicker Reece Hodge noch den Sieg auf dem Fuß, wie bereits vor einem Monat in Wellington gegen die All Blacks und vor zwei Wochen gegen los Pumas. Aber wieder scheiterte der Distanzschütze aus knapp 50 Metern und setzte den Kick knapp daneben. Australien schließt die Tri Nations Series aufgrund des schlechteren Punkteverhältnis tatsächlich als Letzter ab. Neuseeland gewinnt und auch die Argentinier dürften sich angesichts ihres turbulenten Rugby-Jahres 2020 als Sieger fühlen.

Autumn Nations Cup

Fidschi 38-24 Georgien

Fidschis Rugby-Magier waren nach Wochen der Isolation in ihren Hotelzimmern gekommen, um ihren Fans daheim ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern - so der Tenor im Team des wohl spektakulärsten Rugby-Teams der Welt. Nach einem Corona-Ausbruch in ihrem Camp musste das Team wochenlang in Quarantäne verharren. Am Samstag waren die Männer von Vern Cotter mit noch ein wenig mehr Lust auf Rugby als sonst aus der Zwangspause gekommen.

Auch das miserable Advents-Wetter sollte sie nicht davon abhalten ihr Spiel durchzuziehen - wer sagt, dass man im Dauerregen mit Kicks und konservativem Spiel taktieren muss? Am Ende waren es sechs Versuche zu drei - hätte es Zuschauer im Murrayfield von Edinburgh gegeben, wären diese zweifelsohne zufrieden nach Hause gegangen.

Ein Doppelschlag der Fidschianer sollte schnell den Ton angeben. Erst mit der Hintermannschaft über den Nationalmannschafts-Rückkehrer Nemani Nadolo, der mit seinen 130 kg auch von drei Georgiern nicht zu stoppen war, sowie mit dem Sturm und Flanker Dyer kam Fidschi in den ersten fünf Minuten zu Versuchen.

Erst nachdem Fidschi über den zweiten Superstar-Außen Tuisova zum dritten Versuch kam, das erste richtige Lebenszeichen von Georgien. In gewohnter Lelos-Manier arbeitete sich der Sturm an die Linie, wo Prop Giorgi Melikidze sich über die Linie wuchtete. Doch Fidschi war an diesem Samstag klar das bessere Team. Tuisova durchbrach an der Auslinie drei Tackles und setzte das perfekte Offload auf Siebener Kunavula zum Versuch.

Der Zuckerguss auf der Torte aus Fidschi-Sicht waren die letzten beiden Versuche von Nemani Nadolo, mit denen er den Hattrick perfekt machte. Der 1,96-Riese auf Außen war 2,5 Jahre nicht für Fidschi aufgelaufen, zeigte aber nun noch zwei Mal auch mit 32 Jahren noch immer ein Weltklasse-Außen zu sein. Einmal nach tollem Bodenroller von Verbinder Volavola, einmal nach Crash-Ball.

Aber auch die Georgier zeigten noch einmal ihren Willen auf diesem Niveau mitspielen zu wollen. Flanker Beka Saghinadze, Ex-Teamkollege von Julius Nostadt bei Aurillac, schnürte in den letzten zehn Minuten noch einen Doppelpack. Aus georgischer Sicht am Ende zu wenig gegen entfesselnd spielendes Fidschi-Team.

Irland 31-16 Schottland

Die Boys in Green konnten das Rugby-Jahr 2020 daheim versöhnlich beenden. Irland sicherte sich gegen gerade in Durchgang eins mutig aufspielende Schotten, die über weite Strecken der Partie aber zu undiszipliniert auftraten, den dritten Platz in der Abschlusswertung des Autumn Nations Cups.

So auch gegen Ende von Durchgang eins, den die Gäste bis dahin spielerisch mit ihrem neuen Verbinder dominiert hatten.  Nach drei Straftritten vom in Südafrika geborenen Edinburgh-Zehner Jaco van der Walt führte Schottland zwischenzeitlich mit 9-6 in Dublin - schottische Fans rechneten sich zu diesem Zeitpunkt gute Chancen auf einen erstmaligen Auswärtssieg in Dublin seit 2010.

Schottlands Innen Duncan Taylor hatte sich mit einem absichtlichen Vorwurf, der Bundee Akis Pass unterband, Gelb gesehen. Eine relativ harte Entscheidung, hatte Taylor doch durchaus die Chance das Leder zu kontrollieren und vor sich viel grünen Rasen und wenig grüne Verteidiger. Der englische Schiedsrichter Matthew Carley sah das anders, und schickte Taylor für zehn Minuten auf die Sünderbank.

Der erste irische Versuche folgte wenig später, als der wiedergenesene Johnny Sexton einen perfekt platzierten Cross-Kick in der Schottland-22 setzte - Robbie Henshaw klatschte den Ball aus der Luft zurück, auf den dankbaren Abnehmer Keith Earls. 11-9 für Irland zur Pause. Kurz nach der Pause war Gelbsünder Taylor dann wieder auf dem Feld und lud mit seinem zweiten großen Fehler Irland zum nächsten Mal ein: Er verloren einen Sexton-Kick in der eigenen 22 nach vorne.


Das fällige Gedränge war für Irland die Chance sich in der Schotten-22 festzusetzen. Achter Caelan Doris brachte die Gastgeber nah an die Linie, Cian Healy überwand mit all seiner Kraft die letzten Zentimeter über diese.  Die Vorentscheidung fiel dann schon wenige Zeigerumdrehungen später, in der 49. Minute. Irlands Sturm-Veteran Peter O’Mahoney brach auf der Seite durch und bediente den perfekt Unterstützung laufenden Earls zu seinem zweiten Versuch.

Earls, mittlerweile 33 Jahre alt, war selbst bereits auf dem Feld, als Schottland zuletzt vor über zehn Jahren in Irland gewonnen hatte und tat nun sein Bestes, damit sich Geschichte nicht wiederholt. Sein Gegenüber Duhan van der Merwe ließ die Schotten noch Mal zwischenzeitlich hoffen, als er vom Ruck an der 22 aus mit perfektem Timing selbst aufbrach, zwei Tackles durchbrach und für den 16-25 Anschluss sorgte. Es sollten aber die letzten schottischen Punkte sein und wie bereits alle Kick-Punkte von van der Walt zuvor, wurden sie von einem eingebürgerten Südafrikaner erzielt.

Irland spielte die Schlussviertelstunde souverän runter und der eingewechselte Ross Byrne setzte noch Mal zwei Straftritte erfolgreich zu den Stangen. Bei den Schotten machte Coach Gregor Townsend die gelbe Karte im ersten Durchgang als Wendepunkt für die Niederlage verantwortlich. Ein Sonderlob holte sich Neu-Verbinder van der Walt ab, der künftig mindestens die erste Wahl hinter den aktuell verletzten Adam Hastings und Finn Russel sein dürfte.

Irland dagegen schließt ein durchwachsenes Rugby-Jahr mit einem Sieg ab, der Balsam für die Seele der irischen Rugby-Fans ist. Die gute und zugleich schlechte Nachricht: Johnny Sexton ist noch immer Irlands beste Wahl auf der Zehn, doch die Alternativen bedeuten zumindest aktuell noch einen signifikanten Leistungsabfall.

Wales 38-18 Italien

Weitere Infos folgen!

 



England 22-19 Frankreich

England bekam die Trophäe, Frankreich das Lob. Nach einem Finale, in dem erst in der Nachspielzeit der Sieger ermittelt wurde, hatte sich vor allem die junge französische Mannschaft den Respekt der Rugby-Öffentlichkeit erspielt. Über weite Teile der Partie hatte Frankreich im Twickenham Stadion von London vorne gelegen, mit einem Team das so noch nie zusammengespielt hat und in dem alle Frankreich-Stars fehlten. England dagegen hatte in der Nachspielzeit mehrmals das Glück auf seiner Seite, als 50/50-Entscheidungen des Unparteiischen zu Gunsten des Vizeweltmeisters ausfielen.

Die Highlights des Endspiels um den Autumn Nations Cup

Frankreichs B-Kader - die eigentliche französische Mannschaft durfte wegen einer Abmachung zwischen den Profi-Klubs und dem Verband FFR nicht auflaufen - galt als krasser Underdog und zeigte dennoch von Anfang an, dass man keinen übermäßigen Respekt vor dem Vizeweltmeister hat. Nach 15 gespielten Minuten war es Verbinder Jalibert, der für das erste richtige Highlight des Spiels sorgte. Nach einer schnellen Phase täuschte der Bordeaux-Zehner einen Pass an und spitzte durch die Lücke zwischen Hakler George und Innen Farrell und war frei in der 22 - dort bediente er Schluss Brice Dulin zum ersten Versuch und dem 7:3.

England kam aber schnell wieder ran, als May einem der unzähligen England-Kicks hinterhersprintete und nach leichter Berührung zu Boden ging. 6:7 aus Sicht der Gastgeber, die erstmals in diesem Herbst vor Zuschauer spielen durften, auch wenn die 2.000 Fans nur jeden 40. Sitz im Stadion besetzten. Frankreich dominierte das Geschehen aber im ersten Durchgang weiter und erarbeitete sich weitere Straftritte zur 13:6 Führung mit der es auch in die Pause gehen sollte, obwohl England noch Mal mit dem Sturm bis an Frankreichs Linie herankam. Doch les Bleus bildeten eine blaue Defensiv-Wand, die auch Englands vielgerühmter Sturm nicht durchbrechen konnte.

England dann in Hälfte zwei mit etwas mehr vom Spiel, jedoch blieben die Männer von Eddie Jones weiterhin bei ihrer ultrakonservativen Kick-Taktik. So blieb der Abstand bei sieben Punkten, da sich die Kicker Jalibert und Farrell ein Duell lieferten und Frankreich beim Stand von 19-12 in die Schlussminute ging. Ein unnötiger Straftritt, bescherte England noch Mal die Chance in die 22 zu kicken - von der Mittellinie ging George Ford volles Risiko und platzierte den Ball mit etwas Glück auf die Fünf-Meter-Linie und tatsächlich: Von hier schob sich Englands Sturm per Paket über die Linie und glich damit in der 81. Minute aus.

Das Spiel musste in die Nachspielzeit, in der jeglicher Punkt das Spiel beenden würde, ob Versuch, Straftritt, oder Dropkick. Es sollte eine dramatische Zulage sein, bei der beide Trainer wie vom Teufel besessen an der Seitenlinie entlangliefen und ihre Teams anfeuerten. Gerade bei Eddie Jones ein ungewohntes Bild. England bekam die erste Chance auf den siegbringenden Kick quasi geschenkt - Frankreichs Sebastién Tolofua war nach einem Tackle als erster über dem Ball und wollte dem am Boden liegenden Johnny Hill das Leder entreißen. Der bereits getackelte Hill drehte sich aber noch Mal, weswegen Tolofua das Gleichgewicht verlor. Statt dem fälligen Straftritt für Ball am Boden festhalten, bestrafte Schiedsrichter Andrew Brace den Franzosen.

Doch Farrells Kick landete nur an den Stangen. Auch Frankreich schaffte es noch Mal mit dem Ball Richtung 22 der Engländer, schaffte es aber nicht den entscheidenden Wirkungstreffer zu setzen. Stattdessen ein weiterer glücklicher Straftritt für England, nachdem das Schiri-Gespann bei England-Ballbesitz zuvor zwei klare Vorwürfe übersehen hatte. Farrell hatte den Ball Richtung Eckfahne gekickt, wo Außen Raka zum Konter ansetzte. Er stolperte er über Daly, wollte wieder aufstehen und wurde von Curry getackelt, der ihn aber nicht losließ. Erst auf Zurufen des Schiedsrichters dann ließ Curry den mit den Knien bereits am Boden befindlichen Raka gänzlich fallen, vor die Füße von Itoje. Der stürzte sich über den Ball und wurde mit dem Straftritt belohnt.

Dieses Mal war Farrell sicher und verwandelte die Chance zum Sudden-Death-Sieg. England gewinnt, wie von vielen erwartet, den Autumn Nations Cup. Ohne allerdings spielerisch zu überzeugen. Speziell das Finale gegen Frankreichs B-Mannschaft könnte im Mutterland zu einem Weckruf werden, hatten Beobachter und Experten im Vorfeld doch eine klare Angelegenheit gegen eine Frankreich-Mannschaft ohne Spielpraxis erwartet. Die Franzosen wiederum haben eine in Europa unerreichte Tiefe. Fabien Galthié wird zum Six-Nations-Start im Februar die Qual der Wahl haben und zwar auf allen fünfzehn Positionen im Kader.

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