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TR-Review International: Defensive ist Trumpf
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Montag, 23. November 2020

Johnny May fängt den Ball gegen einen irischen Mitspieler.
Die Defensiv-Reihen entschieden das Rugby-Wochenende: England und Argentinien triumphierten vor allem aufgrund ihrer eisenharten Defensiven.

Vier Spiele und nur sechs Versuche - das internationale Rugby-Wochenende brachte nicht das spektakuläre Offensiv-Feuerwerk, das sich Rugby-Fans erhofft hatten. Gerade für Vizeweltmeister England scheint das American-Football-Sprichwort „die Offensive gewinnt dir Spiele, die Defensive entscheidet Meisterschaften“ dem Spielplan zu entsprechen. Mit einer eisenharten Defensive und zwei brillanten Momenten von Johnny May rüstete sich England für das Traumfinale gegen Frankreich im Autumn Nations Cup.

Tri Nations Series (Rugby Championship)

Australien 15-15 Argentinien

Im frühsommerlichen Dauerregen von Newcastle galt es für Argentinien zu zeigen, dass der historische erste Sieg gegen die All Blacks (TR berichtete) keine Eintagsfliege war. Mit weitaus weniger Euphorie und wahrscheinlich müden Beinen, aber dafür mit wohl ebenso harter Defensive schafften es los Pumas auch die Wallabies-Offensive weitestgehend auszuschalten. Keinem Team gelang ein gültiger Versuch.

Am nähesten war Australien gekommen, als das blutjunge Innen-Duo perfekt zusammenarbeitete. Der 22-jährige Zwölfer Hunter Paisami hatte nach einem Gedränge in der argentinischen 22 per Bodenroller seinen Kollegen Jordan Petaia bedienen wollen. Der erst 20-jährige Dreizehner erreichte den Kick Paisamis auch und legte ihn ab, berührter aber mit der Fußspitze das Ende des Malfelds - folglich zählte der Versuch nicht.

Über weite Teile war Australien optisch überlegen und hatte mehr vom Spiel, als die müde wirkenden Argentinier. Doch über eine 9-6 Führung kamen die Australier trotz mehrerer Besuche in Argentiniens 22 nicht hinaus. Erst nach der Pause, als Pumas-Hakler Montoya mit Gelb für zu viele Regelverstöße am Ruck für zehn Minuten auf die Sünderbank geschickt wurde, zog Australien mit zwei weiteren Hodge-Penalties auf 15:6 davon.

Die Video-Highlights des Unentschiedens in Newcastle

Die Wallabies wähnten sich auf der Siegerstraße, doch als die Überzahl endete und der Regen zunahm, konnten los Pumas in der Schlussviertelstunde noch einmal zulegen. Drei Mal Verbinder Nicolas Sanchez innerhalb von nur neun Minuten, jeweils vom Tee, glichen das Spiel aus. In den Schlussminuten sollten beide Teams noch eine Chance erhalten, die Partie für sich zu entscheiden.

Erst nachdem Argentinien nach einem weiteren Verstoß am Ruck einen Straftritt kassierte - Australien-Verbinder Hodge setzte den 40-Meter-Kick drei Minuten vor dem Schlusspfiff aber neben die Stangen. Dann klaute Argentinien das Leder in der zweiten Minute der Nachspielzeit - Kapitän und Dritte-Reihe-Stürmer Pablo Matera setzte von der Mittellinie einen cleveren Kick Richtung Australien-Malfeld und tatsächlich sollte Argentiniens Außen Cordero das Rennen zum Ball gewinnen. Jedoch versprang Cordero der Ball einen Meter vor dem Malfeld und damit verpasste Argentinien den zweiten Sensationssieg in Serie.

Bei den Pumas war man nach der Partie dennoch zufrieden, hatte man trotz Feldunterlegenheit die Leistung der Vorwoche bestätigt. Der brutale Spielplan sieht für die Argentinier nun zwei weitere Spiele in der Tri-Nations-Serie vor: Erst in der kommenden Woche gegen die auf Rache gesonnenen All Blacks, dann in der Woche darauf zum Abschluss erneut gegen Australien in Sydney.

Aktuell stehen alle drei Wettbewerber mit sechs Punkten gleichauf, lediglich durch die Punktedifferenz. Damit können noch alle Mannschaften das Turnier gewinnen.

Tabelle Tri Nations Series 2020

Rang Team Spiele Punkte Differenz
1. Neuseeland 3 6 +26
2. Argentinien 2 6 +10
3. Australien 3 6 -36
Autumn Nations Cup

England 18-7 Irland

246 zu 73 hieß es nach 80 Minuten Rugby im leeren Londoner Twickenham Stadion. Freilich war dies nicht das Endergebnis auf der Anzeigetafel, sondern lediglich die bemerkenswerte Tackle-Statistik nach einem bemerkenswerten Rugbyspiel. Irland hatte über die gesamte Dauer der Partie weitaus mehr Ballbesitz, sah sich aber einer weißen schier undurchdringbaren Wand gegenüber, die es am Ende nur einmal überwinden konnte.

Erst den 91. Tackle-Versuch sollte das englische Team verpassen. Die brutal effiziente Defensive war die Grundlage für Englands Sieg. Die Dominanz bei den Standards und ein überragender Johnny May die anderen beiden Faktoren, die dem Vizeweltmeister den Sieg bescherten. Außendreiviertel May hatte England mit seinem Doppelpack in nur vier Minuten Mitte des ersten Durchgangs auf die Siegerstraße gebracht.

Nach einem perfekt platzierten Cross-Kick von Verbinder Farrell, der mit dem Vorteil im Rücken die riskante Taktik wählte, konnte May nach gewonnenem Luftduell erstmals ablegen. Wenig später war es erneut May, der durch einen 90-Meter-Konter nach verworfener Irland-Gasse in Englands 22 zum zweiten Versuch der Gastgeber ins Malfeld gelang.

Englands Taktik ging auf: Mit dem Ball in der Hand so wenig Risiko wie möglich eingehen, tief in die irische Hälfte kicken und aufmerksam verteidigen. Irland biss sich die Zähne an der schnell aufrückenden Verteidigung des Vizeweltmeisters aus. Verbinder Ross Byrne, der den verletzten Jonathan Sexton ersetzte, fand keine Mittel gegen die Taktik des Teams von Eddie Jones.

Erst als Ersatz-Verbinder Billy Burns aufs Feld kam, der Bruder des ehemaligen englischen Nationalspielers Freddy, wirkte Irland etwas gefährlicher. Sein cleverer Chip-Kick über die aufrückende England-Defensive war es, der Irlands einzige Punkte bescherte. Der eingewechselte Jacob Stockdale konnte das Leder direkt aus der Luft pflücken und Elliot Daly umrunden, um zum Versuch abzulegen.

Da waren allerdings schon 75 Minuten gespielt und Irland hatte zuvor jede Chance in Englands 22 entweder selbst vermasselt, oder war Opfer der englischen Balldiebe in der dritten Sturmreihe geworden. Underhill, Curry und Billy Vunipola machten nicht nur mehr Tackles als das gesamte irische Team, sie beraubten die Gäste auch immer wieder des Spielgeräts und erlaubten es Owen Farrell dieses wieder per Tritt tief in die Irland-Hälfte zu befördern.

Unter dem Strich ein klarer Sieg für das englische Team, das aber bis auf die beiden Versuche offensiv wenig bis gar nichts anbot. Die Taktik dürfte auch kommende Woche gegen stark verunsicherte Waliser zum Erfolg führen. Doch ob Frankreich und erst recht die All Blacks und Springboks an der englischen Defensive verzweifeln, bleibt fraglich.

Wales 18-0 Georgien

Ein dunkler November-Tag im Westen von Wales mit viel Wind und Regen, ein verunsichertes Heimteam und eine Gäste-Mannschaft, die noch nicht auf dem Niveau der europäischen Spitze ist. Es waren nicht unbedingt die Zutaten für Champagner-Rugby und wenig überraschend gab es auch nur wenige Klasse-Kombinationen zu sehen. Eine führte zum ersten Versuch für Wales in der 26. Minute.

Nach einem Gedränge attackierte Wales-Innen Nick Tompkins die Linie, wurde von zwei Georgiern zurückgedrängt, konnte den Ball aber noch per Offload nach hinten loswerden. Der Ball wanderte über den neuen Verbinder Callum Sheedy per Laser-Pass zum Sensations-Teenager Louis Rees-Zammit, der seinen ersten Einsatz in der Start-XV direkt mit einem Versuch krönte.


Georgien hatte dem nicht viel entgegenzusetzen, auch wenn die Lelos vor allem defensiv besser aussahen, als gegen England in der Vorwoche. Wales konnte bis zur 76. Minute nur zwei weitere Straftritt hinzufügen, trotz zwischenzeitlicher Überzahl wegen einer Gelben für Georgien. Erst in der Schlusssequenz dann der zweite Versuch und erneut war es eine sehenswerte Kombination im Regen von Llanelli.

Verbinder Sheedy und Außen Rees-Zammit waren erneut beteiligt und arbeiten beim Durchbruch von Ersatz-Neuner Rhys Webb kräftig mit. 18:0 am Ende, wenig überzeugend, vor allem wenn man bedenkt, dass kommende Woche England zu Gast in Llanelli sein wird. Sollte Wales erneut Offensiv derart wenig anbieten droht die Null dieses Mal beim eigenen Punktekonto zu stehen. Auf Georgien hingegen wartet eine ungleich schwerere Aufgabe in Dublin.

Tabelle Gruppe A

Rang Team Spiele Punkte Differenz
1. England 2 9 +51
2. Irland 2 4 +12
3. Wales 2 4 -5
4. Georgien 2 0 -58



Schottland 15-22 Frankreich

Frankreich ist mit dem ersten Sieg im Murrayfield seit 2014 die erhoffte Revanche gelungen. Nachdem les Bleus im März kurz vor der Corona-Zwangspause an gleicher Stelle die Six Nations verspielt hatten, machten sie es dieses Mal besser. Dabei war der französische Sieg nicht dem Hutrah-Rugby der letzten Spiele zu verdanken, sondern mehr der harten Arbeit des Frankreich-Sturms.

Ohne den verletzten Verbinder Romain Ntamack startete Bordeaux-Zehner Mathieu Jalibert, der das Frankreich-Spiel nicht dermaßen anzukurbeln wusste, wie der erst 21-jährige Stamm-Zehner. Frankreichs Man of the Match war Innen Virimi Vakatawa, der als einziger an diesem Sonntag-Nachmittag in Edinburgh einen Versuch legen konnte. Allerdings wurde erst der dritte vermeintliche Versuch auch gegeben.

Nach neun Minuten hatte er einen Bodenroller-Kick von Innen-Kollege Fickou ins Malfeld als erster erreicht und vermeintlich abgelegt, dabei aber für den Geschmack von Schiri Barnes zu wenig Kontrolle. Mit dem Pausenpfiff war Vakatawa erneut im Malfeld mit dem Ball, Barnes wertete dies aber zurecht als Bewegung am Boden nachdem er bereits getackled war (second movement).

Zwischenzeitlich hatten Frankreichs Schluss Thomas Ramos und Schottlands Verbinder Duncan Weir immer abwechselnd den Punktestand per Kick auf 12:12 hochgeschraubt. Erst mit dem ersten Angriff der zweiten Hälfte der erste Versuch. Der erneut starke Stade-Français-Spieler Gaël Fickou bediente per Innenball den Elfer Rattez, so dass dieser durch die Lücke kam. Rattez wiederum ermöglichte Vakatawa den Versuch mit dem Pass, um Schluss Hogg aus dem Spiel zu nehmen.

Die Video-Highlights des Frankreich-Sieges

Die im Angriff äußerst biederen Schotten hatten bis auf einen Abseits-Straftritt nichts mehr anzubieten. Frankreich kam nach einem sehr starken Paket dem zweiten Versuch noch Mal nahe, musste sich aber mit dem Straftritt zum 22:15 begnügen. In den letzten 20 Minuten bis zum Abpfiff geschah nicht mehr viel. Frankreich siegte verdient und Schottland muss sich fragen, warum man daheim nicht mehr gewagt hat.

Frankreich kann kommende Woche daheim in Paris den Gruppensieg und das mögliche Finale des Autumn Nations Cups gegen England perfekt machen. Dabei wird aber eine komplett veränderte Frankreich-Mannschaft antreten. Die mächtigen französischen Klubs hatten mit ihrem Verband ausgehandelt, für wie viele Spiele sie ihre Nationalspieler pro Jahr abstellen müssen.

Kommende Woche wird deshalb eine blutjunge Frankreich-Mannschaft gegen Italien die Kohlen aus dem Feuer holen müssen. Ein Unentschieden muss es gegen Italien mindestens werden, sonst würde Schottland als Gruppensieger ins Finale des Turniers einziehen.

Italien 28-0 Fidschi (Absage wegen COVID-Ausbruch bei Fidschi, das Spiel wurde für Italien gewertet)

 

Tabelle Gruppe B

Rang Team Spiele Punkte Differenz
1. Schottland*
3 11 +32
2. Frankreich 2 9 +35
3. Italien 2 5 +17
4. Fidschi* 3 0 -84

* Die Partie Schottland-Fidschi wurde bereits mit 28:0 für Schottland gewertet, da Fidschi auch kommende Woche aufgrund des Corona-Ausbruchs im Kader kein Team stellen wird können. Beim Veranstalter hofft man darauf, dass Fidschi in der Woche darauf gegen den Gruppenletzten der Parallelgruppe antreten kann.

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