DRV-Wolfpack bleibt nur die Zuschauerrolle, während ehemalige Gegner für Furore sorgen
Geschrieben von TotalRugby Team
Donnerstag, 12. November 2020
Virimi Vakatawa im Laufduell mit Phil Szczesny, 2014 beim EM-Turnier von Bukarest.
Aktuell können die Spieler des DRV-Wolfpacks nur neidisch am TV verfolgen, wie zahlreiche ehemalige Gegner wieder auf internationaler Bühne glänzen. Allerdings aktuell ausschließlich im Fünfzehner-Rugby, wo der Spielbetrieb im Profi-Bereich seit einigen Monaten wieder läuft. Dorthin sind zahlreiche Siebener-Stars ausgewichen und eine Reihe von ihnen sorgt direkt für Furore, was auch Zeichen für die Qualität der Ausbildung in der olympischen Variante ist. Für das DRV-Team heißt es derweil die weiter andauernde Zwangspause als Chance zu begreifen.
Vor ziemlich genau anderthalb Jahren war er noch Teil des Irland-Teams im Halbfinale des Qualifier-Turniers von Hongkong, das unser DRV-Wolfpack trotz langer Führung durch zwei späte Versuche in den letzten 120 Sekunden, erzielt von Dardis und Conroy, noch verlor. Nun steht Hugo Keenan im Herbst 2020 bereits zum dritten Mal in Folge in Startaufstellung der irischen Fünfzehner-Nationalmannschaft - nach einem Doppelpack gleich beim allerersten Länderspiel auch wenig verwunderlich.
Es muss frustrierend sein für unsere DRV-Asse. Während die Nationalspieler des Wolfpacks seit Monaten hart trainieren, obgleich eine Rückkehr in den regulären Wettkampf weiterhin nicht abzusehen ist, spielen einiger ihrer ehemaligen Gegner derweil wieder auf der großen internationalen Bühne, allerdings aktuell ausschließlich im traditionellen Fünfzehner-Rugby. Denn eine Rückkehr der World Series, mit ihren 15 Teams von fünf Kontinenten, ist aufgrund der aktuellen Corona-bedingten Reisebeschränkungen noch immer nicht abzusehen.
2019 noch Wolfpack-Gegner, nun zum dritten Mal in Irlands Fünfzehner-Aufgebot: Außendreiviertel Hugo Keenan
Alte irische Bekannte in der Fünfzehner-Auswahl von Coach Andy Farrell
Allein im irischen Team sind mit Hugo Keenan, Shane Daly und Will Connors gleich drei Irland-Siebener-Spieler im Kader für den Autumn Nations Cup. Dabei sei das Trio in ihren Duellen gegen das DRV-Wolfpack „eher nicht herausragend“ gewesen, zumindest im Vergleich mit einigen ihrer Teamkollegen, wie Clemens von Grumbkow heute erklärt. Deshalb habe es ihn verwundert, genau diese Siebener-Spieler des Dauer-Gegners Irland jetzt im Fünfzehner-Kader wiederzufinden.
Der jetzige Co-Trainer und ehemalige Kapitän der DRV VII erinnert sich vielmehr an eine Reihe anderer heutiger Fünfzehner-Star, die bereits im Siebener herausragend gewesen seien. Obwohl von Grumbkow und das DRV-Team gegen so bekannte Namen, wie Sonny Bill Williams und Stuart Hogg gespielt haben, ist es allen voran ein Franzose, der dem DRV-Team bei jedem Duell Kopfzerbrechen bereitet habe. Die Rede ist von Virimi Vakatawa, den sein Racing-92-Vereinskollege Finn Russel erst kürzlich als besten zweiten Innen der Welt bezeichnete.
Von Grumbkows Erinnerungen an den fidschianischen Franzosen beziehen sich vor allem auf das Jahr 2014, als der Racing-92-Profi im EM-Turnier von Bukarest mit einem unwiderstehlichen Solo in der Schlussminute Deutschlands Siebener-Team einen Sensationssieg über Frankreich im Viertelfinale des Turniers verwehrte. Seine technische Stärke, gepaart mit seiner Explosivität und Kraft, hätten ihn bereits damals zu einem ganz besonderen Spieler gemacht, so von Grumbkow zurückblickend.
Der wohl beste Gegenspieler und nun auch im Fünfzehner ein Superstar: Frankreichs Fidschianer Vakatawa
Vakatawa war der „undankbarste Gegenspieler“ - Fabian Heimpel
Auch für Wolfpack-Veteran Fabian Heimpel war Frankreich-Star Vakatawa „der stärkste Gegenspieler im Eins-gegen-Eins“ und damit der „undankbarste“, gegen den er je angetreten sei. Der schnellste Gegenspieler, gegen den Heimpel in seinen über zehn Jahren im DRV-Dress spielen durfte, sei definitiv Dan Norton gewesen. Zahlreiche Duelle mit England-Star Norton hat das Wolfpack bereits hinter sich - jetzt geht der Außen in Farben von London Irish in der Premiership auf Versuche-Jagd.
Gleiches gilt aktuell auch für eine Reihe von Blitzboks-Stars, die in der südafrikanischen Super-Rugby-Version „Unlocked“ für Furore sorgen. Allen voran bei den Bulls aus Pretoria, die nach fünf Spieltagen an der Spitze des rein südafrikanischen Wettbewerbs stehen. Mit dem Siebener-Trio Stedman Gans, Kurt-Lee Arendse und Rosco Specman, angetrieben vom 36-jährigen Verbinder Mone Steyn, der seinen dritten Frühling zu erleben scheint, spielen ausgerechnet die lange als langweilig verschrieenen Bulls das aufregendste Rugby.
2019 noch bei den Oktoberfest 7s gegen Deutschland im Einsatz, nun die Shooting Stars im Super Rugby: Blitzboks Gans und Arendse
Gans und Arendse waren noch vor einem Jahr im Südafrika-Aufgebot bei den Oktoberfest 7s, haben den Zwangsumstieg aber gut gemeistert. Statt Olympia in Tokio hieß es zunächst Marathon-Lockdown daheim, der in Südafrika fast fünf Monate dauerte und neben strikten Ausgangsbeschränkungen auch ein Verkaufsverbot von Alkohol- und Tabakverkauf beinhaltete. Ihnen ist wie so vielen anderen Blitzboks-Stars der Sprung ins Fünfzehner gelungen.
Das dermaßen viele Siebener-Stars nahtlos im Fünfzehner für Aufsehen sorgen, allen voran Neuseelands neuer Superstar Caleb Clarke, verwundert DRV-Coach von Grumbkow nicht. Der ehemalige Nationalspieler und Kapitän der schwarzen Adler und des Wolfpacks erläutert gegenüber TR, dass der Schritt aus dem Siebener zum Fünfzehner der deutlich einfachere sei.
Siebener-Profis genießen hervorragende Ausbildung der wichtigsten Rugby-Skills - Clemens von Grumbkow
„Die Fähigkeiten, ob im Eins-gegen-Eins, perfekte 15-Meter-Pässe genau vor die Brust zu werfen, an den Kontaktpunkten effektiv und aggressiv zu sein, nach dem Tackle schnell wieder auf den Beinen zu seien und auf Turnover zu gehen und natürlich die Schnelligkeit und Fitness - all dies wird im Siebener hervorragend vermittelt“, so von Grumbkow.
Andersherum waren im Olympia-Jahr 2016 zahlreiche Fünfzehner-Stars beim Versuch gescheitert, sich einen Platz im Olympia-Kader ihrer Nationen zu sichern. Stuart Hogg beispielsweise, der 2014 noch für Schottland bei den Commonwealth Games im Siebener auflief, schaffte es nicht in den Kader des Team-GB für Rio. Dabei hatte er mit dem GB-Team einige Vorbereitungsturniere absolviert, unter anderem das Londoner Turnier Sevens and the City, wo er auch auf das DRV-Team traf.
Auch die Australien-Stars Quade Cooper und Nick Cummins versuchten sich 2016 beim Sprung in den Siebener-Kader für Rio und scheiterten. Sonny Bill Williams war im Olympia-Jahr eher die Ausnahme. Fidschi-Superstar Radradra gelang dagegen aus dem Rugby League kommend der Sprung in das Fidschi-Aufgebot für die WM 2018 in San Francisco. In Deutschland wusste Adler-Star Jaco Otto im Siebener weniger zu überzeugen, als in der Fünfzehner-Spielart, wo er in den letzten Jahren der beste DRV-Spieler und Versuche-Sammler war.
Wann das DRV-Team wieder im Wettkampf auflaufen darf, ist derweil für von Grumbkow noch nicht abzusehen. Abgesehen von einer Reihe von Trainings-Duellen gegen Spanien, hat das DRV-Team seit der Südamerika-Tour im Februar keine richtigen Wettkämpfe mehr absolviert. Ein für Dezember angedachtes Turnier, organisiert vom französischen Verband am nationalen Leistungszentrum des Verbands in Marcoussis, inklusive zweiwöchiger Abschirmung aller Teams, um vor COVID sicher zu sein, fiel dem zweiten nationalen Lockdown in Frankreich zum Opfer. An dem Turnier hätten acht Teams teilnehmen sollen, bis auf das DRV-Team allesamt World-Series-Mannschaften.
Bei World Rugby wird nach einem Bericht der South China Morning Post mit einem Neustart der World Series in Hongkong im April 2021 geliebäugelt - das könnte das erhoffte Licht am Ende des langen Tunnels sein. Allerdings müsste das Turnier ohne internationale Zuschauer und mit reduzierter Stadionkapazität stattfinden. Ob in dem Falle in Hongkong auch das Qualiturnier stattfinden wird, ist ebenso fraglich. „Aktuell weiß niemand so richtig was“, so Clemens von Grumbkow zu TR. Dem DRV-Team bleibt somit zunächst nur weiterzutrainieren und dies als Chance zu begreifen.
Motivation nicht immer einfach, aber Training ein „wahnsinniges Privileg" - Robert Haase
Wolfpack-Stürmer Robert Haase erklärt gegenüber TR, dass das mit der Motivation in den letzten Wochen und Monaten nicht immer ganz einfach gewesen sei, da die Herausforderung und das Ziel, auf das man hinarbeite, fehlten. Mittlerweile sieht der 25-jährige das Training aber „als wahnsinniges Privileg“ - nicht zuletzt, da einigen Konkurrenten diese Möglichkeit genommen wurde.
Man habe sich im Wolfpack aber an die neue Situation angepasst und versuche sich individuell und als Team weiterzuentwickeln. „Die körperlichen Grundlagen, die wir jetzt aufbauen, werden uns nächstes Jahr dabei helfen, unser Spielkonzept so umzusetzen, wie wir uns das vorstellen.“ Das wiederum helfe bei der Motivation in den kommenden Monaten.