Super-Samstag: Six Nations Showdown und Wallabies v All Blacks III
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 30. Oktober 2020
England mit Super-Außen May muss gegen Italien vorlegen, um den Six-Nations-Titel zu gewinnen. Foto (c) Perlich
Ein Super-Samstag der Superlative - gleich vier hochklassige internationale Rugby-Matches und allesamt sind sie in Deutschland zu empfangen. Den Auftakt machen Australien und Neuseeland, die im zur Hälfte besetzten Olympiastadion Bledisloe-Cup-Spiel drei von vier ausspielen. Australien kann die Serie noch immer offen halten und so nächste Woche in Brisbane vielleicht erstmals seit 2003 den All Blacks den begehrten Cup abnehmen. Dann kommt es zur Entscheidung bei den Six Nations - noch drei Teams könnnen das wichtigste Rubgy-Turnier außerhalb des World Cups gewinnen. Irland und England haben die besten Chancen, aber vielleicht könnten auch les Bleus am Ende den Titel für sich entscheiden.
Bledisloe Cup / Tri Nations
Australien - Neuseeland Samstag 31. Oktober 9:45 Uhr Uhr, Olympiastadion Sydney (live bei Rugbypass.com)
Auch wenn die Wallabies vor zwei Wochen in Auckland eine gehörige Abreibung kassiert haben, sind sie doch noch nicht völlig aus dem Rennen um den Bledisloe Cup. Die normalerweise drei Spiele andauernde Serie um den riesigen Henkelpott, den Australien und Neuseeland seit knapp 100 Jahren gegeneinander ausspielen, wurde im Corona-Jahr 2020 um ein Spiel erweitert.
Dank ihres dramatischen Unentschiedens im ersten Bledisloe-Duells in Wellington - als ein Penalty von Reece Hodge ans Gebälk und neun Minuten hochdramatische Nachspielzeit keinen Sieger im Regen von Wellington hervorbrachten - würden zwei Siege in Sydney und Brisbane nächste Woche den erstmaligen Sieg im Bledisloe seit 17 Jahren bedeuten. Kein Wallaby-Kapitän seit dem legendären John Eales hat die jährlich ausgespielte Wandertrophäe in die höhe recken dürfen.
Bledisloe II war eine klare Sache für die All Blacks
Insgesamt haben die Australier seitdem eine Horror-Bilanz, doch daheim sieht es gar nicht Mal so schlecht aus. Zwei der letzten drei direkten Duelle auf heimischen Boden gingen an die Australier. Mit einem Sieg könnten sie ein Entscheidungsspiel in einer Woche in Brisbane erzwingen. Mit einem halbvollen Stadion im Rücken - Australien hatte zuletzt nur noch um die 10 Corona-Fälle landesweit registriert - könnte es klappen.
Doch in allerletzter Minute erreichte Australiens Fans ein großer Schock. Nachdem bereits Innen Matt Toomua während des letzten Länderspiels verletzungsbedingt ausfiel, musste nun kurzfristig mit James O’Connor auch der eigentliche Verbinder wegen einer Knie-Blessur passen. Nun müssen zwei blutjunge Spieler die Kohlen aus dem Feuer holen.
Der erst 20-jährige Noah Lolesio wird die Wallabies-Geschicke von der Verbinder-Position aus lenken müssen, Irae Simone wird als erster Innen starten - beide geben ihr Debüt auf internationaler Bühne. Gleich gegen die All Blacks mit Richie Mo’unga und Jack Goodhue antreten zu müssen, macht die Aufgabe ungemein schwerer.
Alle Augen auf Caleb Clarke: Wenn Australien gewinnen will, müssen sie den All-Blacks-Shootingstar unter Kontrolle bringen
Umso mehr Verantwortung wird auf den Schultern von Dane Haylett-Petty lasten. Der erfahrene Schluss kehrt nach Verletzung in die Start-XV zurück und muss niemanden Geringeres, als Beauden Barrett neutralisieren. Doch Barrett ist nicht der einzige Supersprinter unter Neuseelands Dreiviertelspielern - Shooting Star Caleb Clarke startet in seinem erst dritten Spiel für die All Blacks.
Der ehemalige Siebener-Spieler Neuseelands hatte mit einer übermenschlichen Leistung in Auckland bereits für Vergleiche mit der Legende Jonah Lomu gesorgt. Sollte der blitzschnelle und körperlich ebenso starke 21-jährige erneut eine derartige Leistung abliefern, dürfte es für Australien verdammt schwer werden.
Bei den Neuseeländern rückt zudem Hoskins Sotutu in die Start-XV und ersetzt den werdenden Vater Ardie Savea. Außerdem rückt Karl Tu’inukuafe für Joe Moody auf die Prop-Position und Sam Whitelock kehrt nach einer Gehirnerschütterung in Spiel eins in Wellington zurück.
TR-Prognose: Es käme schon einem Wunder gleich, wenn die Wallabies mit ihren Verletzungssorgen morgen die All Blacks schlagen. Das neuseeländische Team schien im zweiten Bledisloe-Duell seinen Groove gefunden zu haben und geht als klarer Favorit in das Duell. Für das internationale Rugby insgesamt wären Duelle auf Augenhöhe zwischen den Erzrivalen sicherlich hilfreich. Aber mit der äußerst unerfahrenen 10-12-Kombination wird Australien es morgen schwer haben. Neuseeland gewinnt mit +12 Punkten.
Guiness Six Nations
Die Ausgangslage: Noch drei Teams haben Chancen auf den Six-Nations-Titel
Rang
Land
Spiele
Punkte
Differenz
1.
Irland
4
14
+38
2.
England
4
13
+15
3.
Frankreich
4
13
+13
4.
Schottland
4
10
+14
5.
Wales
4
7
+25
6.
Italien
4
0
-105
Die Szenarien - Irland hat es als einziges Team selbst in der Hand
Irland gewinnt den Titel, wenn sie gegen Frankreich mit Offensiv-Bonuspunkt gewinnen
Irland gewinnt ebenso bei einem Sieg ohne Offensiv-Bonus, wenn England die 23 Punkte Rückstand in der Differenz nicht aufholen kann
England gewinnt die Six Nations bei einem Bonuspunkt-Sieg, der zugleich die um 23 Punkte schlechtere Differenz als Irland wettmacht und die Iren keinen Offensiv-Bonus holen
Frankreich gewinnt das Turnier, wenn sie Irland mit 2 Punkten mehr schlagen, als England gegen Italien gewinnt
Wales - Schottland Samstag 31. Oktober 15:15 Uhr Uhr, Parc y Scarlets, Llanelli (live bei ProSieben Maxx, Ran.de, DAZN)
Die letzte Runde der Six Nations 2020 beginnt an einem Ort, in dem seit 1998 kein Wales-Länderspiel mehr ausgetragen wurde. Schon die Tatsache, dass dieses Spiel im Parc y Scarlets von Llanelli ausgetragen wird, zeigt unter welch besonderen Umständen es stattfindet. Denn Wales traditionelle Heimstätte, der Cardiffer Rugby-Tempel Millennium Stadium, dient weiter als Notlazarett in der Corona-Krise um die Krankenhäuser zu entlasten.
Während also da, wo normalerweise Wales Rugby-Helden um das ovale Leder kämpfen, andere Helden in weißen Kitteln die Regie übernehmen, muss das Nationalteam in Llanelli das letzte Spiel der Six Nations absolvieren. Genau in jenem Städtchen, in dem der Llanelli RFC einst 1972 die All Blacks schlug - der Tag sollte „als Tag an dem das Bier ausging“ in die Waliser Geschichte eingehen.
Ein Sieg über Schottland würde keine vergleichbaren Jubelstürme auslösen, auch wenn er Balsam für die Waliser Seele wäre. Denn das Land befindet sich im neuerlichen Lockdown, der deutlich schärfer ist als der deutsche. Das eigene Haushalt kann nur noch aus wenigen genau definierten Gründen verlassen werden, andere Menschen in ihren Haushalten zu besuchen ist noch mindestens zehn weitere Tage verboten.
Auf den Ausgang der Six Nations hat das Spiel keinerlei Bedeutung mehr. Weder Wales noch Schottland können das Turnier noch für sich entscheiden - Schottland würde aber realistisch noch auf dem dritten Rang landen, wenn es den Bravehearts gelingt, den Sieg in Llanelli zu holen. Tatsächlich geht Schottland nicht chancenlos in dieses Duell, obwohl der letzte Sieg auf walisischem Boden 18 Jahre zurück liegt.
Lebende Legende: Alun Wyn Jones wird am Samstag Richie McCaws Länderspielrekord übertreffen
Die Gäste konnten bei ihrem Vorbereitungsspiel letztes Wochenende gegen Georgien beim 48-7 Heimsieg Selbstvertrauen tanken. Wales dagegen wurden die eigene Defensiv-Schwäche beim Gastspiel im Pariser Stade de France eindrucksvoll aufgezeigt. Das Team von Wayne Pivac erzielte zwar innerhalb von 58 Sekunden den ersten Versuch, danach wurde das Team aber von Frankreichs filetiert. Fünf Mal kombinierten sich les Bleus durch die einst beste Defensive Europas.
Mit einer ähnlichen Defensivleistung dürfte Wales gegen die Schotten einen schwierigen Nachmittag in Llanelli verleben. Um die walisische Defensive zu verstärken setzt Coach Pivac ausgerechnet auf einen Neuling: Shane Lewis-Hughes wird mit 23 seinen ersten Einsatz für Wales haben, nachdem er letzte Woche nicht Mal im Kader war. Der Sechser ist eine absolute Tackle-Maschine und hatte in ersten beiden Spielen der neuen Pro-14-Saison insgesamt 46 Tackles gemacht.
Sonst gibt es bei den Walisern wenig Überraschungen zu vermelden. Routinier Liam Williams kehrt auf die Außenposition zurück, Youngster Louis Rees-Zammit fliegt nach einem unscheinbaren Debüt in Paris aus dem Kader. Kapitän Alun Wyn Jones wird mit seinem 149 Länderspiel den Allzeit-Rekord von Richie McCaw brechen (TR berichtete).
Bei den Schotten wird Six-Nations-Neuling Duhan van der Merwe (mehr zu ihm bei unseren TR-Spielern im Fokus) von der Bank kommen. Finn Russell übernimmt das Zehner-Shirt, nachdem er nach ausgestandenem Konflikt mit Coach Townsend endlich in den Schottland-Kader zurückkehren durfte (TR berichtete). Es dürfte spannend zu sehen sein, ob Russell seinen kompromisslosen Offensiv-Stil auch im Dauerregen von Llanelli durchziehen wird.
TR-Prognose: Wales geht trotz des schwachen Auftritts in Paris favorisiert in diese Partie. Der Heimvorteil der Waliser dürfte auch ohne Zuschauer schwer wiegen. Schottland spielte zuletzt auswärts nicht sonderlich stark. Bei stürmischen und nassen Bedingungen dürften die Sturmreihen spielentscheidend sein. Mit einer erfahrenen Tight-Five-Kombination und Taulupe Faletau auf der Acht hat Wales Vorteile. Dazu dürften die Bedingungen dem meist fehlerfreien Dan Biggar besser liegen, als seinem Verbinder-Gegenüber Russell - Wales gewinnt mit +6 Punkten.
Italien - England Samstag 31. Oktober 17:45 Uhr Uhr, Olympiastadion Rom (live bei Ran.de, DAZN)
England hat am Samstag den Luxus im Titelkampf vorlegen zu können. Ein möglichst hoher Bonuspunktsieg setzt Irland erheblich unter Druck vor deren Spiel am gleichen Abend gegen Frankreich - für les Bleus, die ebenso noch theoretische Titelchancen haben, würde ein solcher Sieg den Six-Nations-Triumph unmöglich machen. Sollte Irland im Falle eines Sieges den Offensiv-Bonus verpassen, wäre die Punktedifferenz das nächste titelentscheidende Kriterium. Aktuell liegt Irland 23 Zähler vor England.
Angenommen England holt einen hohen Kantersieg Italien mit 40 Punkten Abstand, müssten diese einen historischen Sieg in Paris feiern. Noch nie konnte ein irisches Team mit einem derart hohen Vorsprung in Paris gewinnen. Von letzten drei Duellen im Stade de France gingen zwar zwei an Irland, jedoch nur mit jeweils zwei Zählern Abstand.
Dementsprechend ist klar, was England im leeren Stadio Olimpico vollbringen muss. Nachdem die Italiener aber letzte Woche eine desolate Leistung in Dublin ablieferten, scheint ein Kantersieg der Männer von Eddie Jones aber recht wahrscheinlich zu sein. Italiens blutjunger Verbinder Paolo Garbisi hatte in Dublin ein Debüt zum vergessen und sieht sich nun der dritten Sturmreihe der Engländer gegenüber, die bei der WM selbst den Neuseeländern Kopfzerbrechen bereitet hatte.
Italien konnte gegen Irland wenig zeigen - gegen England droht nun die Schlappe
Im Vorfeld war darüber spekuliert worden, ob Eddie Jones eventuell einigen jüngeren Talenten die Chance gibt sich in Rom unter Beweis zu stellen. Doch der Australier wählte die Variante keine Experimente. Lediglich Johnny Hill vom Double-Sieger Exeter Chiefs rückt als Debütant die Start-XV.
Sonst sieht man viele bekannte Gesichter: Owen Farrell rückt von der Zwölf auf die Zehn, da George Ford ausfällt, Slade und Joseph als Innen-Kombination, Maro Itoje neben Hill in der zweiten Reihe, in der ersten Reihe die bewährte Kombination Vunipola-George-Sinckler.
Englands Warm-Up-Spiel gegen die Barbarians fiel dem Skandal um die nächtlichen Lockdown-Brecher der Barbarians zum Opfer. Damit hat beispielsweise Owen Farrell seit seiner roten Karte Anfang September gegen die Wasps kein Spiel mehr absolviert. Ob sich das negativ auswirken wird, bleibt abzusehen.
TR-Prognose: England will und wird in Rom nichts anbrennen lassen. Noch nie hat Italien gegen England gewonnen und daran wird sich trotz der Rückkehr von Italiens wohl talentiertestem Spieler Matteo Minozzi auf Schluss nicht viel ändern. England ist im Sturm zu dominant und hat Johnny May den wohl schnellsten Winger der Nordhemisphäre in den Reihen. Der Vizeweltmeister gewinnt mit +30 Punkten.
Frankreich - Irland Samstag 31. Oktober 21:10 Uhr Uhr, Stade de France (live bei ProSieben Maxx, Ran.de, DAZN)
Während rund um das größte Stadion Frankreichs Normalbürger ihr Haus nur noch mit triftigem Grund und Ehrenerklärung verlassen dürfen, wird auf dem Rasen der Arena von Saint Denis das Sechs-Nationen-Turnier entschieden. Frankreich hat nur noch theoretische Chancen, müssten les Bleus Irland doch mit einer höheren Differenz schlagen, als England im vorherigen Spiel gegen Italien.
Irlands Chancen auf den Titel-Triumph sind dagegen weitaus realistischer, auch wenn lediglich ein Bonuspunktsieg garantiert für den Titel reichen würde - Irland konnte bisher nur ein einziges Mal vier Versuche auf französischem Boden erzielen und selbst das reichte nicht zu einem Sieg. Der letzte Sieg der Iren in Paris im Jahr 2018 kam erst mit einem Dropgoal von Johnny Sexton in der Nachspielzeit. Könnte es dieses Mal wieder derart dramatisch werden?
Frankreichs Offensivfeuerwerk gegen Wales könnte ein Fingerzeig sein - les Bleus sind in bestechender Offensiv-Form
Irland muss verletzungsbedingt auf Innendreiviertel Garry Ringrose verzichten, der sich gegen Italien bei einer unglücklichen Kollision mit einem gegnerischen Knie den Kiefer gebrochen hat. Mit Robbie Henshaw ist aber für ordentlichen Ersatz gesorgt. Sonst hat sich Irland-Coach Farrell für die gleiche XV entschieden, die in der Woche zuvor einen 48-17 Sieg über Italien einfahren konnte. Murray und Sexton steuern das Spiel erneut von den Spielmacher-Positionen, Andrew Porter ersetzt erneut den verletzten Prop Furlong.
Italiens magere Offensiv-Bemühungen am letzten Samstag dürften das irische Team kaum auf den Monster-Sturm der Franzosen und deren geniales Kreativ-Duo aus Neuner Antoine Dupont und Verbinder Romain Ntamack vorbereitet haben. So wie sich Frankreichs Offensive letzte Woche durch die Wales-Defensive kombiniert hat, werden les Bleus mit sehr viel Selbstbewusstsein in diese Partie gehen.
Lediglich die verletzungsbedingte Abwesenheit von Außen Teddy Thomas wird den Franzosen ein wenig Kopfzerbrechen bereiten. Der Racing-Winger hatte mit einem überragenden Solo-Versuch gegen Wales im Vorbereitungsspiel letzte Woche für die Szene der Partie gesorgt. Für ihn rückt Gaël Fickou auf Außen, der U-20-Weltmeister von 2018, Arthur Vincent von Montpélier, kommt auf Innen zu seinem sechsten Einsatz in Frankreich-Farben.
TR-Prognose: Wie beide Teams das Spiel angehen werden, dürfte auch vom Ergebnis zuvor in Rom abhängen. Frankreich hat nur eine Titelchance, wenn Italien das Ergebnis gegen England relativ knapp hält. Frankreich würde dann sicherlich noch offensiver antreten, um die Differenz wettzumachen. Für Irland wäre ein solches Szenario auch gut, könnte man doch mit weniger Risiko spielen, öfter taktisch kicken und auf französische Fehler hoffen. Insgesamt sehen wir bei TR Frankreich als leicht favorisiert an - sie waren, mit der Ausnahme des Ausrutschers in Edinburgh nach der roten Karte für Mohamed Haouas das beste Team im Sechs-Nationen-Turnier. Mit einem übermächtigen Sturm und einer spielfreudigen Dreiviertelreihe werden die Franzosen sich gegen Irland mit +9 durchsetzen.