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TR-Interview mit Anton Segner: „Manchmal muss ich mich schon noch kneifen"
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 28. Oktober 2020

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Deutschlands erster Profi in Neuseeland und der jüngste obendrein. Anton Segner lebt in Neuseeland gerade den Rugby-Taum.

Wir erreichen Anton Segner am Mittwoch-Morgen, genau an seinem freien Tag. Zwischen seinem Profi-Debüt für die Tasman Mako gegen Southland und seinem zweiten Spiel am Samstag in Wellington. Für den 19-jährigen Deutschen ist es die Chance ein wenig abzuschalten, nach den turbulenten Tagen rund um sein Debüt. Im Corona-freien Neuseeland, das gerade Richtung Sommer geht, heißt das mit Freunden schwimmen zu gehen. Doch zunächst hat sich der Frankfurter Zeit für ein ausführliches Interview mit TR genommen, in dem er über die letzten Wochen, seinen allererstes Spiel und seine künftigen Ziele spricht.

TotalRugby: Servus Anton, Danke dafür, dass du dir die Zeit genommen hast - erst Mal: Wie geht es dir jetzt, fast drei Tage nach dem Spiel. Hast du dich komplett wieder erholt?

Anton Segner: Ich habe ja nur eine halbe Stunde gespielt, ich bin wieder bei 100%, soweit ist alles gut bei mir.

TR: Das Spiel gegen Southland am Sonntag war ja mit Blick auf das Restprogramm, eure Ambitionen als Titelverteidiger und die Tabelle quasi ein Pflichtsieg, oder?

AS: Auf jeden Fall! Obwohl Southland oft unterschätzt wird, haben wir das nicht getan. Die letzten Spiele zwischen uns und denen waren immer sehr eng. So auch am Sonntag im ersten Durchgang, zum Glück hat es in der zweiten Hälfte dann geklickt, so dass wir zu Punkten kamen.

Jetzt am Samstag spielen wir in Wellington, dann gegen Canterbury und dann wartet Otago - die nächsten Spiele sind allesamt wichtig und schwer. Aber wir haben auf jeden Fall Bock drauf!

Die Video-Highlights des Debüt-Spiels von Anton Segner

TR: Du hast uns Mal vor über einem Jahr verraten, dass Ardie Savea dein sportliches Vorbild ist. Der ist ja sogar Wellington-Spieler, allerdings aktuell mit den All Blacks in Sydney. Dafür könnte es aber gegen seinen Bruder Julien gehen und gegen einen gewissen Vaea Fifita, der ja auch All Black ist…

AS: Das wird auf jeden Fall cool, gegen solche Spieler zu spielen. Ich bin sehr motiviert und habe natürlich wieder ein paar Schmetterlinge im Bauch, wie man hier sagt. aber das ist auch gut so, das war vor dem Spiel am Sonntag auch so, das gibt extra Energie. 

„Trotzdem hört es sich immer noch komisch an, wenn ich sage, dass ich morgen zur Arbeit gehe, obwohl es „nur“ Rugby spielen ist."

TR: Die Saisonvorbereitung ging ja bereits im Juli los - hast du dich mittlerweile einigermaßen an das Profi-Dasein gewöhnt?

AS: In der Pre-Season habe ich einen guten Einstieg in die Mannschaft, die Umgebung und die Team-Kultur bekommen. Ich bin seitdem jeden Tag beim Team, wir sind alles Brüder, wie eine große Familie. Trotzdem hört es sich immer noch komisch an, wenn ich sage, dass ich morgen zur Arbeit gehe, obwohl es „nur“ Rugby spielen ist. Es ist meine Leidenschaft und ich schätze mich sehr glücklich und bin dankbar dafür, dass ich das zum Beruf machen konnte.

Auch in Neuseeland gilt Segner als "rising star"

TR: Das klingt so, als seist du wirklich gut aufgenommen worden in die Mannschaft, auch von Spielern wie Shannon Frizell oder David Havili, die schon ein paar Spiele für die All Blacks hinter sich haben….

AS: Definitiv und das sage ich Leuten auch immer, obwohl das jetzt sieben Wochen {mit dem Debüt} gedauert hat, war ich jeden Tag dankbar dafür, Teil des Teams seien zu dürfen. Auch wenn man nicht spielt, kann man immer noch so viel lernen - nicht nur von den Trainern, sondern auch von den Spielern, die tagtäglich um einen herum sind. Von so Spielern wie Shannon Frizell oder Sevu Reece konnte ich wirklich viel lernen, nur vom Training mit ihnen. 

TR: Bist du über diese sieben Wochen auch ein bisschen ungeduldig geworden? Also, dass du von der Schule kommend einen All Black wie Frizell auf der Flanker-Position nicht direkt verdrängen würdest, war ja sicher klar.

AS: Ungeduld würde ich jetzt nicht sagen, es war immer ein Riesen-Ziel für mich. Das jetzt schon zu erreichen, dafür bin ich total dankbar, das habe ich den Trainern auch so gesagt. Dafür, dass sie mir das Vertrauen und die Chance gegeben haben - beschwert habe ich mich auf keinen Fall.

Mir war ja klar, dass ich einer von nur ganz wenigen 19-jährigen bin, die im Mitre-10-Cup mitspielen dürfen. Als mir dann gesagt wurde, dass ich am Sonntag auf der Bank sein würde, war ich einfach nur glücklich.

Segners wahrscheinlich direkter Gegenspieler am Samstag: All Blacks Vaea Fifita

TR: Wie hast du es erfahren, dass es endlich klappen würde?

AS: Uns wird das immer zu Beginn der Woche gesagt. Wir hatten am Montag letzte Woche eine Kraft-Einheit und da kam unser Sturm-Trainer Clark Dermody (Ex-All-Black-Prop, Anmerkung der Redaktion) auf mich zu und meinte, dass ich auf der Bank sitzen würde. Von da an hatte ich für den Rest der Woche ein Lächeln auf dem Gesicht. 

TR: Zum Spiel selbst, dein wohl bester Lauf kam nach einer Gasse, als du den Ball mit voller Geschwindigkeit bekommen hast und locker 25 Meter gemacht hast - der Spielzug war sicher vorher einstudiert, oder?

AS: Das war er tatsächlich, nur eigentlich war geplant, dass ich getacklet werde und wir uns dann von hinten per Kick befreien können. Glücklicherweise hat mir Sione Havili einen guten Pass geschmissen, ich habe eine schwache Schulter gefunden und bin dann durchgebrochen. Von da aus hat Mitch Hunt am anderen Ende den Versuch gelegt.

TR: Von Nervosität war ja keine Spur - den ersten Ball hast du ja nach der Einwechslung in der Gasse bekommen. Das hat sicher geholfen, oder?

AS: Absolut, ich weiß nicht ob man das im TV gesehen hat, aber als ich auf den Platz gekommen bin, hat mich Isaac Ross (ebenso Ex-All-Blacks, Anmerkung der Redaktion) beim Gedränge unter den Arm genommen und mir gesagt „mach einfach dein Spiel, du hast die ganze Vorbereitung mitgemacht, sei selbstbewusst“. Dann hat er direkt die erste Gasse für mich gecalled, mich direkt ins Spiel eingebunden und dann war auch die Nervosität weg.

Von da an habe ich einfach mein Spiel gemacht und mit so guten Spielern um einen herum, muss man einfach nur den Ball fangen, rennen und weiterpassen!

„Aber es ist schon lustig, wenn man da einen Mitspieler hat, der dein Vater sein könnte."

TR: Wo du gerade von deinen Mitspielern sprichst, einer deiner Teamkollegen, Alex Ainley ist 39 und könnte dein Vater sein.

AS: (Lacht) ja, der ist 20 Jahre älter als ich. Der Witz im Team ist, dass ich vier Jahre alt war, als ich das erste Mal für die Mako gespielt hat. Schon ein großer Altersunterschied, aber wenn man so viel Erfahrung im Team hat, hilft das schon, die Jungs bringen viel Ruhe mit. Aber es ist schon lustig, wenn man da einen Mitspieler hat, der dein Vater sein könnte.

TR: Wie ist das im Team, also normalerweise hat man ja mit den Teamkollegen auch abseits des Platzes viel zu tun. Wie ist das bei euch so, du hältst dich wahrscheinlich eher an die jüngeren Teamkollegen.

AS: Genau, die älteren Spieler haben ja auch meist Familie und Kinder. Aber die jüngeren Spieler, wie zum Beispiel Leicester Fainga’anuku, den ich noch vom Nelson College kenne, mit denen habe ich mehr zu tun. Gestern waren wir zum Beispiel im Kino und heute gehen wir zusammen ins Schwimmbad. Also tendenziell eher mit den Jungs, die in einem ähnlichen Alter sind.

TR: Du hast uns ja Mal verraten, dass du generell keinen Alkohol trinkst. Für viele gehört ja das Bier nach dem Spiel beim Rugby aber irgendwo dennoch dazu. Mal ehrlich, bist du da nach so einem Sieg einer von vielen, oder eher in der Minderheit?

AS: Da bin ich schon eher einer von wenigen, die meisten genießen nach dem Spiel schon ein oder zwei Bierchen. Ein paar beschränken sich auf große Spiele, oder wenn wir erst acht Tage später spielen und dementsprechend zwei Tage frei haben. Aber gerade unter den Älteren gibt es ein paar die aus Leidenschaft ihr Bier nachher trinken und Spaß haben. 

TR: Kieran Manawatu hatte dich ja damals nach Neuseeland geholt. Bist du noch im Kontakt mit ihm?

AS: Er ist mittlerweile nach Westport gezogen und arbeitet für die Buller Rugby Union. Aber klar, er war auch am Sonntag mit seiner Familie beim Spiel und hat zugeschaut. Das war natürlich cool, ich kenne ihn schon seit langem, noch aus Deutschland. Das erinnert mich auch immer daran, wo alles angefangen hat. Dank ihm bin ich überhaupt hier und ohne ihn wäre das alles nicht möglich gewesen.

TR: Nach mittlerweile drei Monaten mit den Profis und deinem ersten Spiel. Wie groß war der Sprung vom Schoolboys-Rugby, das ja in Neuseeland schon sehr professionell ist und dem Mitre 10 Cup? Und wo glaubst du dich vor allem noch verbessern zu müssen?

AS: Schul-Rugby und Profi-Rugby, das sind schon zwei verschiedene Welten. Es ist viel schneller und deutlich physischer, man spielt halt gegen ausgewachsene Männer. Das erklärt dann auch, woran ich künftig noch arbeiten muss. Ich muss physisch stärker werden, ohne Schnelligkeit einzubüßen, um hier mithalten zu können.

Tatsächlich ist ein weiterer Unterschied, dass wir in der laufenden Saison nie zu 100% Vollkontakt trainieren. Donnerstags ist immer unsere intensivste Einheit, das nennen wir Game Scenario Training und da wird mit 70% Kontakt gespielt. Mehr machen wir im Training nach der Pre-Season nicht mehr.

Segner sieht den Kontaktpunkt, wie hier für Neuseeland Schul-Nationalmannschaft, als eine seiner Stärken

TR: Also würdest du deine Stärken weiter den Kontaktpunkt und Ballvorträge nennen? Sprichwort Vorbild Ardie Savea…

AS: Obwohl ich das definitiv als meine Stärken sehe, arbeite ich da weiter dran. Das ist das, womit ich mich hervorheben kann, das womit ich dem Team helfen kann.

TR: Auch bereits am Samstag in Wellington?

AS: Ja, ich starte wieder von der Bank.

TR: Wir vermuten Mal, dass ihr als Titelverteidiger wieder in die Playoffs wollt.

AS: Ja, wir wollen die drei nächsten Spiele gewinnen und möglichst daheim das Halbfinale haben.

TR: Dein Wohnort Nelson ist ja mit gut 50.000 Einwohnern nicht dermaßen groß - du wirst sicherlich schon mittlerweile ab und an erkannt, oder?

AS: Wenn man abends essen geht, wird man schon von ein paar Leuten erkannt, vor allem die Kids, die dann nach Autogrammen oder Fotos fragen. Es ist schon lustig, vor nicht allzu langer Zeit war ich das Kind, das nach Fotos und Autogrammen gefragt hat (lacht). Manchmal muss ich mich schon noch kneifen, dass das jetzt meine Realität ist.

Vor einem Jahr besuchte ein Kamera-Team des ZDF Segner, als er noch für das Nelson College auflief

TR: Die Saison ist ja dann im Dezember vorbei. Mit den Corona-Beschränkungen wirst du ja dieses Jahr nicht in die Heimat können.

AS: Meine Mutter hat mich bisher immer einmal im Jahr besucht, das wäre dieses Jahr im März gewesen. Damals waren wir hier im Lockdown und deshalb ging das nicht. Eigentlich bin ich bisher immer Weihnachten heim, aber jetzt sieht es so aus, als würde ich mein erstes Kiwi-Christmas bei 30 Grad am Strand haben. Das könnte interessant werden, natürlich bin ich aber auch enttäuscht meine Familie noch eine Weile nicht sehen zu können - hoffentlich gibt es da bald eine Lösung.

TR: Weißt du bereits, wie es nach Weihnachten im Jahr 2021 weitergeht? Im Februar / März würde ja dann wieder Super Rugby losgehen…

AS: Anfang dieses Jahres habe ich ja zwei Wochen Pre-Season-Training mit den Crusaders gemacht, das war total cool. Momentan suchen wir noch, was die beste Lösung für mich ist. Hoffentlich wieder da unten in Christchurch mit den Crusaders, wenn nicht, irgendwo anders wäre auch gut.

TR: Die Blues haben zuletzt ja einen richtigen Hype erlebt. Würdest du nicht lieber nach Auckland und vor 50.000 im Eden Park spielen, als in Christchurch?

AS: Momentan würd ich überall hin, wer mich will, kann mich haben (lacht)! Also ich hoffe bei einem Super-Rugby-Team unterzukommen, ob es klappt, lässt sich gerade noch nicht sagen.

TR: Daran, dass die All Blacks dein großes Ziel sind, hat sich wahrscheinlich nichts geändert?

AS: Nein, definitiv nicht und deshalb das Ziel Super Rugby. Man muss für ein neuseeländisches Super-Rugby-Team spielen, um für die All Blacks spielen zu dürfen.

Sollte Australien am Samstag in Sydney gewinnen, wäre der Bledisloe Cup ausgeglichen - Segner glaubt aber an die Stärke der All Blacks

TR: Was ist deine Prognose für Samstag, wenn die All Blacks in Sydney antreten? Wird der Bledisloe Cup noch Mal spannend?

AS: Neuseeland packt es, die All Blacks sind zu gut.

TR: Wäre es nicht spannender, wenn es ein Entscheidungsspiel gibt?

AS: Natürlich wäre das spannender, aber ich glaube nicht, dass es dazu kommt. In meinen Augen sind sie immer noch das beste Team der Welt, deshalb glaube ich sie gewinnen es am Samstag.

TR: Wir werden es sehen, aber vorher hast du ja noch dein Spiel gegen Wellington. Viel Erfolg dabei und noch einen entspannten Ruhetag! Wir danken dir für das Interview.

Hinweis: Anton Segner und die Mako treten Samstag früh um 2:05 morgens gegen Wellington an. Das Spiel kann man bei Rugbypass.com live verfolgen, oder im Re-Live. Das Abonnement kostet 9,95$ im Monat, ist jederzeit kündbar und beinhaltet unter anderem auch die Spiele der All Blacks.


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