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Zwei Legenden, zwei Schicksale - der Weltrekord und das Karriereende
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 27. Oktober 2020

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Zwei Legenden, zwei Schickale - Alun Wyn Jones übernimmt am Samstag den Rekord für die meisten Länderspiele, David Pocock beendet seine fast ebenso lange Karriere. Foto (c) Perlich

Zwei Spieler, die die letzte Dekade im internationen Rugby geprägt haben. Zwei Spieler, die schon zu aktiven Zeiten Legenden in ihren Nationalteams wurden und diese als Kapitän anführten. Die Rede ist vom Waliser Alun Wyn Jones, sowie dem Australier David Pocock. Während Ersterer am Wochenende einen neuen Weltrekord für absolvierte Länderspiele aufstellen dürfte, beendet Pocock seine Karriere ohne einen angemessenen Abschied zu bekommen, Dank Corona.

Als Alun Wyn Jones erstmals für Wales gegen Argentinien auflief, befand sich Deutschland gerade im Taumel des Sommermärchens, mitten während der FIFA-Weltmeisterschaft 2006. Die Welt musste sich noch über ein Jahr gedulden, bevor das allererste iPhone auf den Markt kommen würde. Während in Deutschland diskutiert wurde, ob Oliver Kahn oder Jens Lehmann das Tor der Mannschaft hüten solle, begann am anderen Ende der Welt eine Legende seine internationale Rugby-Karriere.

Alun Wyn Jones spielte ein Jahr nach seinem Profi-Debüt für die Ospreys 2005 erstmals für sein Heimatland auf der für ihn ungewohnten Sechs in der Dritten-Sturmreihe. Es sollte kein Auftakt nach Maß werden, am Ende unterlag das walisische Team knapp mit 25-27 in einem dennoch historischen Länderspiel. Erstmals wurde in der Provinz Patagonien ein Länderspiel ausgetragen, ganz im kalten Süden Argentiniens. Es sollte bekanntlich nicht das letzte Länderspiel für den 1,98-Meter-Mann werden. 147 weitere Mal ist Wyn Jones seitdem auf internationaler Bühne aufgelaufen und hat damit am letzten Samstag in Paris den Rekord von Richie McCaw eingestellt.

Alun Wyn Jones bei seinem Debüt - Kanzerlin Merkel war damals gerade Mal sieben Monate im Amt

Für den Zweite-Reihe-Hünen der Waliser war auch das Rekordspiel in Paris in mehrfacher Hinsicht frustrierend. Nicht nur unterlag sein Team in seinem allerersten internationalen Geisterspiel mit 21:38 gegen ein offensivstarkes junges Frankreich-Team. Jones Bilanz wurde mit der 73. Niederlage seiner Karriere quasi ausgeglichen - den 73 Siegen stehen nun genauso viele Niederlagen, sowie zwei Unentschieden gegenüber. Dennoch würde niemand dem Wales-Kapitän seine Klasse in Abrede stellen. Das erste und letzte Spiel stehen ganz und gar nicht für Jones hochdekorierte Karriere, die noch lange nicht zu Ende sein scheint.

Kaum ein Spieler hat Wales in der modernen Rugby-Ära dermaßen geprägt, wie Alun Wyn Jones - Kapitän seiner Nationalmannschaft, drei Mal für Lions-Touren nominiert und zwei Mal gar Kapitän der British and Irish Lions, vier Six-Nations-Titel und 2019 im Alter von 33 Jahren Spieler des Sechs-Nationen-Turniers. Dabei ist Wyn Jones in wirklich keinem Bereich des Spiels wirklich überragend, sondern „nur“ in jeder Facette des modernen Sturmspiels verdammt gut, ohne erkennbare Schwächen und auch in hitzigen Situationen einen kühlen Kopf bewahrend - dazu ist Wyn Jones ein Dauerbrenner und geborener Anführer. Seine Ansprache an das Lions-Team von 2013 vor dem entscheidenden dritten Spiel gegen die Wallabies, in dem er sein Team ohne zu schreien zu einer großartigen Leistung motivierte, ist heute legendär.

Wyn Jones legendäre Ansprache vor dem dritten Lions-Test 2013

Sollte er, sofern nicht noch etwas Unvorhergesehenes geschieht, am Samstag im Parc Y Scarlets beim Six-Nations-Duell mit Schottland (live bei ProSieben Maxx, RAN.de und DAZN) den alleinigen Länderspielrekord holen, würde er seinen Legenden-Status in Wales nur weiter zementieren. Was Wyn Jones in seiner Karriere bisher fehlte, war der Erfolg auf WM-Ebene. Zwei Mal schaffte er es mit den roten Drachen ins WM-Halbfinale (2011 & 2019). Könnte es Wyn Jones tatsächlich noch zum World Cup 2023 in Frankreich schaffen?

Er würde genau während des Turniers seinen 38. Geburtstag feiern - damit wäre er genauso alt, wie Luke Thompson und Schalk Britz, die als 38-jährige die ältesten Spieler der letztjährigen WM in Japan waren. Mit der fünften WM-Teilnahme würde er auch hier einen Rekord aufstellen - nicht nur hat bisher niemand bei fünf World Cups teilgenommen, auch fehlt Wyn Jones nur ein Spiel um mit Richie McCaw gleichzuziehen, der mit 22 WM-Spielen mehr absolviert hat, als jeder andere.  

Natürlich müsste Wyn Jones von größeren Verletzungen verschont bleiben, aber warum nicht? Bisher wurde ihm bei den Ospreys und Wales immer die Möglichkeit eingeräumt, Wehwehchen auszukurieren, während andere Spieler von ihren Klubs dazu genötigt werden, angeschlagen zu spielen. Wales hätte weiter seinen Anführer und Strategen, der in seiner Heimat zu einer absoluten Identifikationsfigur geworden ist.

David Pocock beendet seine Karriere

Drei Jahre jünger als Alun Wyn Jones ist er und mit 78 Länderspielen hat nur ein wenig mehr als halb so viele wie der Wales-Kapitän - die Rede ist von David Pocock. Dennoch hat der Dritte-Reihe-Stürmer der Wallabies am Wochenende seine Entscheidung einen Strich unter seine 14-jährige Profi-Karriere zu machen verkündet.

Das letzte Mal lief er Ende Februar für seinen japanischen Klub Panasonic Wild Knights auf - nach dem Sieg gegen die Red Hurricanes hätte er wohl selbst nicht gedacht, dass es sein letztes sein würdee. Corona-bedingt wurde die Saison wenig später abgebrochen und wegen der globalen Pandemie bleibt dem australischen Dritte-Reihe-Stürmer ein angemessener Abschied verwehrt.

Er war mit seiner unglaublichen Stärke und Athletik wohl der beste Balldieb der letzten zehn Jahre im Welt-Rugby. Auch wenn zwei schwere Knie-Verletzungen ihn zurückwarfen, die ihm mehr als zwei Jahre seiner Karriere kosteten, wird er als einer der ganz Großen in Erinnerung bleiben. Bei der WM 2015 in England, als Australien es überraschend bis ins WM-Finale schaffte, wurde die Doppel-Sieben mit Pocock und Michel Hooper (die englische Presse sprach von der Pooper-Kombination) geboren.

Der Kontaktpunkt-König: David Pocock war der wohl beste Balldieb im modernen Rugby

Dabei war die taktische Innovation der Wallabies aus der Not geboren. In den 2,5 Jahren, in denen Pocock verletzungsbedingt fehlte, hatte sich Micheal Hooper bei den Australiern auf der Sieben etabliert. Der damalige Trainer Micheal Cheika wollte aber auf Pocock nicht verzichten und stellte ihn auf die ungewohnte Achter-Position, die er wie eine Sieben interpretierte. Damals noch taktisches Neuland, mittlerweile von anderen Teams wie England (Underhill & Curry) praktiziert.

Die beiden Openside-Flanker dominierten die WM über die Kontaktpunkte und verhalfen den Wallabies so zu Siegen über Wales, Gastgeber England, Schottland und Argentinien. Im Finale hatten die Australier lange in Schlagdistanz gelegen, mussten sich aber spät dem Erzrivalen Neuseeland geschlagen geben, trotz eines Versuchs von Pocock selbst.

Es hätte die Krönung von Pococks Karriere werden können - doch trotz eines Versuchs reichte es für die Wallabies nicht zum WM-Titel 2015

Wohl kaum ein Spieler war dermaßen fit wie Pocock und dennoch verhinderte sein Verletzungspech, dass er sein volles Potenzial verwirklichen konnte. Seine Pläne für die nun anbrechende Zeit nach der Karriere, sagen viel über den Menschen David Pocock selbst aus. Der studierte Agrarwissenschaftler will sich seiner Leidenschaft widmen, dem Naturschutz. Pocock war in Simbabwe auf einer Farm aufgewachsen und erst als 14-jähriger nach Australien gekommen, als seine Familie dem unruhigen Poltischen Klima im südafrikanischen Land entfliehen musste.

Pocock hatte sich bereits während seiner Karriere politisch engagiert und wurde 2014 gar für eine Protest-Aktion festgenommen. Er hatte sich gemeinsam mit sieben anderen an einen Kohlebagger angekettet und dort 10 Stunden bis zu seiner Festnahme verharrt. Er wollte damit die Aufmerksamkeit der australischen Öffentlichkeit darauf lenken, dass ein Naturschutzgebiet eigens für den Kohletagebau umdeklariert wurde. Die Sommerpause nutzte er mehrmals , um mit Nationalpark-Rangern in seinem Heimatland als Freiwilliger zu helfen.

In eine Sinnkrise dürfte Pocock also in den kommenden Jahren nicht geraten. Die Wallabies könnten ihn am Samstag, wenn sie daheim in Sydney gegen die All Blacks versuchen den Bledisloe Cup zurückzuerobern, aber gut gebrauchen.

David Pocock bei seiner Protest-Aktion gegen einen Kohletagebau in einem Naturschutzgebiet

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