Transfrauen dürfen künftig nicht mehr im internationalen Wettkampf antreten - das würde auch die deutschen 15er-Frauen betreffen.
Rugby als Vorreiter im Weltsport - das hört man selten. Doch in diesem Fall geht es um ein kontroverses Thema, nämlich die Teilnahme von Transfrauen im Frauen-Rugby. Nach einem achtmonatigen Entscheidungsprozess hat sich World Rugby, wie erwartet, für ein Verbot auf dem internationalen Elite-Level entschieden - aus „Fairness- und Sicherheitsgründen“, wie es von World Rugby heißt. Im Amateur-Bereich überlässt der Weltverband den einzelnen Mitgliedsverbänden die Entscheidung und betont, dass man dahingehend flexibel sei.
Rugby, das Spiel für alle - ob klein, dick, groß, klein, schnell oder stark - so zumindest lautet das lang gepredigte Mantra des ovalen Ballsports. Nun gilt dieses künftig wohl nur noch mit einer entscheidenden Einschränkung: Transgender-Frauen dürfen künftig nach einer World-Rugby-Entscheidung durch das Exekutivkomitee im internationalen Frauen-Rugby nicht mehr antreten. Die Teilnahme im Herren-Bereich bleibt ebenso möglich, wie die Teilnahme im Amateur-Sport, sofern die jeweiligen Verbände sich dazu entscheiden, es so zu regeln.
Die Deutschen Rugby-Frauen standen den Bestrebungen seitens des Weltverbands zu einer Neuregelung schon im August skeptisch gegenüber, wie die Vize-Vorsitzende Anne-Marie Kortas damals gegenüber TR bestätigte. Ein solcher Schritt führe die Werte des Sports „ad absurdum“, so die Spielerin des RK 03 Berlin vor zwei Monaten (Link zum Artikel).
Bisher hatten im Rugby dieselben Regeln gegolten, wie im sonstigen internationalen Spitzensport: Nach Regularien des IOC können Trans-Frauen seit 2004 in Wettkämpfen antreten, solange sie mindestens ein Jahr lang medikamentös ihr Testosteron-Level künstlich auf ein Niveau von unter 5 nmol/L senken. Diese Behandlung soll die körperlichen Vorteile für Trans-Frauen, welche die männliche Pubertät durchlebt haben, ausgleichen.
World Rugby sieht Transfrauen als Gefahr im Frauen-Rugby
Bei World Rugby hat man nun einen achtmonatigen Konsultationsprozess einer Taskforce unter dem Vorsitz der kanadischen Psychiaterin und Ex-Spielerin Dr. Araba Chintoh abgeschlossen. Laut World-Rugby-Darstellung sei man nach der Konsultation mit zahlreichen Stakeholdern und nach der Analyse dutzender relevanter Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass Transfrauen im Vollkontakt-Rugby der Frauen eine Gefahr darstellen.
Beispielsweise würde die bei Männern im Schnitt um 45% höhere Muskelmasse durch die Hormontherapie nur um 4% gesenkt. Die im Schnitt 30 bis 60% höheren Kraftwerte würden ebenso nur um bis zu 9% gesenkt. Es verblieben für Transfrauen also weiterhin klare Vorteile gegenüber ihren Cis-Konkurrentinnen. Das wiederum, so die Darstellung von World Rugby, würde zu größeren Risiken im Vollkontakt-Rugby führen - beispielsweise, da im Herren-Rugby 30% höhere Kräfte auf Kopf und Nacken wirken.
Kritiker an der Vorgehensweise von World Rugby monieren, dass ein Großteil der veröffentlichten Zahlen auf Studien ohne Rugby-Kontext zurückzuführen seien und man diese nicht eins-zu-eins auf den ovalen Ballsport übertragen könne. Joanna Harper, Doktorandin an der Loughborough Universität und die einzige Transfrau in der World-Rugby-Taskforce, ist der Überzeugung, dass man bereits mit einer vorgefertigten Meinung in diesen Prozess gegangen sei. Sinnvoller sei es in Sportarten, in denen sich körperliche Vorteile ergäben, die Anzahl von Trans-Frauen zu begrenzen, wie sie gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte.
Die englische RFU reagiert und lässt Transfrauen weiter teilnehmen
In England hat sich der dortige Verband RFU bereits dazu entschlossen, Trans-Frauen weiterhin die Möglichkeit zu geben, auf allen Ebenen bis hin zur Premiership mit Ausnahme der Nationalmannschaft zu spielen, die unter World-Rugby-Regeln fällt. Man werde Transfrauen weiter spielen lassen, aber dennoch auch künftig Inklusivität und Fairness miteinander abwägen, so ein Sprecher gegenüber dem Londoner Guardian.
In Deutschland dürfte es angesichts des Meinungsbildes in der hiesigen Community schlussendlich auf eine ähnliche Regelung hinauslaufen, jedoch hat sich der DRV formell mit dem Thema noch nicht beschäftigt. Eines steht jedoch fest: Die World-Rugby-Entscheidung beendet die Diskussion nicht, sie entfacht sie erst so richtig.
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