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Not the last Dance: Das DRV-Wolfpack zwischen Lindow, Spanien und mit Blick auf Südafrika 2022
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 6. Oktober 2020

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Das Jahr begann mit einem Sieg in Südamerika - seitdem dominiert Corona den Alltag des DRV-Wolfpacks

Nach einem einwöchigen Trainingscamp in Lindow, vor einem weiteren Trainingscamp daheim gemeinsam mit der spanischen Nationalmannschaft, den mit Blick immer auf die mittelfristigen Ziele gerichtet - allen voran die Siebener-Weltmeisterschaft 2022 in Kapstadt, die in 23 Monaten stattfindet. Unser DRV-Wolfpack befindet sich gerade mitten in einem Corona-Vakuum, das sich für die Spieler schier endlos anfühlen muss, sich mit Blick auf die Konkurrenz aber irgendwann als Vorteil herausstellen könnte.

Manchmal tut ein Tapetenwechsel gut, um der Eintönigkeit des Alltags zu entfliehen. Das was der Volksmund schon ewig als Redensart kennt, werden unsere Jungs von der Siebener-Nationalmannschaft seit letzter Woche auch besser verstehen. Seit der Rückkehr in den Trainingsbetrieb Ende April, der Anfangs als Befreiung nach wochenlangem Heimtraining im Lockdown wahrgenommen wurde, dürfte die Eintönigkeit des Trainingsalltags mittlerweile den einen oder anderen Wolfpack-Spieler eingeholt haben.

In einem normalen Jahr hätte das Team in diesen sechs Monaten seit der Trainings-Wiederaufnahme mehr als ein Dutzend Turniere gespielt. Angefangen mit den Hong Kong 7s im April bis zu den Oktoberfest 7s, die eigentlich hätten vor zehn Tagen stattfinden sollen. Statt Wettkampf vor vollen Rängen an einigen der spannendsten Orte der Welt, hieß es seitdem Tag für Tag trainieren, ohne wirkliche Perspektive auf einen richtigen Wettbewerb.

Statt zu den Hong Kong 7s ging es für das DRV-Wolfpack im April in den Lockdown

Da kann man als Wolfpack-Ass dieser Tage nicht mehr sonderlich wählerisch sein. Statt Olympiastadion und Wiesenzelt in München, war die nordbrandburgische Kleinstadt Lindow letzte Woche der Ort, an dem sich das Nationalteam versammelte, um zumindest zu trainieren. Auch wenn man im ersten Moment beim ländlichen Brandenburg eventuell nicht unbedingt Fernweh empfindet, war das Trainingscamp in knapp 700 km Entfernung vom Heidelberger Stützpunkt doch der benötigte Tapetenwechsel für das DRV-Team.

Zumal sich der 3000-Einwohner Ort, malerisch gelegen und eingerahmt von gleich drei Seen, als kleines Juwel entpuppte. Vor allem waren aber die Trainingsbedingungen im Sport- und Bildungszentrum Lindow optimal, wie Leistungssportreferent Daniel Booth erklärt: „Es ist wirklich eine super Anlage, die Plätze sind top gepflegt, es gibt auch außen herum ein großes Angebot, ob Kletterwand, Bowlingbahn, Sauna, oder der Badesee. Auch wenn die Jungs davon vieles nicht nutzen konnten, da die Woche eng durchgetaktet war." 

Aber nicht nur die Wolfpack-Spieler waren in Lindow stark beschäftigt. Auch Leistungssportkoordinator Booth selbst war dieser Tage stark beschäftigt - dabei galt Booths Aufmerksamkeit nicht unbedingt dem Trainingsgeschehen auf dem Platz, wo der Fokus des Trainerteams auf der Weiterentwicklung der Standards und der Laufwege im Angriff lag. Booth hatte bereits das Geschehen in der kommenden Woche im Blick - dann nämlich, so der Plan, wird Spaniens Nationalmannschaft in Heidelberg zu Gast sein.

Der Wolfpack-Kader für das Trainingscamp mit Spanien
Berliner RC: Chris Umeh, Philip Gleitze
SC Frankfurt 1880: Oliver Stein
TSV Handschusheim: Anjo Buckman, Marcel Coetzee, Benedikt Müssig
Hannover 78: Tobias Bauer, Alexander Brosowski, Jarrod Saul, Bastian van der Bosch
RG Heidelberg: Tim Biniak, Marvin Dieckmann, Fabian Heimpel, Nick Hittel, Tim Lichtenberg, Robin Plümpe, Benedikt Spieß
RK Heusenstamm: Sam Rainger, Leon Hees
Germania List: Niclas Koch, Felix Hufnagel
SC Neuenheim: Nicolas Rinklin, Max Heid, Jacob Dipper
Rugby Offenbach: Robert Haase
Taunton Titans: John Dawe

Eine Woche gemeinsames Training und abschließend richtige Spiele, knallharter Wettkampf gegen ein World-Series-Team, ein Stückchen Normalität aus Vor-Corona-Zeiten nach Monaten der Tristesse. Dabei ist die Organisation eines Trainingscamps dieser Art in Zeiten der globalen Pandemie ein „logistischer Albtraum“, wie Booth angesichts sich ständig verändernder Rahmenbedingungen verrät. Bekanntermaßen durchlebt Spanien aktuell eine zweite Corona-Welle mit rund 10.000 Neuinfektionen pro Tag.

Jedoch befindet sich das spanische Team bereits seit mehreren Wochen in seinem Rückzugsort, im Trainingscamp ganz im Süden Spaniens in der Provinz Andalusien. Die Provinz an sich ist im Vergleich zu anderen Landesteilen weitaus weniger betroffen und das Team befindet sich im Höhentraining in der bis zu 3.500 Meter hohen Sierra Nevada, wo kaum Fälle des neuartigen Coronavirus registriert wurden.

Deshalb wird das Team Stand heute in der kommenden Woche mit einer Kurz-Quarantäne und einem Corona-Test nach Deutschland einreisen und ins Training in der Neckarstadt einsteigen können. Das Trainings- und Wettkampf-Camp mit den Spaniern wird im Wolfpack-Management auch deshalb als dermaßen wichtig angesehen, weil man nur so eine sportliche Weiterentwicklung der Mannschaft möglich sieht.

Punktuelle Verjüngung statt personeller Umbruch

Davon dürfte vor allem eine Reihe junger Spieler profitieren, die bereits in Lindow Stück für Stück in das Team integriert wurden und sich nun in den Kader für das anstehende Camp mit Spanien wiederfinden. Dass eine Verjüngung des Teams in den kommenden Jahren ein Thema sein wird, steht dabei außer Frage. Einige der Leistungsträger sind mittlerweile um die dreißig Jahre alt, was im professionellen Siebener-Rugby schon ein fortgeschritteneres Alter ist.

Jedoch will man die Corona-Phase nicht etwa für einen radikalen Schnitt nutzen. Man werde den aufstrebenden Nachwuchs von der Erfahrung der Wolfpack-Routiniers profitieren lassen, wie Coach Clemens von Grumbkow erklärt. Denn noch fehle vielen Nachwuchs-Spielern die nötige Erfahrung sowie das Spielverständnis, um selbst Stützen im Team zu sein. Genau dafür benötigen diese Spieler noch Spielzeit zwischen den erfahreneren Spielern, so die Einschätzung im DRV-Trainerteam.

Eine schrittweise Integration der jungen Spieler sei deshalb das Ziel und da seien die Spiele gegen Spanien ein sehr guter Anfang. Zumal unter den Veteranen niemand in einer solchen Situation abrupt und ohne richtigen Abschied aufhören wolle, wie Trainer von Grumbkow vermutet, der selbst erst 2017 seine Spieler-Karriere beendete. Wann sich wieder eine Chance für einen standesgemäßen Abschied böte, ist derweil aber nicht abzusehen.

Kurzfristig könne niemand so richtig sagen, wenn es wieder losgeht, nachdem die Dubai und Kapstadt 7s für Ende des Jahres ebenso abgesagt worden sind, genauso wie die Sydney und Hamilton 7s Anfang 2021. Das nächste große Ziel des DRV-Wolfpacks ist derweil am Horizont schon absehbar: Die Siebener-WM im September 2022 in Kapstadt - wobei dafür natürlich zunächst der Sprung unter die 24 qualifizierten Teams nötig sein wird.

Die WM 2022 in Kapstadt in einem der besten Rugby-Arenen weltweit als großes Ziel

Eine Weltmeisterschaft in einem der stimmungsvollsten Stadien im Welt-Rugby, das dürfte auch für Veteranen wie Anjo Buckman, Bastian Himmer, oder Fabian Heimpel noch ein großes Ziel sein, selbst wenn ihnen Olympia 2024 zu weit weg erscheinen sollte. „Die Jungs sind weiterhin heiß, sie motivieren sich gegenseitig, sie brauchen aber auch den Wettkampf“, wie Team-Manager Booth erklärt. Die punktuelle Verjüngung werde den Konkurrenzkampf innerhalb des Teams weiter lebendig halten.

Könnte Corona zum Vorteil für das Wolfpack werden?

Aktuell steht das deutsche Siebener-Programm besser da, als das der meisten Konkurrenten. In England und Wales wurden gar alle Aktivitäten aus akuter Finanznot temporär eingestellt, während unsere Siebener-Nationalmannschaft dank staatlicher Förderung weiter in gewohntem Umfang trainieren kann. Könnte das zu einem Vorteil werden, wenn es wieder losgeht mit den Wettkämpfen?

„Ja, definitiv“, so die Einschätzung von Manager Booth, der weiter erläutert: „Wir schätzen uns super glücklich, dass wir starke Partner haben und weiter gefördert werden. Da sind wir in einer glücklichen Lage, um die uns die meisten Länder beneiden.“ Von Grumbkow ergänzt: „Allein das wir weiter als Team zusammenarbeiten können, weiter an Abläufen arbeiten können, während andere das nicht können, ist ein riesiger Vorteil.“

Zu den Benachteiligten zählt unter anderem Englands Nationalteam. Während einige Spieler wie Speedster Dan Norton, Charlton Kerr (beide London Irish), Ben Harris (Saracens) und Will Muir (Bath) in der Premiership im professionellen 15er-Rugby untergekommen sind, wiederum andere Coaching-Jobs angenommen haben (unter anderem Richard de Carpentier und Tom Mitchell), könnten einige Spieler endgültig für das Nationalteam verloren sein.

England-Spielmacher Will Edwards beispielsweise hat seine Nach-Karriere-Pläne vorgezogen und eine Stelle als Chemie-Lehrer angenommen. Statt Spielzüge für Olympia 2020 in Tokio musste Edwards in diesem Sommer den Lehrplan für sein erstes Schuljahr als Lehrer studieren.

Für Einige heißt es durch Corona wohl, dass der „last Dance“ schon gelaufen sei, wie Wolfpack-Coach von Grumbkow mit Bezug auf die unglaublich populäre Micheal-Jordan-Doku auf Netflix „the last Dance“ spekuliert. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, könnte das DRV-Wolfpack gestärkt aus der Corona-Pause hervorgehen.

Mit einigen neuen Gesichtern hofft man bereits für die Zwischenetappe 2022 in Südafrika eine bessere Rolle spielen zu können und dann, so von Grumbkow abschließend, heißt es: „Voller Fokus auf Olympia 2024 in Frankreich.“

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