Der größte Triumph in der Geschichtee des DRV-Wolfpack, der EM-Titel von 2019. Foto (c) Perlich
Es ist auf den Tag genau ein Jahr her, der Wolfpack-Triumph von Lodz. Unsere Siebener-Nationalmannschaft gewann am 21.7.2019 erstmals den EM-Titel. Der EM-Titel war der größte Erfolg in der Geschichte des deutschen Rugbys, mindestens seit der Olympia-Medaille von 1900. Seither wurde im Rugby durch das Coronavirus so einiges durcheinandergewirbelt. Bei den Verantwortlichen blickt man aber gerne auf das GPS-Turnier in Polen zurück. Ex-Trainer Vuyo Zangqa, mittlerweile im Trainerstab der Southern Kings in der Pro 14, glaubt an die Zukunft seines Ex-Teams.
„Wenn ich an dieses Wochenende zurückdenke, das ist für mich heute noch emotional, es war ein absolutes Karriere-Highlight für mich“, so Vuyo Zangqa gestern. Zangqa hatte nach dem EM-Triumph letzten Herbst seinen Job als Nationalcoach aus familiären Gründen aufgegebene und war in sein Heimatland Südafrika zurückgekehrt. „Wir waren in die Saison 2019 gegangen, nachdem wir 2018 gleich mehrere Finalspiele verloren hatten, aber wir wollten etwas erreichen - ich hatte mir vorgenommen nicht zu gehen, ohne selbst als Coach mit dieser Mannschaft etwas erreicht zu haben.“
Der ehemalige World-Series-Sieger mit den Blitzboks betonte im gestrigen Gespräch mit TR weiter, dass dieser Sieg in Lodz ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des DRV-Wolfpacks gewesen sei. „Auch zu siegen muss man lernen“, so der ehemalige Weltklasse-Spieler, der aktuell mit seinen Kings in Port Elizabeth nach der langen Corona-Pause gerade wieder ins Training einsteigt.
Das deutsche Team hatte im Sommer 2019 bereits drei knappen Rückschlagen einstecken müssen - jeweils gegen Irland - im April im Hongkong-Halbfinale, im ersten GPS-Turnier von Moskau und nur eine Woche zuvor bei der Olympia-Quali von Colomiers. Dennoch war man ambitioniert in dieses Turnier gegangen. Co-Trainer Clemens von Grumbkow erklärt heutee: „Nach der langen Saison hatten England und Frankreich jeweils jüngere Teams geschickt und wir waren mit unserem Halbfinaleinzug in Moskau in einer guten Ausgangsposition - wir hatten uns vor Lodz schon was ausgerechnet.“
Nervöser Beginn in Lodz, Meisterleistung gegen Irland, Krönung gegen Spanien
Im Turnier selbst stotterte der Motor der deutschen Mannschaft, die von ihrem Trainerteam fast unverändert Kader in das Turnier von Lodz geschickt wurde, zunächst. Die Coaches hatten sich, wie sie heute erklären, trotz einiger Enttäuschung in Colomiers, gegen eine radikale Personalrotation entschieden. In der Gruppenphase holte das Team jeweils knappe Siege gegen Russland und Georgien, sowie einen deutlicheren gegen England.
Der Knackpunkt war schlussendlich das Viertelfinale gegen Frankreich - nach einem frühen 0:14 Rückstand und einem 12:19 nur gut drei Minuten vor dem Ende, stand das deutsche Team mit dem Rücken zur Wand und kurz vor dem Aus. Doch das deutsche Team kämpfte sich mit viel Willen und spielerischem Geschick bis zum Ausgleich - nach einer gelben Karte gegen Niklas Koch in der Schlussminute wurde es erneut brenzlig, doch Jonathon Dawe konnte in der Nachspielzeit zum Sieg ablegen.
Der darauf folgende Sieg gegen den vermeintlichen Angstgegner Irland, mit den beiden Supersprintern Conroy und Kennedy im Halbfinale, war dann der emotionale Höhepunkt in Lodz. Gegen den Titelverteidiger startete das DRV-Wolfpack zwar erneut nervös und kassierte folgerichtig einen 0:7 Rückstand. Doch mit einer brutalen Defensiv-Leistung, den offensiv toll kombinierenden Szczesny und Lichtenberg, sowie einem Ben Ellermann, der nur ein Jahr nach seinem Wolfpack-Debüt im Abrissbirnen-Modus durch die grüne Defensive lief, konnte Irland mit 17:7 niedergerungen werden.
Der emotionale Höhepunkt: Der Sieg über Irland
Der Finalsieg über Spanien mit 28:14 war dann schließlich die Krönung für dieses deutsche Team, das überhaupt erst sieben Jahre zuvor in Europas Eliteklasse im olympischen Siebener aufgestiegen war. Vuyo Zangqa rückblickend: „An diesem Wochenende hatte ich immer das Gefühl, dass wir alles im Griff hatten, ich habe nie Panik gespürt, auch gegen Frankreich nicht - für Jungs wie Basti, Fabs und Phil war es der verdiente Lohn, nach all den Jahren ganz oben auf dem Treppchen zu stehen.“
Zangqa sieht großartige Perspektive für Wolfpack
Auch nach seinem Abschied hat Coach Zangqa die Entwicklung seines ehemaligen Teams verfolgt. Wie sich das Team nur wenige Wochen später bei den Oktoberfest 7s geschlagen habe, hätte ihn fast zu Tränen gerührt, wie Zangqa weiter erklärt. „Wie die Jungs sich in München geschlagen haben, sie hatten Südafrika am Rande einer Niederlage, das hat mich mit unglaublich viel Stolz erfüllt - sie sind über sich hinaus gewachsen.“
Die Turniere in Südamerika hätten gezeigt wie sehr sich das Team in den letzten Jahren entwickelt hat, aber auch wie viel Potenzial noch da ist. Und bei einem ist sich Zangqa sicher: „Eher früher als später werde ich in Dubai oder Kapstadt auf der Tribüne sitzen und die Jungs anfeuern, wenn sie World Series spielen.“
Noch immer ist Zangqa mit einigen seiner ehemaligen Spieler in Kontakt und aus Port Elizabeth blickt er mit uneingeschränkt positiv auf seine Zeit in Deutschland zurück: „Ich habe das Land, seine Kultur und Leute lieben gelernt - und für diese Jungs empfinde ich nur stolz, es wir mir eine Ehre mit ihnen gearbeitet zu haben!“
Ob es für das deutsche Team dieses Jahr noch die Chance gibt den Titel zu verteidigen, ist aktuell nicht abzusehen. Dank der Unterstützung durch das BMI und der Anstellung einer Reihe von Spielern bei der Bundeswehr, läuft der Trainingsbetrieb in den kommenden Wochen normal weiter. Sollte Ende des Jahres noch ein EM-Turnier ausgetragen werden, wäre das DRV-Wolfpack bereit, den Triumph von Lodz zu wiederholen.
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