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Weniger Wechsel für mehr Spielfluss - „wir werden langsam zum American Football“
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Montag, 20. Juli 2020

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Weniger Auswechslungen = leichtere Spieler und ein dynamischeres Spiel? Das ist der Gedanke hinter World Rugbys Versuchen die Zahl der Wechsel zu verändern. Foto (c) Perlich

Es wäre nicht das erste Mal, dass im Welt-Rugby in dieser Corona-Pause an der Regelschraube gedreht wird. In Australien werden gerade der 50/22 Kick und der Dropout von der Mallinie ausgetestet (TR berichtete). Nun will World Rugby demnächst mit der Zahl der Auswechslungen experimentieren - sie soll von acht auf sechs pro Spiel sinken. Der Gedanke dahinter: Weniger Auswechslung bedeuten mehr Ermüdung bei den Spielern, dadurch mehr Raum zum kombinieren und schlussendlich in der Folge leichtere und mobilere Spieler.

Wie Dr. Eanna Falvey, World Rugbys Chefberater in medizinischen Fragen und Irlands Teamarzt, gegenüber dem Londoner Telegraph bestätigte, macht der Weltverband gerade Überlegungen in diese Richtung. Nachdem die Zahl der taktischen Auswechslungen (verletzte Spieler durften mit Genehmigung des Schiedsrichters seit 1969 ausgewechselt werden) nach ihrer Einführung 1996, von drei sukzessive auf acht erhöht wurde, soll die Entwicklung nun erstmals in die entgegengesetzte Richtung gehen.

Falvey erklärte dem Londoner Telegraph am gestrigen Sonntag, dass man aktuell abwäge, welche Auswirkungen ein solcher Schritt auf Verletzungen und die Geschwindigkeit des Spiels habe. Zwar seien Auswechslungen einst eingeführt worden, um Verletzungen zu vermeiden - mittlerweile hätten sie jedoch auch dazu geführt, dass Spieler immer schwerer und muskulöser geworden seien. Auf der Bank werden demnach in jedem Fall weiterhin drei Erste-Reihe-Stürmer vorgeschrieben, um Gedränge mit Druck sicherstellen zu können - egal ob es zur Reduzierung auf sechs Auswechselspieler komme, oder nicht.

Schon während der WM war die Diskussion um die Zahl der Auswechslungen hochgekocht - Rugby solle wieder zum Spiel des Ausweichens, nicht der Kollisionen werden. Der Trend unter den erfolgreichsten Teams war gleich sechs Stürmer und nur zwei Hintermannschaftsspieler auf die Bank zu setzen. Gerade die beiden Finalisten England und Südafrika taten sich dabei hervor, gegnerische Teams über ihre schweren Ballträger im Sturm mürbe zu machen und schlussendlich eher mit körperlicher Stärke, anstatt mit spielerischer Finesse zu besiegen.

Südafrika wurde 2019 auch mit seiner starken Bank, bestehend aus sechs Stürmern, zum Weltmeister

Eddie Jones: Rugby entwickelt sich langsam zum American Football

Ausgerechnet Eddie Jones ist nun aber einer der Befürworter der Novelle. Der England-Coach ist sich sicher: „Wir haben den Faktor Müdigkeit ist dem Spiel genommen.“ Zu lange Pausen durch den Video-Referee sowie die zusätzlichen Wechsel-Möglichkeiten durch die Kopfverletzung-Untersuchung hätten den Spielern mehr Möglichkeiten gegeben zu verschnaufen. Das wiederum habe zur Folge, dass sich gegen Ende des Spiels weniger Lücken auftuen, da ausgeruhtere Spieler diese zulaufen können.

Jones Vorschlag: Zwei Auswechselspieler weniger und die Anweisung an die Schiedsrichter, sich mehr zu trauen Entscheidungen ohne Hilfe des Video-Assistenten zu machen. Als Vorbild zieht Jones ausgerechnet die National Rugby League in Australien heran, die nach Einschätzung des gebürtigen Australiers schneller zu Entscheidungen komme. Im dortigen System kümmert sich, ähnlich wie in der deutschen Bundesliga, ein zentraler Entscheidungsraum mit Schiedsrichtern um die Video-Entscheidungen.

Für den Weltmeister Südafrika würde die Regel-Novelle wohl die größte Umstellung bedeuten. In den südafrikanischen Medien war vom Ende des „Bomb Squads“ der Springboks die Rede. Mit dem martialischen Namen wurde Südafrikas starke Bank mit sechs Stürmern bezeichnet, die im taktischen Gefüge von Coach Rassie Erasmus in der zweiten Hälfte den Unterschied machen soll. Tatsächlich hatten die Boks im Finale nach einer engen ersten Halbzeit (12-6) am Ende mit ihren Verstärkungen aus der „Bomb Squad“ den zweiten Durchgang dominiert und mit 32-12 gewonnen.

Tatsächlich sind die Spieler im internationalen Rugby immer schwerer geworden und die Springboks hatten bei der WM einige der schwersten Stürmer an Bord. Dennoch ist auch die effektive Spielzeit, also die Zeit in der der Ball im Spiel ist, in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Wenn man sich zuletzt Super Rugby Aotearoa in Neuseeland angeschaut hat, könnte man der Meinung sein, dass auch unter den bisherigen Regeln ein sehr dynamisches Spiel möglich ist.

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