Der nahende Abschied gleich mehrerer Mannschaften des Rugby Club Aachen (TR berichtete) aus dem deutschen Ligasystem kam für viele eingefleischte Rugby-Anhänger hierzulande überraschend. Einer der zehn größten Vereine des Landes verabschiedet sich, zumindest temporär, aus den deutschen Rugby-Ligen. Aus Sicht der Aachener ein logischer Schritt und für das deutsche Rugby ist er dennoch ein Verlust, der als Weckruf dienen sollte.
Warum der RC Aachen seine beiden Herrenmannschaften und den Nachwuchs bis runter zur U16 künftig in den Niederlanden antreten lässt, ist klar. Die Aachener haben, sofern die Mitglieder des NRB kommende Wochen zustimmen, haben eigentlich nur Vorteile aus diesem „Umzug“: Deutlich weniger Fahrtkosten, keine viermonatige Winterpause, die unter den Klubs sowieso äußerst unbeliebt ist, ein zuverlässiger Spielbetrieb mit mehr Ligaspielen und vor allem im Jugendbereich signifikant mehr Spiele auf Augenhöhe.
Für das deutsche Rugby und speziell den Sport in NRW ist der Weggang der Aachener dagegen ein herber Schlag. Nicht nur verliert die 2. Liga West eines ihrer stärksten Teams. Der sowieso schon lückenhafte Jugendspielbetrieb verliert über 100 Kinder und Jugendliche, die normalerweise in den Farben des RCA auflaufen.
Diese hatten im Westen mit dem RSV Köln nur einen einzigen richtigen Sparringspartner auf Augenhöhe. Gegen den Nachwuchs aus Frankfurt und mit Abstrichen auch aus Heidelberg fielen die Ergebnisse dagegen zu eindeutig aus - verbunden mit den langen Fahrzeiten machte dies den Sport für viele Kinder und Jugendliche unattraktiv.
Nationalmannschafts-Leistungsträger und Frankreich-Profi Eric Marks ist ein Produkt des RCA-Nachwuchs
Die einzig gute Nachricht für den DRV: Der RCA bleibt weiterhin Mitgliedsverein und wird die Finanzierung des Verbands damit auch weiterhin stützen. Natürlich werden Aachener Spieler in den deutschen DRV-Nachwuchsauswahlmannschaften und Auswahlteams antreten und nicht etwa in den niederländischen.
Gleichwohl muss der Schritt in Rugby-Deutschland als Weckruf verstanden werden. Verbesserungen im Nachwuchs-Bereich, mehr Anstrengungen der etablierten Klubs einen besseren Spielbetrieb gerade im Jugendbereich aufrechtzuerhalten, möglicherweise eine Reform des Spielkalenders, aber auch Vereins-Neugründungen sollten das Gebot der Stunde sein.
Spitzenklubs die wenig bis gar nichts in den Rugby-Nachwuchs investieren, sind ein Unding. Dazu braucht der Rugbysport im Westen einen Ruck - in Bayern hat der Landesverband unter Alexander Michl vor wenigen Jahren unter dem Motto „Gründerzeit ist jetzt“ eine Neugründungs-Offensive gestartet.
Interessierte werden zu Neugründungen animiert und ihnen wird mit Hilfe des Landesverbands bei der Vereinsneugründung und Etablierung geholfen. Mit dem TV Lauf und dem ESV Freimann Saint Georges sind allein in den letzten Monaten zwei der erfolgreichsten neuen Vereine hinzugekommen (TR berichtete) und mit Aschaffenburg steht bereits der nächste in den Startlöchern.
Im Westen dagegen soweit nichts Neues, leider. Nirgends sonst gibt es derart viele Großstädte ohne einen aktiven Rugbyklub (TR berichtete). Das gilt es zu ändern - der NRW-Verband könnte sich an seinem bayerischen Pendant orientieren - eine Initiative nach dem Vorbild des des RVB wäre ein Anfang.
Das Potenzial des ovalen Ballsports ist im Westen durchaus vorhanden, wie man am Wachstum der Aachener und der Kölner in den letzten Jahren sehen kann. Mit einem lebendigeren Spielbetrieb würde sichergestellt werden, dass sich Vereine wie der RCA nach Alternativen umschauen.
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