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Heute vor 25 Jahren: Springboks triumphieren, Mandela überreicht Pienaar die WM-Trophäe
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 24. Juni 2020

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Als ein Rugby-Spiel in die Weltgeschichte einging. Nelson Mandela übergibt den Webb-Ellis-Cup an Springboks-Kapitän François Pienaar.

Heute vor genau 25 Jahren wurde ein Stück Weltgeschichte geschrieben. Die Springboks gewannen ihren ersten WM-Titel - es war kein normaler Sieg eines x-beliebigen Sport-Teams. Als Nelson Mandela Kapitän François Pienaar den WM-Pokal überreichte, bedeutete das im LAnd am Kap weit mehr, als den Gewinn des WM-Titels. Der Triumph war ein Meilenstein der Versöhnung in der neu geschaffenen Regenbogen-Nation und ebnete dem heutigen Südafrika-Team unter Siya Kolisi den Weg.

Wohl kaum ein Moment in der Geschichte des ovalen Ballsports hat sich derart in das kollektive Gedächtnis der Rugby- und ebenso der Welt-Öffentlichkeit eingebrannt. Als Südafrikas erster frei gewählter Präsident Nelson Mandela am 24. Juni 1995, im Grün der Nationalmannschaft gehüllt, Springboks-Kapitän François Pienaar den Webb-Ellis-Cup überreichte, befand sich ein ganzes Land im Freudentaumel.

Die Bilder vom WM-Triumph gingen um die Welt - ein Moment der Rugby-Geschichte wurde zur Welt-Geschichte und für Südafrika war es der erste große Meilenstein auf dem langen Weg der Aussöhnung, nach Jahrzehnten unter dem brutalen Apartheid-Regime. Im Nachhinein wurden etliche Bücher über das Geschehen im südafrikanischen Winter von 1995 geschrieben - eine von Clint Eastwood produzierte Hollywood-Verfilmung mit Matt Damon und Clint Eastwood in den Hauptrollen wurde zum Blockbuster.

Nur wenige Jahre zuvor noch unbenkbar: Das Springbok-Team singt Nkosi Sikelel’ iAfrika

Dabei war das Märchen vorher kaum so absehbar. Südafrika war vier Wochen zuvor im Kapstädter Newlands-Stadion mit einem 27-18 Sieg im Auftaktspiel gegen Titelverteidiger Australien gestartet. Schon dieses Ergebnis war eine riesige Überraschung - das Springboks-Team hatte vom September 1981 bis zum August 1992 mit der Ausnahme zweier Matches gegen England im Jahr 1984 keinerlei Länderspiele absolviert.

Die Sportwelt hatte Südafrika aus Protest gegen die rassistische Politik seiner Regierung mehr als eine Dekade nahezu völlig aus ihren Reihen verbannt. Nach der Rückkehr auf die internationale Rugby-Bühne 1992, in Folge der Freilassung des knapp 30 Jahre als „Terroristen“ inhaftierten Mandelas, kassierten die Boks innerhalb weniger Wochen deutliche Pleiten gegen Neuseeland, Australien, Frankreich und England. 

Doch das Momentum hinter dem Team hatte sich zur WM im eigenen Land hin geändert. Nicht nur war 1994 mit Nelson Mandela der erste frei gewählte Präsident des Landes ins Amt gekommen. Die Boks betrieben Ihren Teil, um vom Image als Team des weißen Unterdrückers wegzukommen.

Die Boks trainierten erstmals mit farbigen Südafrikanern in Townships - eben jenen Elendsvierteln, die das Apartheid-Regime über seine 40-jährige Herrschaft kreiert hatte, indem es Millionen nicht-weiße Bewohner aus den Innenstädten der großen Metropolen, wie Johannesburg und Kapstadt, an deren Ränder zwangsumsiedelte.


Das neue Motte der Mannschaft „Eine Mannschaft ein Land“ sollte die neue Realität reflektierten. Freilich war mit Chester Williams lediglich ein nicht-weißer Spieler im WM-Kader Südafrikas. Dennoch wurde die Präsenz des insgesamt 589. Rugby-Nationalspieler der Geschichte Südafrikas, der der erst dritte nicht-weiße Spieler der Boks überhaupt war, als hoffnungsvolles Zeichen gesehen.

Die neue Hymne - eine Mischung aus der alten Afrikaans-Hymne „die Stem“ und der isiXhosa-Hymne Nkosi Sikelel’ iAfrika - wurde in den WM-Stadien zum Schlachtruf der Heimfans. Südafrika arbeitete sich nach dem Auftatktriumph gegen Australien mit Siegen über Rumänien, Kanada, Samoa und schließlich im Dauerregen des Halbfinales in Durban über Frankreich bis ins Finale vor.

Südafrika war im Endspiel trotz allem immer noch der große Außenseiter - Final-Gegner Neuseeland mit dem damals die Rugby-Welt im Sturm erobernden blutjungen Jonah Lomu der haushohe Favorit. Doch Südafrika schien an diesem Tag die Geschichte gegen die All Blacks auf seiner Seite zu haben.

Kapitän François Pienaar sprach im Nachgang, unter anderen in seinem Buch „Rainbow Warrior“, immer wieder davon, wie sehr der neue Präsident das Team anspornte. Mandela erschien am Finaltag mit dem einst verhassten Springboks-Symbol auf der Brust und im Publikum um ihn herum waren zehntausende zumeist weiße Südafrikaner, von denen nur die wenigsten Mandela nur wenige Jahre zuvor zugejubelt hätten, die nun Nkosi Sikelel’ iAfrika sangen - es war der Tag der Boks.

Der drahtige Gedrängehalb Joost van der Westhuizen sollte mit seinem Kampfgeist symbolisch für die Leistung der Gastgeber stehen. Mehrmals brachte er den deutlich schwereren Jonah Lomu zu Fall - genau dies war den Engländern eine Woche zuvor im Halbfinale nicht gelungen, als Lomu das Mutterland mit vier Versuchen quasi im Alleingang versenkte. Südafrika hatte den neuen Superstar an diesem Tag über 80 Minuten und bis in die Verlängerung unter Kontrolle.

Es sollte bis zur 92. Minuten dauern, bis Verbinder Joel Stransky das Land erlöste. Der bis zum bersten gefüllte Ellis Park von Johannesburg explodierte, als Südafrikas Zehner per Dropgoal für die späte Entscheidung sorgte. Der größte Fan des Teams, Präsident Mandela, hatte die Ehre den Webb-Ellis-Cup zu überreichen. Das gesamte Land feierte und rückte erstmals nach Dekaden der Feindseligkeit enger zusammen.

Kein Wunder, dass sich auch der heutige Kapitän der Boks, Siya Kolisi, immer wieder auf das Team von 1995 als Inspiration bezieht. Der Triumph des Springboks-Team in Japan 2019 - die Tatsache, dass heute mehr Menschen denn je in Südafrika Rugby spielen, dass Siya Kolisi selbst Rugby spielt, dass das Team mehr denn je sein Land repräsentiert - all dies fußt auf den Geschehnissen jenes Juni-Tages vor genau 25 Jahren.

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